Selbstverwaltung

Kassen wollen nicht für Ärzte-Fehler büßen

Berlin - 08.06.2016, 17:40 Uhr

Die KBV wehrt sich gegen eine verschäfte Aufsicht durch die Bundesregierung. (Foto: www.patientenbeauftragter.de)

Die KBV wehrt sich gegen eine verschäfte Aufsicht durch die Bundesregierung. (Foto: www.patientenbeauftragter.de)


Nach den Skandalen bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung will das BMG die Regeln für die Selbstverwaltung verschärfen. Der Kassen-Spitzenverband lehnt Verschärfungen des Aufsichtsrechts als Eingriff in die Selbstverwaltung nun klar ab.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wehrt sich gegen Pläne des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), die Aufsicht über die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen zu verschärfen. Unter anderem lehnte es der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes am Mittwoch in Berlin ab, den Haushalt unter Genehmigungsvorbehalt des Ministeriums zu stellen. „Ein solcher Schritt würde ganz wesentlich die Handlungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung einschränken, ihren Haushalt selbst zu beschließen“ und entsprechende Haushaltsschwerpunkte selbst zu bestimmen.

Außerdem lehnt der Spitzenverband geplante Änderungen im Aufsichtsrecht ab, die eine Erweiterung der Rechtsaufsicht in Richtung einer Fachaufsicht zum Ziel haben. „Wenn die soziale Selbstverwaltung weiterhin zu den tragenden Prinzipien der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gehören soll, ist eine wichtige Voraussetzung für ihre Leistungsfähigkeit ein starker Rückhalt aus der Politik“, appelliert der Spitzenverband an den Gesetzgeber.

Massiver Eingriff

Bereits die bestehende Regelung der vorherigen Zustimmung der Aufsichtsbehörden bei Vorstandsdienstverträgen stelle einen „massiven und sachlich nicht nachvollziehbaren Eingriff in elementare Rechte und Pflichten der sozialen Selbstverwaltung dar“. Der GKV-Spitzenverband versucht, den Spieß herumzudrehen und fordert, diese Regel im Zuge der aktuellen Gesetzesänderung wieder abzuschaffen.

Anlass für die geplante Verschärfung des Selbstverwaltungsrechts sind die früheren Unregelmäßigkeiten bei der KBV wie überzogene Zahlungen an den früheren Vorstandsvorsitzenden oder unerlaubte Immobiliengeschäfte. KBV-Chef Andreas Gassen hatte wiederholt versichert, dass diese Probleme derzeit umfassend aufgearbeitet würden.

Kommt der Staatskommissar?

Das BMG prüft derzeit, ob von der Vertreterversammlung der KBV getätigte Beschlüsse den Forderungen von Minister Hermann Gröhe ausreichend entgegenkamen. Ansonsten droht der KBV die Zwangsaufsicht durch einen Staatskommissar. Bis wann es ein Ergebnis der Prüfung vorliegt, ist nach Auskunft des BMG noch nicht absehbar.


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3 Kommentare

Quod licet Jovi, non licet bovi?

von Anna Cottin am 11.06.2016 um 17:49 Uhr

Immer wieder interessant zu beobachten, wie Leute etwas für sich selbst kategorisch ablehnen, das sie anderen ohne mit der Wimper zu zucken selbstverständlich auferlegen. Wie nennt man denn so etwas?
Natürlich widerstrebt es den Kassenfunktionären, sich nun ebenfalls einer Aufsicht unterordnen zu müssen, nachdem sie sich mittlerweile in ein regelrechtes Gutsherrensystem eingerichtet haben. Es ist halt immer unbequem, Macht abgeben zu müssen. Wer aber selbstherrlich und systemschädigend aus dem Ruder läuft, darf sich weder wundern noch beklagen, daß früher oder später dann doch die Notbremse gezogen wird. So ist das Leben, und dessen Regeln gelten nun mal für alle, auch für Kassenfunktionäre mit fehlender Bodenhaftung.

Übrigens gibt es hier durchaus eine Analogie für die Apotheken in Form der leidigen Retaxationen bei Formfehlern auf Rezepten – auch wenn es jetzt ein wenig über das Artikelthema hinaus geht:
Es ist natürlich verständlich, daß die Krankenkassen nicht für Vergehen der Ärzteschaft in Mithaftung genommen werden wollen. Gerade daher dürfte ihnen aber auch verständlich sein, daß die Apotheken ihrerseits nicht für Arztfehler haftbar gemacht werden möchten und somit in schöner Regelmäßigkeit für Versäumnisse der Ärzte zur Kasse gebeten werden.
Es ist unbestritten Aufgabe der Arztpraxen, fehlerfreie Rezepte auszustellen. Wenn diese aus Desinteresse oder Unvermögen dennoch ihre Verordnungen mit Formfehlern spicken, darf dies nicht zulasten der Apotheken gehen. Warum greift hier eigentlich nicht das Verursacherprinzip?
Falls in der Apotheke trotz Hektik der oder die Formfehler auf der Verordnung sofort ins Auge fällt bzw. fallen [eine Sache der Übung, also der Berufserfahrung, evtl. hat man auch Ärzte in der Umgebung, die regelmäßig Formfehler in ihre Verordnungen einbauen, dann trainiert das die Apotheken in der Umgebung fast zwangsläufig ;-(] und die betreffende Arztpraxis regelmäßig mit fehlerhaften Verordnungen glänzt, beginnt man irgendwann, die Patienten in die Praxis zurückzuschicken, da man nicht dauernd zwecks Rezeptkorrektur einen Zug durch die nähere oder entferntere Gemeinde starten kann. Also fällt so ein dauerhaftes Desinteresse oder auch Unvermögen der jeweiligen Arztpraxis früher oder später den Patienten auf die Füße, die dann als letztes und schwächstes Glied in der Kette mal wieder gekniffen sind.

Im Apothekenalltag sieht das dann so aus, daß man mit schöner Regelmäßigkeit in den betreffenden Arztpraxen anruft, um den für die Rezeptausstellung Verantwortlichen zu erklären, wie im vorliegenden Fall ein fehlerfreies, retaxsicheres Rezept ausgestellt wird. In aller Regel trifft man, meiner Erfahrung nach, auf freundliches und williges Personal, das aber unverkennbar nie mit den Feinheiten der Rezeptausstellung bekannt gemacht wurde. Vermutlich ein systematischer Mangel in der Ausbildung, den es zu korrigieren gilt. Denn das Ausstellen von Rezepten gehört (mittlerweile?) zu den Kernaufgaben des Praxispersonals und obliegt nur noch selten den Ärzten alleine. Apropos Ärzte: Diese geben in Bezug auf Rezeptausstellung selbst ein sehr trauriges Bild ab. Ihre Mitarbeiter(innen) sind durch die (kostenlose) Nachhilfe aus den Apotheken und durch die überwiegend engagierte Bereitschaft dazuzulernen, oftmals ihren Chefinnen und Chefs bzgl. korrekter Rezeptausstellung haushoch überlegen. So manchen Weißkittel "darf" das Apothekenpersonal an ein und denselben Sachverhalt in gefühlter Endlosschleife "erinnern", ohne, daß eine fühlbare Verbesserung resultiert - und das nervt dann wirklich!

Wenn die Krankenkassen also hier, zu Recht, auf das Verursacherprinzip abzielen (vordergründig, denn eigentlich geht es ja um den drohenden Machtverlust), dann mögen sie doch bitte auch den Apotheken gegenüber so fair sein und uns gleiches Recht zugestehen. Natürlich ist es viel einfacher, den Apotheken mit fadenscheinigen Begründungen die Zahlung zu verweigern und sie damit für Arztfehler bluten zu lassen, als den Ärzten gegenüber die langwierigeren Regresse durchzusetzen. Es wäre doch wirklich mal ein partnerschaftliches Signal vonseiten der Krankenkassen, sich diesbezüglich für eine Systemänderung einzusetzen, so daß in Zukunft nur noch der Verursacher selbst haftbar gemacht werden kann. Dies ist nicht nur logisch, sondern auch gerecht.
Wie oben aber bereits angemerkt: Machtverlust ist schmerzlich und wird daher von den Krankenkassen nur in zähem Ringen abzutrotzen sein bzw. mit einer "Basta-Entscheidung" vom Gesundheitsminister. Daß dieser nun anfängt, sich für das Gebaren der Krankenkassen(funktionäre) zu interessieren, macht immerhin Hoffnung auf Änderung, die endlich auch mal eine Verbesserung darstellt. Hoffentlich ist das nicht wieder nur ein Traum, der wie die sprichwörtliche Seifenblase bei nächster Gelegenheit platzt, da wieder einmal nicht ideelle Werte den Ausschlag geben, sondern der Profitgedanke und Machtrangeleien die Oberhand gewinnen.

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Kassen wollen nicht für Ärzte-Fehler büßen

von Karl Friedrich Müller am 08.06.2016 um 20:07 Uhr

....
Klar. Aber für Apotheken ist das selbstverständlich gefordert.
Manchmal denke ich, alle sind nicht ganz dicht.

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??

von Christiane Patzelt am 08.06.2016 um 19:47 Uhr

Wo bleibt denn Kossendeys Gegengewicht heute?
Zu kritisch?

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