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Aus Sorge vor Risiken und Nebenwirkungen des geplanten Freihandelsabkommens gingen zuletzt im Oktober in Berlin zehntausende Menschen auf die Straße. Lange hieß es, TTIP würde den Gesundheitssektor nicht betreffen. Aber stimmt das? Nicht nur die ABDA warnt vor einer Ökonomisierung der Medizin.
Während in Europa wieder Grenzübergänge kontrolliert werden, sollen die Grenzen für den Warenhandel sowie für Dienstleistungen weiter fallen. Durch das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wollen die USA und Europa Standards vereinheitlichen, tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse abbauen und so die Wirtschaft ihrer Länder ankurbeln.
Dabei geht es nicht nur um die Farbe von Auto-Blinkern oder die Desinfektion von Hühnerfleisch, sondern auch um den Gesundheitsmarkt, die Zukunft der freien Gesundheitsberufe und Arzneimittel.
Befürworter wie Gegner kämpfen mit harten Bandagen. Sie versprechen Aufschwung, neue Arbeitsplätze und innovative Wirkstoffe – oder befürchten, dass Regierungen von Konzernen geknebelt und Patienten durch eine ungehemmte Deregulierung des bestehenden Gesundheitssystems geschädigt werden könnten.
Patentverlängerungen steigern Gesundheitskosten
Da die Entwürfe der Vertragstexte bisher geheim gehalten werden, bezieht sich die öffentliche Diskussion überwiegend auf durchgesickerte Informationen oder andere, bereits unterschriebene Freihandelsabkommen.
Margaret Chan, Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation, sprach vom beunruhigenden Trend, dass Regierungen durch die Abkommen zunehmend in Handschellen gelegt und so ihrer politischen Handlungsmöglichkeiten beraubt würden.
Margaret Chan (Foto: WHO)
Dies passierte beispielsweise in Südamerika, wo Tabakkonzerne Einkommenseinbußen vor Schiedsgerichten geltend machen, die durch staatlich verordnete Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zukünftig entstehen würden. Und in Kanada geht Eli Lilly derzeit mit einer Klage über 500 Millionen US-Dollar gegen die Regierung vor: Nach Meinung des Unternehmens würden Patente nicht zuverlässig genug vergeben
Die Bundesregierung verkündete noch vor einem Jahr, die Europäische Kommission würde in den TTIP-Verhandlungen auf gleichbleibende Standards im Gesundheitsbereich drängen – und allgemein wäre der gesamte Bereich der Daseinsversorgung in TTIP ohnehin ausgeklammert. Dokumente der Kommission sowie von Interessenverbänden zeigen jedoch, dass beispielsweise durch Patentverlängerungen von teuren Biopharmazeutika oder verzögerte Herstellung von Generika die Gesundheitskosten erheblich steigen könnten.
Patientenversorgung wäre nachhaltig gefährdet
Hinzu kommt, dass auch die EU-Kommission seit Jahren bestrebt ist, die Gesundheitsberufe zu deregulieren und zu „liberalisieren“. Angesichts der zunehmenden Sorgen verabschiedeten die ABDA, die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung im Mai eine gemeinsame Erklärung zu den TTIP-Verhandlungen. Diese enthielt die Forderung, die Vielfalt des europäischen Gesundheitswesens und die Freiberuflichkeit zu sichern.
Anders als bisher geplant dürfte TTIP keine Anwendung auf das Gesundheitswesen und die Heilberufe finden und solle sich über eine Positivliste nur auf ausgewählte Bereiche beziehen. „Freihandelsabkommen dienen der wirtschaftlichen Entwicklung, aber sie müssen dort ihre Grenzen haben, wo sie die medizinische Versorgung der Patienten beeinträchtigen.“
(Foto: Zerbor/Fotolia)
Eine weitere Verschärfung der Versorgungslage durch eine noch stärkere Ökonomisierung der Medizin und der Pharmazie würde das bisherige Niveau der Patientenversorgung nachhaltig gefährden. Gefordert wurde auch, dass die Ausbildungsstandards für Heilberufe nicht abgesenkt werden, indem geringer qualifizierte Berufe anerkannt werden.
Otmar Kloiber, Generalsekretär des Weltärztebundes, spricht angesichts von den zunehmenden Einflussmöglichkeiten international agierender Konzerne von einer „totalen Bankrotterklärung der Demokratie“. Auch er fordert, dass die Entwürfe der Texte offengelegt werden: „Solange wir den Vertrag nicht kennen müssen wir denken, dass er für uns Bürger nicht akzeptabel ist“, sagt Kloiber.
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TTIP: Gefährliche Black-Box für unser Gesundheitssystem? - Teil 2
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