Anschlag auf Neuköllner Apotheke

Apotheker verweigert Abgabe der „Pille danach“

Berlin - 06.03.2014, 12:00 Uhr


Die Apotheke von Andreas Kersten ist ein Blickfang in Berlin-Neukölln: Im Schaufenster finden sich neben der üblichen Apothekendekoration auch Papstbilder und Fußball-Fanutensilien. Kersten ist gläubiger Katholik und macht daraus keinen Hehl. Er lehnt es ab, die „Pille danach“ zu verkaufen – und das bereits seit Jahren. Den Menschen im Kiez ist dies bekannt, ebenso den Szene-Aktivistinnen. Immer wieder gibt es Anschläge auf seine Apotheke. In diesem Jahr fiel er besonders „blutig“ aus. Von seinen Überzeugungen lässt sich Kersten jedoch nicht abbringen.

Für Kersten ist es fast schon eine Gewohnheit geworden – wenn auch keine gute: Nahezu jedes Jahr im März, wenn der Weltfrauentag ansteht, wird seine Apotheke attackiert. Es wird geschmiert, auch die Fenster sind schon eingeschlagen worden. Als Kersten diese Woche Mittwoch morgens zu seiner Apotheke kam, waren Schaufenster und Eingangstür großflächig mit roter Farbe beschmiert und bespritzt. Dazu klebten Plakate, die auf den Frauenkampftag am 8. März hinwiesen. Die Plakate sind teilweise entfernt, aber mit dem Putzen kommt der Apotheker auch heute nicht nach. Er geht von einem Schaden von mehr als 500 Euro aus. Die Versicherung hat er bereits eingeschaltet. Die Kunden schreckt das Szenario nicht ab - sie erkundigen sich eher interessiert, was geschehen ist.

Kerstens Position ist sicher streitbar. Schon seit Jahren hängt im Eingangsbereich seiner Apotheke ein Zettel aus, auf dem er erläutert, warum er keine „Pille danach“ abgibt. Für ihn beginnt das Leben mit der Empfängnis. Und wird die befruchtete Eizelle an der Einnistung gehindert, ist das unveräußerliche Lebensrecht verletzt. Laut Packungsbeilage der PiDaNa® ist die genaue Wirkungsweise des Arzneimittels nicht bekannt. Es werde angenommen, dass Levonorgestrel bei dem verwendeten Dosierungsschema die Ovulation unterdrücke und somit eine Befruchtung verhindert, wenn der Geschlechtsverkehr in der präovulatorischen Phase stattgefunden hat, heißt es dort. Und: „Es könnte ebenfalls die Implantation verhindern.“ Das ist für Kersten eindeutig zu wenig. So lange eine solche nidationshemmende Wirkung nicht zweifelsfrei ausgeschlossen ist, ist das Notfallkontrazeptivum für ihn indiskutabel.  

Der Neuköllner Apotheker ärgert sich daher auch über die derzeitige Debatte um eine möglicherweise rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“. Er schreibt immer wieder Politiker an und appelliert an ihr Gewissen. Für ihn geht es zu weit, dass diese Kontrazeptionsmethoden überhaupt zugelassen sind.

Die Berliner Apothekerkammer lässt Kersten bislang gewähren. Tatsächlich dürfte seine strikte Haltung nicht dazu führen, dass eine Patientin, die die „Pille danach“ verlangt, am Ende ohne diese bleibt. Der Weg zu den nächsten Apotheken ist im „Kreuzköllner“ Kiez nicht weit.


Kirsten Sucker-Sket


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