Gewerkschaft Ver.di prangert an

Dünnt Alliance Healthcare den Apotheken-Service aus?

Berlin - 01.09.2016, 12:40 Uhr

Weniger Service für Apotheker: Der Großhändler Alliance Healthcare will sieben Servicecenter für Apotheker schließen, die Gewerkschaft ver.di protestiert dagegen. (Foto: dpa)

Weniger Service für Apotheker: Der Großhändler Alliance Healthcare will sieben Servicecenter für Apotheker schließen, die Gewerkschaft ver.di protestiert dagegen. (Foto: dpa)


Die Abteilung „Handel“ der Gewerkschaft ver.di hat zu bundesweiten Protesten gegen den Großhändler Alliance Healthcare Deutschland aufgerufen. Die Mitarbeitervertretung beschwert sich über die angeblich geplante Schließung von sieben Servicecentern. Laut ver.di hat die ehemalige Anzag in den vergangenen Jahren eine Wandlung zum Negativen vollzogen.

Die Gewerkschaft ver.di hat den Aufruf zum Protest am gestrigen Mittwoch auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Unter der Überschrift „Gegen Schließungen bei Alliance Healthcare!“ weist ver.di darauf hin, dass die Beschäftigten der ehemaligen Anzag immer wieder neue Hiobsbotschaften erreichten. Konkret geht es um die angeblichen Pläne der Alliance Healthcare Deutschland (AHD), ganze sieben Servicecenter zu schließen, in denen AHD-Mitarbeiter Aufträge von Apothekern entgegennehmen.

In der ver.di-Mitteilung heißt es daher: „Nicht nur der seit der Übernahme stetige Abbau von Arbeitsplätzen, die damit verbundene Arbeitsverdichtung sowie die Bankrotterklärung in Sachen Ausbildung – jetzt auch noch die beabsichtigte Schließung von sieben Auftragsannahmen!“ Aus Sicht der Gewerkschaft wäre diese Entscheidung eine „gefährliche strategische Fehleinschätzung“. Denn: „Die Erreichbarkeit bei der AHD ist im Vergleich zu den Mitbewerbern jetzt schon viel schlechter und dann beschließt man auch noch aufgrund nicht erreichter Budgetzahlen die Schließung vieler Servicestandorte...“, heißt es in dem Schreiben.

Apotheker brauchen keine Servicecenter

Deshalb habe man sich dazu entschlossen, gemeinsam mit dem Gesamtbetriebsrat alles zu versuchen, um diese „unsinnige Entscheidung“ zu revidieren, oder sie „so schwierig und teuer wie möglich zu gestalten“. Die Mitarbeitervertreter werfen dem Großhändler vor, nichts vom deutschen Markt zu verstehen. Als Beweis für diese These zitiert ver.di einen AHD-Manager, der in dem Text aber nicht namentlich genannt wird. „Warum stören uns die Kunden und rufen an, die können das doch alles online?“, soll der Manager über die Apotheker gesagt haben.

Insgesamt habe die ehemalige Anzag nach der Übernahme durch Stefano Pessinas Alliance Healthcare gelitten, meint die Gewerkschaft. So habe es die Unternehmensleitung geschafft, im Markt der deutschen Pharmagroßhändler von Platz 3 auf Platz 5 abzufallen. Angeblich sei der Marktanteil von 16,3 Prozent in 2010 auf nunmehr 13,9 Prozent abgefallen. Gleichzeitig beschwert sich die Gewerkschaft über einen Stellenabbau in den vergangenen Jahren. 2010 hätten noch 2.933 Mitarbeiter für AHD gearbeitet, inzwischen seien es nur noch 2.348 Menschen. Quellenangaben für diese Zahlen nennt ver.di aber nicht.

Nicht die erste Beschwerde von Mitarbeitern

Dies ist nicht die erste Begegnung zwischen AHD und der Gewerkschaft ver.di. Im Sommer 2015 hatten die Mitarbeiter in der Niederlassung Ludwigshafen die Arbeit niedergelegt und so gut wie keine Aufträge mehr angenommen. Die damalige Forderung: Eine Lohnerhöhung für alle Beschäftigten sowie eine Steigerung der Ausbildungsvergütung. Im Mai 2015 hatte die ver.di zudem einen bundesweiten Streik bei allen Großhändlern organisiert. Damals war eine AHD-Filiale in Köln betroffen.

Welche konkreten Forderungen die Gewerkschaft und der Gesamtbetriebsrat gegen AHD durchsetzen wollen, steht weder auf dem ver.di-Flugblatt noch auf der Internetseite. Dort werden die AHD-Beschäftigten lediglich dazu aufgerufen, der Gewerkschaft beizutreten, um ihre Interessen vor dem Arbeitgeber vorzubringen.

Eine Sprecherin von Alliance Healthcare Deutschland wollte zu den Vorwürfen der Gewerkschaft nichts Konkretes sagen. Die Sprecherin ließ sowohl die angebliche Schließung der Servicecenter als auch die von ver.di vorgetragenen Untermehmenszahlen unkommentiert. Nur so viel: Es sei gegenüber den Mitarbeitern und dem Betriebsrat nicht angemessen, sich öffentlich zu äußern.

Die Sprecherin hielt auch fest: „Die Marktsituation von 2010 ist nicht mit der von 2016 vergleichbar. Und das Gleiche gilt für die Unternehmensdaten in Bezug auf diese Jahre. Der gesamte Markt steht unter einem enormen Druck und alle Marktteilnehmer haben dementsprechend ihre Strukturen angepasst.“ Man engagiere sich uneingeschränkt, um den Apothekern den bestmöglichen Service zu bieten.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Servicecenter vor dem Aus?

ver.di poltert gegen Alliance

Fünf Chefs in sechs Jahren

Wolfgang Mähr wird neuer Alliance-Chef

Gewerkschaft fordert Beschäftigungsgarantie

Stellenabbau bei AHD/Gehe: Jetzt schaltet sich Verdi ein

Nach Zusammenschluss von Alliance Healthcare Deutschland und Gehe auch Entlassungen angekündigt / Verdi schaltet sich ein

Neun plus drei Niederlassungen machen dicht

Serie: Pharmagroßhandel in Deutschland (2)

Alliance Healthcare Deutschland: Wechselvolles Unternehmensmikado

2 Kommentare

Manfred

von David am 14.10.2019 um 2:58 Uhr

Alles klar Manfred,wer dir glaubt ist selber schuld

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Alliance Healthcare

von Manfred Zöberer am 05.09.2016 um 10:49 Uhr

Ich war bis 2006 23 Jahre lang Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der ANZAG und stelle traurig fest, dass "Alliance Healthcare" nicht nur nichts vom deutschen Markt versteht, sondern sich auch nicht dafür interessiert, es geht offensichtlich nur mehr um "Abzocken". Woran allerdings die Apotheken aufgrund ihres Ausspielens der Pharma-Großhändler gegeneinander beim Kampf um Rabatte nicht ganz unschuldig sind.
Für mich ist in diesem ganzen "Spiel um Macht und Geld" erschütternd, wie mit den Mitarbeitern umgegangen wird, der Mensch ist nur mehr "Kostenfaktor" - Unternehmenskultur im Sinne von Menschlichkeit ist vernichtet, denn so etwas kostet...
Aber das ist wohl normal und richtig so im gegenwärtigen Turbokapitalismus und ich stelle für mich fest, meine/n Nachfolger beneide ich nicht. Schade um die ANZAG, ein fast 175 Jahre altes trotz aller Schwierigkeiten menschlich gebliebenes Unternehmen, welches aus purer Geld- und Machtgier "übernommen" wurde, traurig für die Beschäftigten.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.