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S3-Leitlinie Demenz
Ginkgo biloba „kann erwogen werden“
Bisher wurden Ginkgo-haltige Präparate in der S3-Leitlinie „Demenz“ nicht empfohlen - aus Mangel an „überzeugender Evidenz“. Jetzt hat sich die Datenlage offensichtlich geändert. Wie die Firma Schwabe mitteilt, könnte es in dem Anfang 2016 erscheinenden Update der S3-Leitlinie heißen, dass „eine Behandlung erwogen werden kann“. Die endgültige Version liegt allerdings noch nicht vor.
Der Ginkgo-Extrakt EGb 761® (z.B. Tebonin®) ist zugelassen zur symptomatischen Behandlung von "hirnorganisch bedingten geistigen Leistungseinbußen bei demenziellen Syndromen“ und wird häufig zur Behandlung von kognitiven Störungen und Demenz eingesetzt. In der 2009 erschienenen S3-Diagnose- und Behandlungsleitlinie „Demenz“ waren die Autoren aufgrund der heterogenen Datenlage zu Ginkgo-biloba-Präparaten zu folgender Empfehlung gekommen: „Es gibt keine überzeugende Evidenz für die Wirksamkeit Ginkgo-haltiger Präparate. Sie werden daher nicht empfohlen.“
Dabei handelte es sich um eine Soll-Empfehlung (Empfehlungsgrad A, sehr starke Empfehlung) der höchsten Evidenzstufe (1a), also auf Basis von Metaanalysen von mehreren randomisierten, kontrollierten Studien.
Leitlinie noch in Revision
Wie Tebonin®-Hersteller Schwabe mitteilt, wurden in der neuen Version die Empfehlungen zu Ginkgo biloba aktualisiert. Wird die derzeit vorliegende, erste Revision der Leitlinie ohne Änderungen verabschiedet, sieht die Leitlinienkommission „Hinweise für die Wirksamkeit von Ginkgo biloba EGb 761® auf Kognition bei Patienten mit leichter bis mittelgradiger Alzheimer-Demenz oder vaskulärer Demenz und nicht-psychotischen Verhaltenssymptomen. Eine Behandlung könne erwogen werden (Empfehlungsgrad 0, Evidenzgrad 1a).“
Das Update der S3-Leitlinie, die unter Federführung
der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik
und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN)
erstellt wird, soll Anfang 2016 erscheinen.
Schwabe sieht dieses Ergebnis im Einklang mit vier, vor Kurzem publizierten Metaanalysen zum Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761® (Solfrizzi, Panza 2014; Yang et al. 2014; Hashiguchi et al. 2015; Gauthier, Schlaefke 2015; Tan et al. 2015). Die Autoren dieser Metananalysen kamen alle zu dem Schluss, dass EGb 761® Aufmerksamkeit und Gedächtnis bei Demenz verbessert, allerdings nur, wenn die Tabletten ausreichend lange (mindestens 22-24 Wochen) und hoch dosiert (240 mg/Tag) eingenommen werden.
Kritik an der Methodik
Laut der aktuell vorliegenden ersten Revision stützt sich die Bewertung der Leitlinienkommission - neben einem IQWiG-Bericht, einem Cochrane-Review und verschiedenen Leitlinien - auf mehrere Studien, die zwischen 2008 und 2012 durchgeführt wurden.
Davon zeigte eine Untersuchung in Hausarztpraxen keine Überlegenheit von Ginkgo biloba gegenüber Placebo in Bezug auf die Endpunkte ADAS-Cog-Test (Alzheimer’s Disease Assessment Scale Cognition) und Lebensqualität. In zwei anderen Studien konnte jedoch eine signifikante Überlegenheit von EGb 761 im Vergleich zu Placebo gezeigt werden.
Bewertet wurden unter anderem der Syndrom-Kurztest als kognitiver Endpunkt sowie das neuropsychiatrische Inventar (NPI), um Verhaltensänderungen zu quantifizieren. Beides sind psychiatrische Standardparameter.
Die Leitlinienkommission erachtet es zwar als positiv, dass es sich bei diesen beiden Untersuchungen um Placebo-kontrollierte Studien handelt, sie übt aber durchaus Kritik an der Methodik. So sei beispielsweise in keiner der beiden Publikationen aufgeführt, in welchen NPI-Kategorien (Halluzination, Agitation, motorische Störungen) die Patienten erhöhte Punktwerte zeigten oder eine Verbesserung stattfand.
Außerdem seien die Studien in „anderen Versorgungsumfeldern“ (Ukraine bzw. Russland und angrenzende Staaten) durchgeführt.
Unverändert ist bisher die Empfehlung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, bei Anwendung von Ginkgo-Präparaten eine eingehende Gerinnungsanamnese zu erheben. Es gäbe Hinweise auf eine erhöhte Blutungsneigung, etwa bei Patienten mit bestimmten Gerinnungsstörungen (von-Willebrand-Jürgens-Syndrom) oder wenn gleichzeitig ASS eingenommen wird, so die Begründung. Aber auch in diesem Punkt muss die finale Fassung abgewartet werden.
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