Positionen zur Bundestagswahl

AOKen: Retax-Drohung, Apothekenketten und Versand-Verträge

Berlin - 04.07.2017, 12:00 Uhr

Große Umwälzungen im Apothekenmarkt fordert Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, in einem Positionspapier zur Bundestagswahl. (Foto: dpa)

Große Umwälzungen im Apothekenmarkt fordert Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, in einem Positionspapier zur Bundestagswahl. (Foto: dpa)


So wie der GKV-Spitzenverband fordert auch die AOK-Gemeinschaft weitreichende Deregulierungen im Apothekenmarkt. In einem Positionspapier zur Bundestagswahl fordert der AOK-Bundesverband die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes. Außerdem würden die AOKen gerne Direktverträge mit Versandapotheken abschließen. Mit Blick auf die derzeitige Debatte um die Exklusivität der Zyto-Verträge drohte Verbandschef Martin Litsch den Apothekern mit Retaxierungen.

Die Krankenkassen wollen sich bei ihren politischen Bemühungen in der nächsten Legislaturperiode offenbar verstärkt dem Apothekenmarkt widmen. Nachdem bereits der GKV-Spitzenverband die Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes und mehr Wettbewerb forderte, legt nun der AOK-Bundesverband nach, der die elf Ortskrankenkassen Deutschlands politisch vertritt. In einem im AOK-System abgestimmten Positionspapier zur Bundestagswahl mit dem Namen „weiter.gehen“ beschäftigt sich der Verband unter anderem mit den Auswirkungen des EuGH-Urteils zur Rx-Preisbindung.

Wörtlich heißt es in dem Papier: „Das in Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes diskutierte Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist nicht zeitgemäß und schadet den Patientinnen und Patienten. Um die Arzneimittelversorgung gerade im ländlichen Raum und für Menschen mit chronischen Erkrankungen sicherzustellen, braucht es den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Statt weniger ist hier mehr Wettbewerb um gute Versorgung angezeigt, beispielsweise durch Direktverträge der Krankenkassen mit Versandapotheken.“

Bei einer Pressekonferenz in Berlin erläuterte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, die Positionen der AOK-Gemeinschaft zum Apothekenmarkt. Auf die Frage hin, welche Vorteile sich durch Direktverträge zwischen Kassen und Versandapotheken für die Versicherten ergäben, antwortete Litsch: „Direktverträge sind eine außerordentlich gute Möglichkeit, die Versorgung effizienter und genauer zu gestalten. Beispielsweise wirken sich Direktverträge positiv auf die Versorgungsqualität und Prozesse in der Belieferung aus. Sie werden sehr genau und transparent vereinbart, schließlich finden Ausschreibungen statt.“ Die Preisbindung will Litsch allerdings nicht komplett kippen – vorerst zumindest. Der Verbandschef sagte, dass man mit solchen Schritten „vorsichtig“ sein müsse und erst das Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zum Apothekenhonorar abwarten müsse.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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6 Kommentare

Überraschung, Überraschung. *gelangweilte Geste*

von Christian Westphal am 06.07.2017 um 12:29 Uhr

Wer hätte bloß daran denken können, dass die Krankenkassen gerne sich selbst die Taschen voll stopfen möchten mit Exklusivlieferverträgen?

An ABDA Stelle würde ich mit dem Papier ja hausieren gehen und sagen: 'So bitte, jetzt haben wir den Salat.Das ist die Zukunft, vor der wir gewarnt haben.'

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Herr Litsch, was soll das??

von Heiko Barz am 04.07.2017 um 21:48 Uhr

Was dem einen sin Uhl, ist dem anderen sein Nachtigall. Glaubt denn dieser Mensch, dass sein Gewerk so besonders schützenswert ist?
Ein Elefant im Porzellanladen ist gemäßigter Ausdruck für diese groben Vertagsverletzungen.
Unsere grandiose Versicherungslandschaft könnte auch im Zuge dessen was der AOK Gesundheitsmensch forcieren will , wie eine Seifenblase selbst zerplatzen. Sollte er sich nicht um seinen eigenen Arbeitsplatz dabei einige Gedanken machen?
Aber warum nicht alles zerschlagen, nach mir die Sintflut.
Für diesen Mann sollte nicht Manna sondern Hirn vom Himmel regnen.
Wieder so ein Profilierungsneurotiker. Ist denn in unserem Land jede Vernunft verlorengegangen?
Es werden auch mittelalterliche Systeme bemüht. Da fällt dann schon mal der Name der Fugger, um zu zeigen, wie alt und überlebt die Deutsche Apotheke doch ist. Einfach lächerlich, wenn man bedenkt, dass das damit verbundene Wirtschaftsystem in seiner Brillianz von diesen engstirnigen Versicherungsmanagern doch sicher kaum bewertet werden kann.

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Geltende Gesetze!?

von Studi am 04.07.2017 um 14:33 Uhr

"Das zeigt uns mal wieder, wie bereitwillig der Gesetzgeber in geltende Verträge eingreift." Eine spannende Aussage des AOK-Chefs, wenn man bedenkt, dass sich die Krankenkassen gerade NICHT an den Rahmenvertrag halten. Also Herr Litsch: Erst mal vor der eigenen Türe kehren und sich an das halten, was man vertraglich festgehalten hat! Und dann kann man sich darüber aufregen, was andere machen!

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Fremdbesitz

von Pharmi am 04.07.2017 um 14:30 Uhr

Spannend, dass gerade vor Kurzem die polnische Regierung das Fremdbesitzverbot wieder festgelegt hat, zum Schutz des Patienten und dessen Versorgung... Die haben da offenbar andere Erfahrungen gemacht, wie die die sich der AOK-Boss vorstellt...

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AW: Fremdbesitz Polen

von Martin Didunyk am 04.07.2017 um 18:11 Uhr

Politisch und im lobbyististischen Bereich ist in Polen eine vollkommen andere Konstellation vorhanden. Das Ergebnis begeistert uns, manches können wir aber nicht wollen resp. Von lobbierenden Strukturen können wir lernen, wenn wir wollen.

Kann man ja mal fordern Herr Litsch . . .

von Uwe Hansmann am 04.07.2017 um 12:51 Uhr

. . . ich fordere im Gegenzug den Gesetzgeber auf, mit der unsäglichen Vielfalt der deutschen Krankenkassenlandschaft endlich mal richtig aufzuräumen. Zudem ist der Krankenkassenmarkt für den Wettbewerb auf europäischer Ebene zu öffnen. Mitteralterliche Besitzstände paritätisch besetzter Kontrollorgane und übermäßig bezahlter Vorstandposten gehören auf den Prüfstand. Aus Gründen der Beitragsstabilität in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ist der Gesetzgeber gefordert, ein weiteres Ausufern zu verhindern. Vorstandsposten bei Krankenkassen sind nun mal keine Fürstentümer, ein solches Gebahren entstammt dem Mittelalter und hat mit der Realität nichts zu tun.

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