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Der Streit um die exklusiven Zytostatika-Ausschreibungen der Krankenkassen spitzt sich zu. Insgesamt acht Fachverbände, darunter auch der Deutsche Apothekerverband, haben einen Aufruf an die Politik gestartet, die Ausschreibungen zu stoppen. Währenddessen bleibt die AOK bei ihrem Standpunkt: Die Zyto-Verträge hätten die Versorgung teilweise sogar verbessert.
Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat für seine Zyto-Revolte gegen die Krankenkassen namhafte Mitstreiter gefunden. Am heutigen Mittwoch präsentierte DAV-Chef Fritz Becker gemeinsam mit Dr. Klaus Peterseim vom Verband Zytostatika-herstellender Apotheken (VZA) sowie Prof. Dr. Stephan Schmitz vom Berufsverband Niedergelassener Onkologen die Liste der Fachverbände der Anti-Ausschreibungskoalition. Neben den drei genannten Verbänden gehören dazu: die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG), die Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie, die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, der Berufsverband Niedergelassener gynäkologischer Onkologen sowie der Bundesverband deutscher Krankenhausapotheker.
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Die Ausschreiberitis breitet sich aus
Die Verbände haben sich auf ein gemeinsames Papier verständigt, das sie nun der Politik vorstellen wollen. Das Dokument enthält neun Gründe, warum exklusive Zytostatika-Ausschreibungen aus ihrer Sicht versorgungsgefährdend sind:
Krebsbehandlung als Versorgungsprozess: Die Verbände sprechen von einem „kommunikativen Versorgungsprozess“ zwischen Kliniken, niedergelassenen Onkologen sowie den Apothekern. Durch die Ausschreibungen hätten die Kassen die Entscheidungskompetenz in dieser Sache auf sich selbst gelegt. Der Zytostatika-Bereich sei aber per se nicht für Ausschreibungen geeignet, weil die Ausschreibungen einen etablierten Kommunikationsprozess zerstörten.
Einschränkung des Patientenwillens: Neben den Apothekern weisen auch die Ärzte darauf hin, dass die Zyto-Verträge die freie Apothekenwahl einschränken. „Entgegen der Ansicht“ des Bundessozialgerichtes gebe es keine rechtliche Grundlage für diese Einschränkung.
Erhalt der fachlichen Kooperation Arzt-Apotheker: Durch die teilweise sehr enge, gut abgestimmte Zusammenarbeit zwischen Apothekern und Ärzten würden belastende Wartezeiten oder Mehrfachtermine vermieden. Durch die Kooperation komme es auch seltener zu kostenintensiven Verwürfen.
Keine Gefährdung der Therapiehoheit des Arztes: Die Fachärzte blieben bei der Gestaltung der Versorgung völlig außen vor, wenn ihnen die Kassen vorschrieben, welche Apotheke sie beliefern müsse, heißt es in dem Papier.
Keine Qualitätseinbußen, keine Risikoerhöhung: Die Fachverbände machten auch darauf aufmerksam, dass der stetige Wechsel von Kooperationspartnern zu Fehlern in der Versorgung führen könne.
Reduktion von Lieferengpässen und -ausfällen: Durch einen noch stärkeren Preisdruck erhöhten Ausschreibungen die Gefahr von nicht kompensierbaren Lieferengpässen.
Oligopolbildung: Die Versorgungslandschaft sei durch den Preisdruck in den vergangenen Jahren ohnehin schon ausgedünnt worden, heißt es in dem Papier. Durch die Verträge werde die Bildung von Liefer-Oligopolen nun aber noch weiter forciert. „Regionale Apotheken fallen im zunehmenden Ausschreibungsmarkt aus der Versorgung heraus“, so die Verbände. Seien die Reinraumlabore einmal geschlossen, ließen sich diese auch nicht reaktivieren. Darunter leide die Infrastruktur vor Ort.
Zwei-Klassen-Medizin: Insbesondere bei kassenverschiedenen Ausschreibungen besteht laut den Fachverbänden grundsätzlich die Gefahr, dass die Ärzte nicht mehr effizient und strukturiert behandeln könnten.
Erhalt der Palliativversorgung vor Ort: Insbesondere bei der Versorgung mit Schmerzpumpen zeige sich, dass eine zeitkritische Versorgung ohne regionale Netzwerke nur schwer möglich sei, heißt es in dem Papier.
AOK schreibt Krebs-Patienten Briefe
Stephan Schmitz, Chef des Onkologen-Verbandes, wies mehrmals daraufhin, dass es ihm nicht um Geld ginge. „Wir wollen weder den Apotheker noch uns einen höheren Profit verschaffen. Wir sehen nur, dass die Versorgung unserer Patienten derzeit deutlich leidet.“ Schmitz überraschte mit einem ausgedruckten Schreiben der AOK Hessen, in dem die Kasse sich bei ihren Versicherten erkundigte, wie sie mit der Zytostatika-Versorgung zufrieden seien. Die AOK wollte beispielsweise auch wissen, ob die Patienten mit der ärztlichen Behandlung zufrieden waren. Schmitz reagierte empört: „Das ist eine klare Grenzüberschreitung. Die Kasse hat sich nicht in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient einzumischen.“
Auch DAV-Chef Fritz Becker zeigte sich besorgt, was die aktuelle Entwicklung im Zyto-Markt betrifft. „Bleibt es bei den exklusiven Ausschreibungen, so wird sich das auch massiv auf die Ausfallsicherheit des gesamten Versorgungssystems auswirken“, prophezeite Becker. Auch der Apothekenmarkt werde sich verändern. Wenn Apotheken eine Weile von der Versorgung ausgeschlossen seien, könnten sie es sich auf Dauer nicht mehr leisten, die nötigen Einrichtungen vorzuhalten. „Die Folge ist klar: Von Ausschreibungsrunde zu Ausschreibungsrunde wird es immer weniger Apotheken geben, die sich an der Versorgung beteiligen können.“ Mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) ergebe sich „kurzfristig die Chance“, die Ausschreibungspraxis zu korrigieren. „Der Gesetzgeber muss bald handeln“, forderte Becker.
Hilfstaxe als Sparprogramm
VZA-Präsident Klaus Peterseim verwies darauf, dass die Kassen bereits durch die Hilfstaxe sparten. Die Einkaufspreise für generische Ausgangsstoffe seien in den letzten Jahren kontinuierlich gefallen und die Hilfstaxe in mehreren Schritten nach unten verändert worden. Dieses Instrument sei „ein systemimmanent wirkendes kontinuierliches Sparprogramm“.
Auch derzeit verhandelt der DAV mit dem GKV-Spitzenverband über eine Anpassung der Hilfstaxe, bestätigte Becker. Das „Handelsblatt“ hatte am heutigen Mittwoch berichtet, der DAV habe dem GKV-Spitzenverband angeboten, bei der Hilfstaxe um 150 Millionen Euro nachzugeben, wenn die Kassen im Gegenzug auf die Ausschreibungen verzichteten. Becker erklärte, auf eine solche Summe könnte es bei den derzeiten Verhandlungen tatsächlich hinauslaufen. Er betonte aber auch, dass es im Moment noch kein konkretes Verhandlungsergebnis gebe. Der DAV-Chef unterstrich zudem, dass es für die Apotheker das wichtigste sei, für ihre pharmazeutischen Leistungen ordentlich bezahlt zu werden. Aus den Arzneimittelpreisen würden sie sich gerne raushalten. Es wäre dem DAV daher „gar nicht so unrecht“, wenn Krankenkassen und Hersteller direkt miteinander redeten. So kann sich Becker auch Rabattverträge über die Wirkstoffe vorstellen.
AOK-Bundesverband hat kein Verständnis für Apotheker-Kampagne
Am heutigen Mittwochvormittag versendete auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft eine Pressemitteilung, in der sie sich den Beschwerden der anderen Fachverbände anschloss. Kurz nach der Pressekonferenz reagierte zudem der AOK-Bundesverband, der die AOK-Ausschreibungen im Auftrag seiner Mitglieder durchgeführt hatte. Martin Litsch, seit wenigen Monaten Vorstand des AOK-BV, sprach von einer „Kampagne“ der Apotheker gegen die Verträge. „Mit falschen Behauptungen und geschickter Desinformation versuchen einzelne Apotheker und Onkologen sowie ihre Verbände derzeit, die vom Gesetzgeber gewünschten Ausschreibungen im Bereich der Zytostatika-Versorgung zu Fall zu bringen. Wie schon zur Einführung der Arzneimittelrabattverträge werden auf dem Rücken der Patienten gezielt Ängste geschürt“, erklärte Litsch.
Es sei kompletter Unsinn, dass durch die Verträge Chaos entstehe oder die Versorgungsqualität sinke. „Das Gegenteil ist der Fall. Die qualitativ hochwertige Versorgung der Krebs-Patienten ist auch im Rahmen der Ausschreibungen gewährleistet. Denn durch sie gibt es endlich mehr Transparenz und Ordnung in einem bislang weitgehend undurchsichtigen Markt. Zudem verkürzen wir damit die Lieferwege, heben die Qualitätsstandards gegenüber der Regelversorgung und kappen die Riesen-Gewinnspannen der Apotheker, auch der Krankenhausapotheken, für die Versichertengemeinschaft.“
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In einer früheren Version des Artikels hatte es geheißen, die AOK Rheinland/Hamburg habe einen Brief über die Zytostatika-Versorgung an betroffene Patienten geschickt. Das ist nicht wahr, es handelt sich um die AOK Hessen. Wir bitten dies zu entschuldigen.
2 Kommentare
Zyto-Verträge heute Aktuell Schreiben von SpektrumK
von Georg Dribusch am 07.09.2016 um 18:38 Uhr
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AW: korrektur
von Dribusch Georg am 07.09.2016 um 18:39 Uhr
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