Hamburg

Verbraucherschützer empfehlen Rx-Versandverbot

Berlin - 01.11.2016, 12:05 Uhr

Chance Versandhandelsverbot: Aus Sicht der Verbraucherzentrale Hamburg könnten sich durch ein Verbot des Rx-Versandhandels Vorteile ergeben. (Foto: dpa)

Chance Versandhandelsverbot: Aus Sicht der Verbraucherzentrale Hamburg könnten sich durch ein Verbot des Rx-Versandhandels Vorteile ergeben. (Foto: dpa)


Wie verhält sich eigentlich der Verbraucherschutz in der Diskussion um das geplante Rx-Versandverbot? Sind die Verbraucherschützer für oder gegen eine Beschränkung des Versandhandels? Die Hamburger Verbraucherzentrale zumindest hat sich entschieden und sieht im Versandverbot Chancen.

Das EuGH-Urteil zur Preisbindung für ausländische Versandapotheken und seine Folgen stellt die Verbraucherschützer vor eine wichtige Frage: Ist das von den Versandapotheken angekündigte Mehr an Wettbewerb im Apothekenmarkt wirklich von Vorteil für die Patienten? Oder sollte die Apotheke vor Ort geschützt werden? Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hatte es kurz nach dem Urteil befürwortet, dass Patienten bei Bestellungen im Ausland sparen könnten.

Eine Reaktion der Verbraucherzentralen zum geplanten Rx-Versandverbot gibt es bislang aber noch nicht. Nun ist die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) vorgeprescht und sieht im Versandverbot große Chancen. Auf ihrer Internetseite analysieren die Verbraucherschützer, welche Zukunftsszenarien nach dem EuGH möglich sind. Szenario 1: „Preisbindung fällt tatsächlich.“ Sollte es dazu kommen, malt die VZHH für Apotheker ein erschreckendes Bild: „Diese Lösung könnte dazu führen, dass die Krankenkassen ihre Versicherten ermuntern, veranlassen (oder zu zwingen versuchen), verschriebene Medikamente wegen der günstigeren Preise nur noch bei ausländischen Versandapotheken zu bestellen.“

Verheerende Auswirkungen ohne Preisbindung

Aus Sicht der Patientenvertreter hätte diese Lösung zwar auch eine positive Komponente, nämlich dass Versicherte weniger zuzahlen müssten und die Kassen weniger Ausgaben hätten. Allerdings warnt die VZHH gleichzeitig vor „verheerenden Auswirkungen“, falls die Preisbindung kippen sollte. „Wer nicht im Internet zuhause ist (z.B. ältere und kränkere Mitbürger), müsste höhere Preise zahlen und fände nicht mehr die Apotheke um die Ecke. Denn zuerst werden vermutlich die kleineren Apotheken sterben, die der globalisierten Konkurrenz nicht standhalten können. Auch die persönliche Beratung in der Apotheke wird leiden, denn die ist vor Ort viel eher zu erwarten (und einzufordern) als übers Internet“, heißt es auf der Internetseite der VZHH.

Das zweite mögliche Szenario ist für die Verbraucherschützer: „Kein Versandhandel mehr.“ Negative Aspekte an einem eventuellen Rx-Versandverbot nennt die VZHH nicht. Ganz im Gegenteil: „Ein solches Verbot hätte aus Verbrauchersicht einen großen Vorteil: Rezepte könnten auf dem Weg zur Versandapotheke nicht mehr verloren gehen.“ Es folgt ein Beispiel, bei dem ein Patient sein Rezept an eine ausländische Versandapotheke geschickt hatte. Die Verordnung ging auf dem Postweg allerdings verloren, das Medikament kam nicht. Also musste der Patient erneut zum Arzt, der ihm allerdings nicht gerne erneut ein Rezept innerhalb weniger Tage ausstellen wollte. Und weiter: „Was geschieht denn nun mit dem verloren gegangenen ersten Rezept, in welchen Kanälen landet das…?“, fragen sich die Verbraucherschützer.

Keine Unterstützung aus Berlin

Aus Berlin erhalten die Hamburger für ihre Position allerdings keinen Rückenwind. Kai Vogel, Gesundheitsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, erklärte gegenüber DAZ.online: „Ein komplettes Verbot des Versandhandels ist aus unserer Sicht ein Schnellschuss. In dieser Situation sollte man zunächst die Ruhe bewahren und alle Optionen sorgfältig analysieren. Sicher ist, dass der Gesetzgeber eingreifen muss. Wir verstehen auch die Bedenken der Apotheker und werden uns dafür einsetzen, dass die Beratung in der Apotheke vor Ort erhalten bleibt. Allerdings ist auch das Anteil des Versandhandels nicht so groß, dass solche überschnellten Reaktionen jetzt gerechtfertigt sind.“


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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