CDU-Politikerin gegen Rx-Versandverbot

„Die Stimmung zu Versandapotheken ist eindeutig“

Stuttgart - 03.11.2016, 11:30 Uhr

Für den Arzneimittelversand: Die CDU-Bundestagsabgeordnete Katja Leikert. (Foto: Martin Kraft / Wikimedia, CC BY-SA 3.0)

Für den Arzneimittelversand: Die CDU-Bundestagsabgeordnete Katja Leikert. (Foto: Martin Kraft / Wikimedia, CC BY-SA 3.0)


In der Unionsfraktion im Bundestag mehren sich die Stimmen gegen ein Verbot des Rx-Versandhandels – obwohl die Idee doch eigentlich aus den Reihen stammt. Nun positionierte sich die für E-Health zuständige Parlamentarierin Katja Leikert gegen die Initiative des Bundesgesundheitsministers.

Gut eine Woche nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu den Rx-Boni von DocMorris hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angekündigt, zukünftig den Versandhandel rezeptpflichtiger Arzneimittel verbieten zu wollen. Schnell folgte starke Kritik vonseiten der SPD, und auch die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche sprach sich gegen Gröhes Initiative aus. Doch nun erhält der Minister auch Gegenwind aus den eigenen Reihen: Nachdem der niedersächsische Bundestagsabgeordnete Maik Beermann das geplante Verbot als „falsch“ bezeichnete, hat sich nun auch die für E-Health zuständige CDU-Bundestagsabgeordnete Katja Leikert für Versandapotheken stark gemacht.

Auf ihrer Dialogtour „Politik mit Herz“ bietet die Politikerin derzeit eine „mobile Sprechstunde“ an, um auch abseits des Wahlkampfs mit Wählern in Kontakt zu kommen. Dabei ging es unter anderem um Versandapotheken, wie sie auf ihrer Facebook-Seite schreibt – ihr Stand befand sich vor einer Apotheke, die bis vor wenigen Monaten offenbar Franchise-Nehmerin von DocMorris war. „Den Versandhandel gibt es“, schrieb Leikert. „Viele sind darauf angewiesen oder nehmen ihn aus Komfortgründen gerne in Anspruch und deshalb sollte es ihn auch weiterhin geben“, betonte sie. „Ich bin da für Wettbewerb.“


Ihre Äußerungen stießen sofort auf heftige Kritik in dem sozialen Netzwerk. „Wer genau ist denn auf den Versand von Rx angewiesen“, fragte beispielsweise Gabriela Aures von der Rathaus Apotheke Gaimersheim. Diejenigen, die nicht gut zu Fuß sind „oder wie ich meist nicht zu den Öffnungszeiten der Apotheken am Ort ist“, antwortete die CDU-Abgeordnete, die am Vormittag nicht für eine Stellungnahme erreichbar war. „Das ist also einfach lebensnah und praktisch und für viele angepasst an den Lebensrhythmus.“

Vor-Ort-Apotheken sollen weiter Beratung und Rezepturen übernehmen

Leikert verglich die Situation mit dem Tourismusgeschäft. „Die meisten Menschen schätzen die persönliche Beratung und buchen deshalb nicht nur online“, erklärte sie. So sei es mit den Apotheken auch. „Das muss man realistisch sehen“, betonte die Bundestagsabgeordnete aus Hanau. Ihrer Meinung nach ist die Wettbewerbslage zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versendern offenbar ausgeglichen.

Die Politikerin räumte in der Diskussion auf Facebook auf Nachfrage von Rolf Lachenmaier, der als Betriebswirt bei der Bergapotheke in Hildesheim arbeitet, ein, dass es bei Notdiensten, der individuellen Betreuung oder Rezepturen Unterschiede geben könnte. „Wer Beratung und Individualrezepturen braucht, kann sie ja weiterhin in der Apotheke erhalten“, erläuterte sie ihren Standpunkt. „Glauben Sie mir: Die Stimmung am Infostand zur Versandapotheke – gerade von der älteren Bevölkerung geäußert, war eindeutig“, betonte Leikert. „Es braucht beides zur flächendeckenden Versorgung einer alternden und sehr mobilen Bevölkerung“, schrieb sie. „Das ist das realistische Szenario.“

Versorgung statt Bequemlichkeit

Lachenmaier zeigte sich gegenüber DAZ.online nicht überzeugt. „Ich kann ihre Argumentationskette leider überhaupt nicht nachvollziehen“, erklärte er. Auch könne er nicht verstehen, warum die CDU-Politikerin die lokale Gesundheitsversorgung aufs Spiel setze. „Themen wie Arzneimittelsicherheit und Qualität vor Ort können nur Apotheken vor Ort leisten“, sagte er. „Was letztlich an Leistung und Nutzen für die Bevölkerung und Solidargemeinschaft dahintersteht, wird in keiner Weise wahrgenommen – das verstehe ich nicht“, erklärte der Apothekenmitarbeiter. „Für eine Politikerin in ihrer Position sollte die Bequemlichkeit nicht die maßgebliche Rolle spielen, sondern die Versorgung der Bevölkerung.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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12 Kommentare

Versteht die Frau was sie sagt eigentlich ?!

von Ratatosk am 29.03.2017 um 18:47 Uhr

Wenn etwas eindeutig wäre, hätte nicht der zuständige Minister, der sich offensichtlich genaus mit der Materie auseinandergesetzt hat , das Gegenteil im Entwurf festgelegt und im Bundesrat hätten nicht die meisten diesem zugestimmt. Bei dieser Vorzeigepolitikerin reicht es offensichltich nicht mal zum Verständnis einfacher Begrifflichkeiten.

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Tante EMMA.

von Alexander Murr am 04.11.2016 um 14:05 Uhr

Ich bin ja inzwischen fast schon amüsiert, wenn ich lese, dass der Vorortapotheke ja noch Rezeptur,Beratung und Notdienst bleiben.
Das sind wunderbare Aufgaben, die mich und mein Team täglich mit Freude erfüllen. Dummerweise sind diese Bereiche nicht kostendeckend und werden mit den "Rosinen" querfinanziert die der Versand abgreift.

Nach dem Urteil vom EuGH steht die Politik vor der Wahl: Versand oder flächendeckende Versorgung mit Vorortapotheken. (Das sollte allen Entscheidern klar sein.) Denn jeder Euro der in den Versand geht, fehlt bei der Finanzierung der oben genannten Leisungen. Ich fände es schön, wenn die Herrn und Damen Politiker das dem Wähler auch so kommunizieren würden.
Momentan steht eine Zukunft im Raum, in der der Patient entweder günstig im Netz bestellen kann oder in die Apotheke un die Ecke gehen kann (wie es ihm gefällt). Diese Zukunft wird es so nicht geben fragen sie Tante Emma!

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Gesunde gegen Kranke

von Michael Hofheinz am 03.11.2016 um 23:20 Uhr

Gesunde und Kranke
Haben verschiedene Gedanke

Der Gesunde zahlt Leistungen an Andere
Der Kranke erhält Leistungen, die Andere zahlen

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Streik ist gut

von Karl Friedrich Müller am 03.11.2016 um 14:15 Uhr

diese Idee, mal den Notdienst zu bestreiken, finde ich gut. An einem Sonntag.
Überhaupt mal alles bleiben lassen, was nur Geld kostet. Diese Dinge, die unser "Vorteil" sein sollen.
Und wenn das nicht reicht, auch mal einen Tag komplett streiken. Mit der Aussage, dass SPD und bestimmte CDU Politiker genau das wollen, allerdings für immer geschlossene Apotheken.

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AW: Streik ist gut

von gabriela aures am 03.11.2016 um 18:05 Uhr

..und (große) Teile der Grünen.

Bei SPD und Grünen muss man doch jahrzehntelang an den Errungenschaften von Ulla S. und Biggi B. festhalten.


"Die Stimmung ist eindeutig"

von Christian Giese am 03.11.2016 um 14:12 Uhr

Eine Meinung zu haben, scheint Frau Leikert wichtiger, als Näheres wissen zu wollen.
Sie geht mit ihrer Meinung hausieren und leistet innerhalb ihrer Partei stimmungsreiche "Überzeugungsarbeit". Wenn viele Parteimitglieder dann ihre Meinung teilen, schliesst sie daraus, ihre "Überzeugungen" sei eindeutig und richtig.
Stichhaltige Argumente, Zahlen, Daten, Fakten, wie hier von Frau Aures permanent vorgebracht, interessieren dann nicht mehr.

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Die Zahl der Zahlen

von Wolfgang Müller am 03.11.2016 um 13:49 Uhr

Ehrlicherweise verbleibt als einzig kurzfristig interessante Frage doch inzwischen nur:

Wie lange werden "Wir" uns noch in die Möglichkeit flüchten können, dass es zu einem Rx-Versandverbot kommt?

Falls es wirklich schiefzugehen droht:

Haben "Wir" schon die Zahl der Zahlen parat, nämlich: In welcher Höhe muss eine Typische Apotheke kostenmäßig entlastet werden, um sich auf einen einigermaßen hoffnungsfrohen Bonus-Wettbewerb mit "Dem Versand" einlassen zu können? An welchen Kosten-Stellschrauben muss man dann drehen?

Einkaufsbeschränkungen, Labor und hochdefizitäre Rezeptur sind ja offensichtlich, da der Versand damit nicht perniziös beladen ist. Bei der Gelegenheit: Was ist eigentlich mit dem Skonto-Verbots-Prozess?

Und: Wie wird der DAV oder jemand Anderes drohende Rx-Global-Selektivverträge in Konkurrenz zu DocMo et al. organisieren, dass sie auch und gerade ALLEN typischen Apotheken zugänglich sein werden? Nicht nur ab Größenordnung ELAC und Co.?

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AW: Die Zahl der Zahlen

von Anita Peter am 03.11.2016 um 15:09 Uhr

Ich habe es an anderer Stelle schon mal geschrieben, dann muss das Honorar komplett umgebaut werden. Und zwar in zweierlei Hinsicht:
1. Es muss einen deutlichen Unterschied geben, ob ich eine Vor Ort Apotheke mit allen Gemeinwohlpflichten betreibe, oder einfach einen RX Logistikvertrieb ohne Gemeinwohlpflichten.
2. Es muss eine leichte Umverteilung von umsatzstarken Apotheken hin zu umsatzschwachen Apotheken geben ( Bitte keine Neidebatte )

z.B.
-> Die 3% Handlingsgebühr wird eine Strukturpauschale. Erhalten nur vor Ort Apotheken, die die flächendeckende Versorgung sicher stellen.
-> NNF Aufschlag wird von 0,16 cent auf 1,60 erhöht. ( Ohne das Gesamthonorar zu erhöhen, einfach andere Zusammensetzung )
-> 4 Euro des jetzigen Honorars wird in eine Beratungspauschale umbenannt, die ebenfalls nur vor Ort Apotheken erhalten ( zur Querfinanzierung wenn z.B. Oma Müller eine halbe Stunde kostenlos das Blutzuckermessgerät erklärt wird etc etc... )
- Das restliche Honorar Summe X kann dann ebenfalls leicht erhöht werden, da die Krankenkassen sich ja einiges sparen, weil sie an die Versender weniger Honorar zahlen müssen.
Die Versender können dann weiter munter Boni verteilen, denn laut deren Aussage geht es Ihnen ja einzig und alleine um die Entlastung der Chroniker und nicht um das Generieren von Gewinnen.

Damit sollten alle zufrieden gestellt sein:
1. Der "so wichtige" Versand wird erhalten
2. Die Apotheken vor Ort werden gestärkt.

Für den Posten danach

von Anita Peter am 03.11.2016 um 13:46 Uhr

Auch Frau Katja Leikert braucht einen Posten nach Ihrer Politzeit. Warum sich also für Mittelständler einsetzen? Dann doch lieber für das Großkapital, hier gibt es später die gut bezahlten Posten.
Frau Katja Leikert tut ja gerade so, als wären ohne Doc Morris 99% der Bevölkerung ohne RX Versorgung. Es ist aber genau andersrum. Wer sicher die langfristige Versorgung mit RX Arzneimitteln? Das sind die Apotheken vor Ort.
Aber Sie sollten mit gutem Beispiel voran gehen, und ab sofort keinen Nacht- und Notdienst, keine Rezepturen etc mehr in Anspruch nehmen, auch für den Rest Ihres Kebens nicht mehr. Das sollten Sie dann bitte auch alles in Holland erledigen.
Ich bin immer noch der Meinung für 1 Tag in ganz Deutschland den Nacht- und Notdienst einstellen und auf den Rettungsdienst verweisen. Anders erkennen manche die Notwendigkeit der Apotheke vor Ort nicht.

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Nachtrag

von gabriela aures am 03.11.2016 um 12:14 Uhr

das wolle ich eigentlich zitieren:
"„Es braucht beides zur flächendeckenden Versorgung einer alternden und sehr mobilen Bevölkerung“,

Alternde Patienten müssen auch zum Arzt, denn die rezepte gibt es bekanntlich nur dort.
Ebenso ist es bei sehr mobilen Menschen, die permanent unterwegs sind.Außer sie oder die Familie ist erkrankt.

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Stimmung...

von Rolf Lachenmaier am 03.11.2016 um 12:13 Uhr

Zur "Eindeutigkeit" der Stimmung: Liebe ABDA, wir stehen alle bereit. Wir erheben gerne ein EINDEUTIGES Stimmungsbild. Der Ball liegt bei Ihnen...

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Was jetzt nu, Frau Dr. Leikert ?

von gabriela aures am 03.11.2016 um 11:58 Uhr

Ich zitiere Sie mal aus ein und dem gleichen Text:

1. Den Versandhandel gibt es“, erklärte Leikert dort. „Viele sind darauf angewiesen oder nehmen ihn aus Komfortgründen gerne in Anspruch und deshalb sollte es ihn auch weiterhin geben

2. . Diejenigen, die nicht gut zu Fuß sind „oder wie ich meist nicht zu den Öffnungszeiten der Apotheken am Ort ist

Und jetzt reden wir mal über die tatsächlichen Packungszahlen an RX im Versandgeschäft - denn "alles ohne Rezept" kann immer noch aus der Komfortzone heraus bestellt werden.
Das "vergessen" die Kritiker des RX-Versandes gerne mal.

im Jahr 2014 haben ca. 2,4 Millionen Bürger insgesamt 4,5 Millionen Packungen RX bestellt. Das sind rein rechnerisch 2 Packungen pro Kopf, wobei diese Zahl seit Jahren sinkt. Also ist es eben nicht so, daß der Versandhandel wichtiger wird, sondern das Gegenteil ist der Fall: er verliert an Bedeutung -eben weil er offensichtlich keinen Vorteil für die Bevölkerung darstellt. Nur durch einseitige juristische Bevorzugung haben die Aktiengesellschaften hinter den Versandapotheken jetzt die Möglichkeit, ihre Investoren und deren Profitstreben zu bedienen. Für die bundesweite Versorgung und Patientensicherheit sind sie allerdings vollumfänglich entbehrlich.

Über diese Frage bei Facebook zu meiner Anmerkung zur Benachteiligung der deutschen Apotheken (Wettbewerb ohne gleich lange Spieße) von Ihnen bin ich immer noch völlig entsetzt:

Inwiefern sind die "Spieße" aus Ihrer Sicht nicht mehr gleich lang?

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