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Neue Erkenntnisse aus alter Studie
Werden ungesättigte Fettsäuren überschätzt?
Eine Ernährung, reich an gesättigten Fettsäuren, ist schlecht fürs Herz. Ein hoher Anteil an ungesättigten Fettsäuren hingegen senkt den Cholesterinspiegel und somit das kardiovaskuläre Risiko – dachte man zumindest. Die Neuauswertung einer Studie aus den Sechzigerjahren könnte diese Ernährungshypothese ins Wanken bringen.
Zahlreiche Ernährungsrichtlinien empfehlen, man solle Fette, die reich an gesättigten Fettsäuren sind, durch pflanzliche Öle mit einem hohen Linolsäure-Gehalt ersetzen. Die zweifach ungesättigte Fettsäure senkt den Cholesterin-Spiegel. Das soll sich positiv auf das kardiovaskuläre Risiko auswirken.
Effekt auf die Sterblichkeit ist nicht erwiesen
Der Effekt auf die Laborwerte ist in randomisierten kontrollierten Studien gezeigt worden. Die Annahme, dass dies auch die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse oder die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen senkt, stützt sich dabei lediglich auf Beobachtungen. In einer randomisierten kontrollierten Studie wurde der Zusammenhang zwischen einem Ersatz gesättigter Fettsäuren durch Linolsäure und einer Senkung des kardiovaskulären Risikos nie gezeigt.
Forscher um Christopher Ramsden von der Universität North Carolina haben nun das „Minnesota Coronary Experiment", eine randomisierte Untersuchung aus den Sechzigerjahren, die sich dieser Fragestellung gewidmet hat, neu ausgewertet und in den Kontext der heutigen Studienlage gesetzt. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass der Nutzen der Empfehlung, gesättigte Fettsäuren durch Linolsäure-reiche pflanzliche Fette zu ersetzen, möglicherweise überschätzt wird.
Minnesota Coronary Experiment
Das von 1968 bis 1973 laufende „Minnesota Coronary Experiment“ ist eine randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie – ein Studiendesign, das im Bereich der Ernährungsstudien selten anzutreffen ist. Im Rahmen des Experiments wurden 9432 Bewohner von sechs psychiatrischen Kliniken und einem Pflegeheim im US-Bundesstaat Minnesota in zwei Gruppen aufgeteilt.
Die Interventionsgruppe erhielt eine Kost, bei der gesättigte Fettsäuren durch Linolsäure in Form von Maiskeimöl oder speziellen Margarinen ersetzt wurden. Die Teilenehmer sollten 18 bis 20 Prozent des Energiebedarfs durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren (vor allem Linolsäure) aufnehmen. Die Mahlzeiten der Kontrollgruppe hatten einen hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren.
2355 Probanden hielten den Ernährungsplan mindestens ein Jahr durch. Allerdings wurden die Ergebnisse der Untersuchung nicht vollständig publiziert. So wurden kritische Dokumente, wie Autopsiebefunde, zurück gehalten - weil diese nicht zu der gängigen Hypothese gepasst haben, vermuten Ramsden und Kollegen. Sie veröffentlichten ihre Neuauswertung jetzt im British Medical Journal
Kein Benefit durch niedrigere Cholesterin-Werte
In der Interventionsgruppe waren am Ende der Studiendauer (im Mittel drei Jahre) die Serumcholesterin-Spiegel um durchschnittlich um 13,8 Prozent gesenkt, in der Kontrollgruppe nur im 1 Prozent. Auf die Sterblichkeit wirkte sich dieser Unterschied aber nicht positiv aus. Im Gegenteil: insgesamt erhöhte eine Cholesterin-Senkung um 30mg/dl, das Sterberisiko um 22 Prozent.
Für diesen Anstieg scheinen die Ergenisse der Subgruppenanalyse, die Über 65-Jährigen verantwortlich zu sein. Bei ihnen war das Risiko sogar um 35 Prozent für jede 30 mg/ dl Reduktion an Serumcholesterin erhöht. Auch was das Risiko für einen Herzinfarkt oder koronare Herzkrankheit betraf, konnte anhand der Autopsieberichte kein Vorteil in der Interventionsgruppe ausgemacht werden.
Eine zusätzlich durchgeführte Metaanalyse aktueller randomisierte Studien gab ebenfalls keine Hinweise darauf, dass es die kardiovaskuläre Mortalität senkt, gesättigte Fettsäuren durch ungesättigte auszutauschen.
Biochemische Prozesse müssen besser verstanden werden
Gesättigte Fettsäuren mit Linolsäure zu ersetzen, senkt nachweislich den Cholesterinspiegel. Die Hypothese, dass dies das kardiovaskuläre Risiko reduziert, können die Autoren mit der Neuauswertung nicht bestätigen.
LDL-Cholesterin wird oft als Ursache der koronaren Herzkrankheit betrachtet. Daher ist die Versuchung groß, bei diätetischen Maßnahmen, die spezifisch LDL senken, auch einen positiven Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko zu erwarten, schreiben die Autoren in der Diskussion. Jedoch löse der Verzehr von pflanzlichen Ölen mit eine hohen Linolsäure-Gehalt eine Vielzahl biochemischer Prozesse, beispielsweise qualitative Veränderungen in der Oxidation der Lipoproteine, die möglicherweise das KHK-Risiko erhöhen könnten.
Insbesondere bei Menschen, die anfällig für Linolsäure-Oxidation sind - Raucher, Menschen mit hohem Alkoholkonsum oder Ältere - könnte eine erhöhte Zufuhr der ungesättigten Fettsäurenegative Auswirkungen haben, vermuten die Forscher. Ein besseres Verständnis der biochemischen Prozesse könne ihrer Meinung nach helfen, zu erklären, warum manche Substanzen, die LDL-reduzieren, das kardiovaskuläre Risiko erhöhen.
Eine Frage der Quelle?
Darüber hinaus könnten auch die Quelle sowie die aufgenommene Menge an Linolsäure eine Rolle spielen, schreiben die Wissenschaftler weiter. So stammt die ungesättigte Fettsäure heute vor allem aus hochkonzentrierten Pflanzenölen, die zum Braten und Kochen sowie in verarbeiteten Lebensmitteln verwendet werden. Dabei wird Linolsäure vorwiegend isoliert ohne die Proteine, Ballast- und Mikronährstoffe, die in natürlichen Quellen wie Gemüse und Samen zusätzlich vorhanden sind, aufgenommen.
Aufgrund der weiten Verbreitung der pflanzlichen Öle ist die Zufuhr an Linolsäure bei einer modernen Ernährung mit verarbeiteten Produkten zudem deutlich höher als früher, wo primär unverarbeitete Lebensmittel gegessen wurden. So nimmt in den USA im Durchschnitt jeder täglich 17 Gramm Linolsäure zu sich, das entspricht etwa sieben Prozent der täglichen Energiezufuhr. Ohne den Zusatz pflanzlicher Öle wären es nur sechs Gramm. Beim „Minnesota Coronary Experiment" war der Anteil der ungesättigte Fettsäuren an der Gesamtkalorienaufnahme deutlich höher.
Vorsicht bei Ernährungsempfehlungen
Da die nachträgliche Auswertung doch einige Schwächen besitzt, wie die Nicht-Berücksichtigung von Trans-Fetten, die extrem hohe Linolsäure-Zufuhr beim „Minnesota Coronary Experiment", die Unvollständigkeit der Daten (zum Beispiel zum Rauchstatus) sowie das Patientenkollektiv, halten es die Forscher um Christopher Ramsden für den besten Weg, mit Ernährungsempfehlungen, die über die natürliche Nahrungsaufnahme hinausgehen, vorsichtig zu sein.
Zudem könnten ihrer Ansicht nach folgende Faktoren dazu beitragen, die Ernährungsforschung wesentlich zu verbessern:
- Biomarker sollten nicht mehr überschätzt werden
- die vorsichtige Interpretation nicht-randomisierter Untersuchungen
- die Sicherstellung einer zeitnahen und vollständigen Publikation aller randomisierter kontrollierten Studien
Das habe die Geschichte dieser zentralen Ernährungshypothese gezeigt.
2 Kommentare
Reinbuttern
von Bernd Jas am 04.05.2016 um 10:03 Uhr
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Gesundheitsparameter
von Heiko Barz am 03.05.2016 um 12:56 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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