Tagebuch im Rückblick

Mein liebes Tagebuch

Rückblick auf das Jahr 2023

Foto: Alex Schelbert
Von Peter Ditzel |  Die alten Probleme sind die neuen: Apotheken leiden auch 2023 unter Lieferengpässen, Personalmangel, Bürokratiemonster und deutlichen Kostensteigerungen. Und Bundesgesundheitsminister Lauterbach lehnt knallhart eine Erhöhung des Apotheken­honorars ab. Die Berufsvertretung ABDA kann sich nicht durchsetzen, Apothekenproteste verhallen. Lauterbach will sogar mit einer Apothekenreform ein neues Apothekensystem mit Light-Apotheken ohne Approbierte installieren. Spürbarer Ausdruck der politischen An­erkennung apothekerlicher Arbeit ist das Honorar fürs Management der Arzneimittelenpässe (gigantische 50 Cent pro ausgetauschter Packung) und ein erhöhter Kassenabschlag. Wertschätzung sieht anders aus. 

Januar 2023

Das Problempaket aus dem alten Jahr ist nicht weg, es drückt gewaltig. Allen voran die Lieferengpässe, dann das Bürokratiemonster, der Personalmangel und das Apothekensterben. Und über allem die fehlende Honoraranpassung. Dazu gibt’s noch die Alltagsprobleme wie die hochpreisigen Arznei­mittel, deren Beschaffung immer umständlicher wird und bereits in einer Parallelwelt abläuft. Zu alledem: Die Wertschätzung unseres Berufs nimmt ab. Also, der Reihe nach: 2023 sollte für uns Apothekers das Jahr sein, in dem es berufspolitisch vor allem darum geht: Honorarerhöhung. Wie bekommen wir es hin, dass uns die Politik erhört? Immerhin, es soll ein zweites Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken aufgelegt werden, so hieß es. Ein Vorschlag von der ABDA dazu? Fehlanzeige. Wo bleibt der Doppel-Wumms aus dem Apothekerhaus? Ein paar leise Presse­mitteilungen, wie schlecht es uns Apothekers geht, reichen nicht, sie werden nicht ernst genommen. Die ABDA lässt es vorerst auf kleinerer Stufe angehen: Sie will die Bürokratiemonster mit einer eigenen Arbeitsgruppe jagen. ABDA-Hauptgeschäftsführer Sebastian Schmitz will die Monster zusammen mit einer Rechnung über mehr Honorar und ein Entgelt fürs Lieferengpass-Management in ein Paket packen und an die Politik schicken. Ob das angenommen wird? Da feiern wir im Januar doch erst mal das einmillionste E-Rezept – gut Ding braucht eben Weile. Nur eins geht schneller in Deutschland: das Apothekensterben. Aber unsere Präsidentin ist überzeugt: Die Politik will die Apotheken nicht dezimieren. Nein, nein, mein liebes Tagebuch, da fragt man sich nur, warum verweigert uns die Politik die überfällige Honorarerhöhung?

Die Probleme mit den Lieferengpässen treibt alle um. Der GKV-Spitzenverband möchte auf allen Ebenen der Arzneiversorgung mehr Transparenz, also bei Apotheken, Ärzten, Großhandel und Industrie. Vielleicht sollte der Kassen­verband mal im eigenen Haus, bei den Rabattverträgen, der Mutter aller Engpässe, beginnen und für Transparenz sorgen. Der Pharmaverband vfa kann sich vorstellen, Securpharm zu nutzen, um Warenströme nachzuverfolgen und Engpässe zu entdecken.

Einen Lichtblick gibt es: Die „Jungen“ drängen in die Berufspolitik. Über 250 jüngere Kolleginnen und Kollegen haben sich der AByou-Bewegung angeschlossen.

Februar 2023

Ab 1. Februar 2023: Es gibt defacto weniger Honorar, Lauterbachs Erhöhung des Kassenabschlags tritt in Kraft. Mein liebes Tagebuch: Dank an die Bundesregierung für diese „Wertschätzung“: Weniger Honorar, mehr Arbeit. Der Verband „Freie Apothekerschaft“ meint dazu: „Die Apotheken werden ausgenutzt nach Strich und Faden! Überall gibt’s Tariferhöhungen, das Apothekenhonorar ist unverändert seit über zehn Jahren!“ Und die ABDA-Präsidentin sagt: „Flügel nicht hängen lassen, auch wenn’s weniger Honorar gibt.“ Mein liebes Tagebuch, das spendet nicht wirklich Trost.

Lauterbach bleibt hart: Fürs Engpass-Management bietet er uns weiterhin nur 50 Cent an. 50 läppische Cent, um einen Riesenberg an Arbeit zu stemmen. Das lässt auch die ABDA nicht kalt: Dieses Angebot ist ein Affront, eine Missachtung, eine Herabwürdigung, ein „schamloser Betrag“, tönt es aus dem Berliner Apothekerhaus. Richtig, und jetzt? Ganz leise ist bereits der Ruf nach einem Streik zu hören. Mein liebes Tagebuch, dann bitte bundesweit und mit mehr Wumms. Ohne scheint in Deutschland nichts mehr durchsetzbar zu sein. Und für uns Apothekers schon gleich gar nicht. Denn Lauterbach und Co. haben nur Missachtung und Misstrauen uns Apothekers gegenüber. Immer wieder lassen sie uns wissen: An eine echte Honorarerhöhung ist auch in Zukunft nicht zu denken. Da fragt man sich: Werden Apotheken weggespart? Ein Blick nach Thüringen zeigt: Auch dort ist die Apothekenzahl im Sinkflug. Und es fehlen Ausbildungsplätze für Pharmaziestudierende an den Unis – warum handelt die Politik nicht? Neuer Tiefstand: Wir haben nur noch rund 18.000 Apotheken. Wo bleibt unsere Zukunftsdiskussion? Welche Positionierung wird die zukünftige Apotheke haben: Logistik­zentrum mit Lieferdiensten oder Dienstleistungszentrum mit sprechender Pharmazie oder etwas irgendwo dazwischen?

Was tut die ABDA? Sie will lieber mit 25 freiwilligen Apotheken die pharmazeutischen Dienstleistungen üben. Very nice! Manche sehen es aber auch so: Chronisch unterfinanzierte Apotheken mit Personalmangel sollen dazu gebracht werden, neue defizitäre Leistungen anzubieten.

Und noch ein Affront: Im Beipackzettel soll gegendert werden, aber nur bei den Ärztinnen und Ärzten. Wenn wir Apothekerinnen und Apotheker zu Risiken und Nebenwirkungen gefragt werden sollen, dann soll es heißen „Fragen Sie in ihrer Apotheke“. Geringschätzung unseres Berufes auf die Spitze getrieben!

März 2023

Es hat Wumms gemacht bei der ABDA: Ein Katalog mit den drängendsten Forderungen der Apothekerschaft liegt vor. Endlich! Im Mittelpunkt: 12/21, also: Das Apothekenhonorar muss auf 12 Euro steigen und fürs Management der Lieferengpässe müssen es pro ausgetauschtem Arzneimittel 21 Euro sein. Und Apotheken brauchen eine Pauschale, damit die flächendeckende Versorgung abgesichert ist. Außerdem hat die Präsidentin angekündigt: „Wir eskalieren! Wir gehen geschlossen in die Vollen“, Streik nicht ausgeschlossen. Auch ABDA-Vize Arnold will mit Protesten und Aktionen die Politik wachrütteln.

Lauterbach kümmert sich derweil um die Digitalisierung und verpasst ihr einen Turbo: Das E-Rezept für alle kommt ab 1. Januar 2024, ja – bitte nicht lachen – ganz wirklich, ganz im Ernst. Und die elektronische Patientenakte bis Ende 2024 für alle.

Fragen zum Frühlingserwachen im März: Retax – nur noch, wenn sachlich geboten. Aber was heißt das? Außerdem: Was muss passieren, dass mehr Apotheken impfen? Hilft die Lebenseinstellung der Nachwuchs-Apothekers gegen Personalmangel: „Arbeiten, um zu leben” statt „Leben, um zu arbeiten”? Wie macht man der Ärzteschaft das gemeinsame Medikationsmanagement mit Apothekers schmackhaft? Woher nehmen die E-Rezept-Enthusiasten ihre Begeisterung fürs elektronische Rezept? Fragen über Fragen. Und die Überraschung: Karl will mit uns sprechen! Da bleibt die große Frühlingsfrage: Was dürfen wir davon erwarten?

April 2023

Runter mit den Masken, die Pandemie ist vorbei. Karl Lauterbach hat sie offiziell für beendet erklärt. Was uns bleiben wird, sind die Lieferengpässe, die er auch mit seinem neuen Gesetz nicht in den Griff bekommen wird. Es drängt sich der Eindruck auf: Er kümmert sich lieber um seine Cannabis Clubs als um die Lieferengpässe.

Ein kleines Desaster: Auf die Politik ist kein Verlass mehr – die Verlängerung der erleichterten Austauschregelungen ist nicht rechtzeitig in Kraft getreten, warum auch immer. War’s Schlamperei? War’s Gleichgültigkeit? Wir wissen es nicht. Wenn die Apotheken nun weiterhin Engpass-Arzneimittel austauschen, dann sind sie vom Goodwill der Kassen abhängig.

Kein Aprilscherz: Karl Lauterbach hat „in zugewandter Atmosphäre“ (was auch immer das heißen mag) mit unserer ABDA geredet und unsere Honorarforderungen angehört, aber noch lange nicht erhört. Aber bitteschön, wir sollen doch verstehen: Er hat gerade so viel um die Ohren: die Digitalisierung, die Pflege, das Krankenhaus und dann noch das Cannabis für alle – das alles muss erst mal vom Tisch und in die Tüte. Und dann, ja dann, irgendwann in der zweiten Jahreshälfte, holt er vielleicht unsere Forderungen aus seiner Ablage. Zu spät! Denn dann wird er feststellen müssen, dass alle Stufen der geheimen Eskalationsstrategie der ABDA gezündet werden.

Endlich, Wirtschaftsminister Habeck bekommt Aufklärung und Nachhilfe in Sachen Apothekenhonorar – damit er merkt, warum die Apothekers so wenig bekommen. Ob’s hilft? Und während der Bundesrat für die Apotheken eine Vergütung „auf einer auskömmlichen Grundlage“ und Schluss mit Nullretax und Präquali fordert, tut eine grüne Gesundheitspolitikerin die Hilferufe und Forderungen der Apotheken nach mehr Honorar als „eine Wunschliste an den Weihnachtsmann“ ab.

Mai 2023

Gestreikt wird nicht, vielleicht ein bisschen demonstriert: In Schleswig-Holstein mögen doch bitte die Apotheken am Vormittag des 9. Mai mal eben für ein paar Stündchen schließen. Und nächste Woche gibt’s von der ABDA ein Plakat, und vielleicht noch eins. Mein liebes Tagebuch, was soll das denn? Vielleicht kommt noch mehr, aber das verrät die ABDA noch nicht. Und so wurde es ein putziges Protestchen im Norden (Motto: Macht was Kreatives und was ihr wollt), ein lustiges Cartoon-Plakat für die Apotheken und ein Riesen-Flyer für die Abgeordneten – richtige Eskalation sieht anders aus. Aber sie soll kommen: Am 14. Juni gibt’s den bundesweiten Apotheken-Protesttag, kündigt die ABDA an. Möglichst mit bundesweit geschlossenen Apotheken. Den Protesttag hat die Politik provoziert, sagt die ABDA-Präsidentin fast entschuldigend. Warum so devot? Mein liebes Tagebuch, es ist wirklich höchste Zeit, der Politik zu zeigen, dass Schluss sein muss mit der Geringschätzung unserer Arbeit. Jetzt ist Solidarität aller Apotheken gefragt! Aber, es soll noch immer Apotheken in unserem Land geben, die sich dem Protesttag am 14. Juni nicht anschließen, ihre Apotheken nicht schließen wollen. Haben diese Apotheken noch nicht mitbekommen, wie ignorant und geringschätzend die Bundesregierung mit uns Apothekers umgeht?

Wir müssen die Politik daran erinnern, dass Deutschland ohne die unermüdliche Arbeit der Apotheken kaum durch die Pandemie gekommen wäre. Und die Lieferengpässe hätten die Versorgung längst lahmgelegt.

Juni 2023

Man spürt es förmlich, es wird heißer und heißer: Der Protesttag naht. Und für Apothekers, die noch zögern mitzumachen, hier ein weiteres Argument: Lauterbach kommt wieder nicht persönlich zum Apotag. Wir Apothekers sind ihm das sichtlich nicht wert. Das Bundesgesundheitsministerium reagiert bereits auf die Protestankündigung – mit einem perfiden „Faktenblatt“, das der Öffentlichkeit suggerieren soll, dass die Apotheken genug Honorar bekommen. Lauterbach legt in einem Tweet nach und verkündet, dass die Apothekenein­kommen stetig gestiegen seien und ätzt: „Wirklich schlecht verdient wird in der Pflege.“ Danke, Herr Minister, es reicht!

Wir können Protest! Der 14. Juni hat gezeigt: Die Apothekers können sich Gehör für ihre Lage und ihre Forderungen verschaffen. Fast 90 Prozent aller Apotheken blieben zu, Tausende von Apothekers und Apothekenteams gingen lautstark auf die Straße. Alle Tageszeitungen und Sender befassten sich mit den Apotheken, ihrer Lage und ihren Forderungen. Mein liebes Tagebuch, dieser Tag wird in die Geschichte eingehen. Lauterbachs Reaktion: Mehr Honorar wird es nicht geben. Apothekers Antwort: Nach dem Protest ist vor dem Protest! Die ABDA-Präsidentin: „Wir werden nicht aufhören laut zu sein!“ So ist’s recht. Danke an alle Apotheken, an alle Apothekenteams, die sich dem Protesttag am 14. Juni angeschlossen haben.

Lauterbach glaubt, dass das E-Rezept ab 1. Juli läuft (frag doch mal die Ärzteschaft!). Und Habeck will das Packungshonorar erhöhen, aber nicht wirklich (frag doch mal den Lauterbach!). Was für ein Politzirkus!

Und in wenigen Tagen soll das E-Rezept bundesweit kommen, mit Einlösung durch die elektronische Gesundheitskarte – verspricht die Gematik. Mehr als grotesk: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung meint, das gehe doch viel zu schnell; sie blockiert auch weiterhin das E-Rezept. Was für ein Theater!

Es steht fest: Das Lieferengpass-Gesetz kommt! Die Lieferengpässe werden zwar bleiben, auch die mickrige 50-Cent Apothekenvergütung fürs Managen der Engpässe, aber es gibt weniger Nullretaxationen und weniger Präquali-Gedöns.

Richtig kräftig zugelangt hat dagegen die ABDA – sie hat sich eine knackige Erhöhung des Haushalts-Budgets gegönnt. Um rund stolze 18 Prozent werden die Mitgliedsbeiträge ihrer 17 Kammern und 17 Verbände steigen. Da kommt richtige Freude auf, vermutlich nur im ABDA-Präsidium.

Und ja, die Apothekerin, den Apotheker gibt es für die Politik wohl nicht mehr – wir laufen jetzt nur noch unter „Apotheke“, nämlich im Pflichthinweis der OTC-Werbung ab 27. Dezember 2023: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihre Ärztin, Ihren Arzt oder in Ihrer Apotheke“. Ein Fall für die Anti­diskriminierungsstelle!

Juli 2023

Die ABDA-Präsidentin fordert die Apotheken auf, jetzt nicht nachzugeben! Es soll weiter protestiert werden, für eine Verbesserung des Apothekenhonorars. Aber, mein liebes Tagebuch, wir sollten endlich ernsthaft darüber reden: Wie muss eigentlich unser zukünftiges Honorar aussehen? Die ABDA macht wieder Geheimniskrämerei: Sie hat ein Dynamisierungsmodell fürs Apothekenhonorar entwickelt. Ganz ABDA-like bleibt es aber noch geheim!

E-Rezept bundesweit ab 1. Juli 2023? Die Premiere fiel ins Wasser, die Telematikinfrastruktur ging in die Knie. Macht nichts, die EU-Versender beschweren sich bereits bei der EU-Kommission, weil sie beim E-Rezept via elektronischer Versichertenkarte nicht dabei sind; sie wollen außerdem Rabatte und Boni bei Rx-Arzneimitteln geben – das wird der nächste Kampf werden.

Noch knirscht es allerdings in der Datenleitung und von den Ärzten kommen die Tokens fürs E-Rezept nur zögerlich. Apropos Token – auf diese Tokens haben es auch die Versender abgesehen. Denn: Wer den Token hat, kommt ans E-Rezept. Die Patienten sollen ihn in der Arztpraxis abscannen, schlagen die E-Rezept-Enthusiasten den Versendern vor. Ja, geht’s noch?

Aber zunächst kommt das Lieferengpass-Gesetz auf uns zu. Eigentlich sollten die Apotheken das Almosen von 50 Cent fürs Engpass-Management jetzt abrechnen können. Eigentlich. Aber weil die Verantwortlichen vermutlich im Wolkenkuckucksheim leben, hat man es schlichtweg versäumt, die Abrechnungsmöglichkeit rechtzeitig zu installieren. Jetzt müssen die Apotheken sogar auf diese Vergütung warten! Genauso wie auf das Ende der Präquali, das eigentlich bereits da ist. Aber hier müssen sich erst der Apothekerverband und der Krankenkassenverband einigen, was eigentlich Hilfsmittel sind.

Derweil zündet die ABDA die nächste heiße Eskalations­stufe: Vorsicht, ihr Gesundheitspolitikerinnen und -politiker, da macht’s „boing“ und eine lustige rot-weiße Karte springt euch beim Öffnen entgegen. Soll heißen: Wir wollen mehr Geld. Echtes, kein Spielgeld! Und noch was Neues: Tätärätätä, ab sofort sind alle Apotheken E-Rezept-ready. Von Amts wegen.

August 2023

Die Freude bei den E-Rezept Enthusiasten ist riesengroß: Seit 1. Juli wesentlich mehr E-Rezepte! Jetzt wollen sie eine kundenfreundlichere Gematik-App, schließlich soll es den EU-Versendern einfacher gemacht werden, ans E-Rezept zu kommen. Das neue Digitalgesetz will sogar, dass die E-Rezept-Tokens auch auf die Apps von Krankenkassen und ohne Telematikinfrastruktur verschickt werden dürfen. Der E-Rezept-Wildwuchs ist im Kommen! Außerdem sollen Apotheken assistierte Telemedizin anbieten dürfen – was auch immer das ist. Die Ärzte poltern bereits.

Nach den hüpfenden Kärtchen für die Gesundheitspolitik will die ABDA nun Liebespostkarten von den Apothekenkundinnen und -kunden als nächste Stufe ihrer gigantischen Eskalationsrakete zünden, alles mit dem Ziel, mehr Honorar für die Apotheke zu fordern. Ob diese Rakete nicht doch noch zum Rohrkrepierer wird?

Die Ärztevertretung an die Politik: Der Praxenkollaps droht, wir fordern mehr Geld und bessere Bedingungen, sonst Streik! Wenn sich nicht bald etwas ändert, geht in den Praxen das Licht aus! Die Apothekervertretung an ihre Kundschaft: Liebe Patienten, bitte schreibt uns doch, dass ihr uns lieb habt, damit uns die Politik mehr Geld und Wertschätzung gibt. Quizfrage: Wer wird mehr erreichen, die Dokters oder die Apothekers? Ach ja, kleine Hilfestellung: Immer mehr Apotheken machen bereits das Licht aus.

Die ABDA dagegen will Mut machen, preist die mit dem Lieferengpass-Gesetz erreichten Verbesserungen und verkauft sogar das 50-Cent-Honorar fürs Engpass-Management als Erfolg: niedrig, aber immerhin. Kann man so sehen, muss man aber nicht.

Lauterbach weiß, dass sein Lieferengpassgesetz in der bevorstehenden Herbst-/Winter-Saison (noch) nicht wirkt, aber er will liefern: Der Großhandel soll sich jetzt ausreichend mit Antibiotika- und Fiebersäften bevorraten, fleht der Minister. Geht nicht, sagt der Großhandel, es gibt nichts. Der Deutsche Apothekerverband hält eine bessere Bevorratung des Großhandels für kontraproduktiv, weil der Markt dann schon heute leergekauft würde.

September 2023

Wir impfen, gegen Grippe und COVID-19! Eine neue Ver­einbarung zwischen Apothekerverband und Ersatzkassen bietet diese Impfungen allen Versicherten dieser Kassen an! Also, machen!

Die ABDA eskaliert weiter: Nachdem sie ihre Liebes-Kärtchen überreicht hat, soll Lauterbach auf dem Apotag per Videostream sechs drängende Fragen beantworten, z. B. zur Honoraranpassung und mehr. Und dieses Mal wird’s ernst: Die Apotheken sollen zwischen 13 und 16 Uhr schließen, um das Lauterbach-Video an ihren Empfangsgeräten erleben zu können.

Während wir um mehr Honorar kämpfen, darf sich die Ärzteschaft auch in diesem Jahr über ein Honorarplus von knapp 4 Prozent freuen. Dagegen denkt Lauterbach nach wie vor nicht daran, sich für ein angepasstes Apothekenhonorar stark zu machen. Was läuft da bei Apothekers schief? Vielleicht sollte Lauterbach endlich mal mit uns reden. Und nicht von der Leinwand oben herab auf die Pharmazeutinnen und Pharmazeuten blicken. Aber dieser Mann hat einfach keine Umgangsformen: Über die FAZ kündigt er eine desaströse Apothekenreform an! Es ist die Zerschlagung des heutigen Apothekensystems: Light-Apotheken ohne Apotheker, nur mit PTA, ohne Labor, ohne Nachtdienst. Ein unsägliches Vorgehen. Das Plenum des Apothekertags ist bei Lauterbachs Videorede kurz vor der Explosion, der Saal kocht. Die ABDA reagiert umgehend: Faktenblatt, zwei Resolutionen, laute Proteste und klare Worte an Lauterbach. Und der November soll Protestmonat werden! Was der Apothekertag ebenfalls zeigt: einen starkes Wir-Gefühl und das Bekenntnis zum gemeinsamen Kampf für mehr Honorar. Und das ist dringend, denn in diesem Jahr machen bereits 600 Apotheken für immer das Licht aus!

Oktober 2023

Das Lauterbachsche Ideenpapier zur Zerstörung unseres bestens funktionierenden Apothekenwesens hängt wie eine dunkle Gewitterwolke über den Apotheken. Alle, die vom Apothekenmarkt nur ein bisschen verstehen, sehen die negativen Auswirkungen. Die Analysen zeigen: Seine Pläne führen zu einer schlechteren Arzneimittelversorgung der Menschen.

Mehr Protest ist angesagt, bundesweit in vier Raten: Der November soll Protestmonat werden, an jedem Mittwoch des Monats sollen die Apotheken in einer anderen Region der vier Himmelsrichtungen schließen. Warum nicht viermal bundesweit alle? Und während wir mit Lauterbachs Ideenerguss kämpfen, „informiert“ DocMorris die Arztpraxen, dass die E-Rezept-Token zum Versandhaus geschickt werden können, wenn die Patienten es wünschen.

Abergläubisch sind wir Apothekers nicht: Am Freitag, den 13., hatte die ABDA-Spitze ihre Audienz beim Minister Karl Lauterbach. Laut ABDA-Bericht kam alles auf den Tisch, alle unsere Sorgen und Nöte. Er hört zwei Stunden zu und sagt dann: „Ich nehme es mit“ – seitdem ist Funkstille. Ist das die neue Kommunikationskultur zwischen Minister und ABDA? Aber Overwiening will ihn enttarnen, sagt sie im Morgenmagazin.

Lauterbachs neuer Vorstoß: Die Apotheken sollen assistierte Telemedizin anbieten dürfen. Das gefällt auch dem Bundesrat. Aber was man darunter genau versteht, scheint keiner zu wissen. Gäbe es da vielleicht Chancen für Apotheken? Was der Bundesrat auch möchte: Krankenkassen sollten AMTS-Prüfungen durchführen dürfen! Wo bleibt da der Aufschrei der Ärzte- und Apothekerschaft! Kassen wollen doch nur an die Daten!

November 2023

November ist Protestmonat – gegen das größte Apothekensterben in der Geschichte der Bundesrepublik. Und für mehr Honorar. Am ersten Protest-Mittwoch geht der Norden auf die Straße mit einer zentralen Kundgebung in Hannover. Protestmittwoch Nr. 2 spielt sich im Westen ab, Protestzentrum ist Dortmund. Es folgt der Protest-Mittwoch im Süden mit Stuttgart als Kundgebungsort. Den Schluss bildet der Osten mit Dresden als Protestzentrum. Die Standespolitik freut sich schon: Es sei geglückt, dass die Apothekers zurück aufs politische Spielfeld kommen. Mein liebes Tagebuch, solange wir nicht zum Spielball der Politik werden, freuen wir uns auch. Immerhin, es gibt Gesundheitspolitiker, die ein Ohr für die Nöte der Apotheken haben (FDP-Politiker Ullmann) und sogar für eine Erhöhung des Fixhonorars plädieren (CDU/CSU-Fraktion). Die Ampel-Leute dagegen sind nach dem Juni-Protest nicht mehr nett zu uns, „die werden gegen uns kämpfen“, sagt die ABDA-Präsidentin. Die Krankenkassen polemisieren schon, dass die Apotheken mit der Drei-Prozent-Komponente ihres Honorars genug verdienen. Apothekers und Teams protestieren weiterhin mit heißen Herzen, z. B. in Stuttgart und auch am letzten Protest-Mittwoch im Osten mit Kundgebung in Dresden.

Das Ende der November-Proteste – und das Fazit? Warme, liebe Glühwein-Worte von der Landespolitik: Wir verstehen euch, wir schätzen euch, wir helfen euch (fragt sich nur wie?). Und kalter Eistee aus dem Lauterbach-Berlin: Es gibt keine Honorarerhöhung, es fehlt das Geld, lasst uns über Zusatzaufgaben reden, z. B. mehr Prävention. Lauterbach nennt dies „Wertschätzung der Apotheken“! Das sind ver­bale Minustemperaturen unter dem Gefrierpunkt.

Unsere Analyse: Diese Reform kann und wird nicht bringen, was er sich mit Light-Apotheken erhofft, nämlich läppische neun Millionen Euro weniger Ausgaben für Apotheken. Die Apotheken haben einen Nachholbedarf von gut 2,5 Milliarden Euro. Lauterbach wird das Apothekensterben noch beschleunigen statt bremsen.

Dezember 2023

Der 1. Januar 2024 steht bevor: E-Rezept-Pflicht? Klares Jein. Für die Praxen ist noch nichts verbindlich – das Gesetz dazu wird’s erst im Frühling geben. Bis dahin, wir brauchen eine klare Regelung: Kein Retax bei technischen und formellen E-Rezept-Problemen!

Lauterbach hat bereits eine neue Aufgabe für die Apotheken: Sie sollen künftig Versicherten zur Seite stehen, wenn sie mal in ihre elektronische Patientenakte schauen oder Daten daraus löschen wollen. Und außerdem sollen Apotheken über das „Ident-Verfahren“ Versicherten helfen, sich zu authentifizieren, damit sie das E-Rezept über die Gematik-App und die elektronische Patientenakte nutzen können. Honorar ist dafür vorgesehen, fragt sich nur wie viel.

Beim 50-Cent-Almosen wird die Missachtung der apothekerlichen Arbeit auf die Spitze getrieben: Diese 50-Cent gibt es nämlich nur fürs „normale“ Engpass-Management, aber nicht für den Austausch von Kinderarzneimitteln von der „Dringlichkeitsliste“. Geht’s noch schlimmer? Ob doch noch mehr drin ist? Das Wirtschaftsministerium will mal den „grundsätzlichen Anpassungsbedarf prüfen“ – mehr heiße Luft geht nimmer. Außerdem: Es klemmt an allen Ecken und Enden, und Lauterbach meint, die Arzneimittelversorgung sei in diesem Jahr „deutlich besser“. Seine rosarote Brille muss Milchglasscheiben haben. „Politischen Rückenwind“ und „Zwischenerfolge“ im Kampf für mehr Honorar sieht dagegen die ABDA-Präsidentin, nach den Protesten: „Wir sind auf dem absolut richtigen Kurs.“ Hoffen wir, dass der Kompass noch stimmt. |

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