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Gesundheitspolitik 2023
Apothekenprotest: Nur der Anfang?
Der Rückenwind aus den Protesten ist groß – das Bündnis mit Landespolitikern wurde gestärkt
Dabei war die Unsicherheit bezüglich der Proteste zunächst groß. Die Eskalationsstrategie der ABDA wurde von Beginn an mit Argwohn betrachtet. Würden die Apothekenteams mitziehen? Welche Strafen könnten beispielsweise Schließungen mit sich bringen? Einigen hingegen ging die Standesvertretung nicht weit genug. Wegen der fehlenden Gesprächsbereitschaft von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und der Hoffnungslosigkeit, dass er sich insbesondere in der Frage der Honorarerhöhung bewegen würde, bezogen sie den Standpunkt, dass eine wie auch immer geartete Komplettverweigerung oder Maximaleskalation angebracht sei. Andere wiederum vermissten Diplomatie und warnten, dass mit den Apothekenschließungen oder einer allzu herausfordernden Kommunikation alle Brücken ins Ministerium abgerissen würden.
Überrascht über den Zuspruch
ABDA-Präsidentin Overwiening hatte einiges zu tun, um den Laden zusammenzuhalten. Immer wieder wendete sie sich an die Apothekerschaft, erklärte das Vorgehen, warb für Vertrauen, warnte vor Alleingängen. Trotz der Diskussionen gab es am 14. Juni eine große Manifestation der Geschlossenheit. Kaum jemand hätte wohl in den vergangenen Jahren einen derartigen Protest für möglich gehalten – am wenigsten vielleicht die Apothekerschaft selbst. In Gesprächen wurde immer wieder etwas verwundert erzählt, dass man sich wie selbstverständlich mit den Mitbewerbern über die Schließungen abgestimmt habe. Überrascht schienen die Apothekenteams aber auch über den Zuspruch ihrer Patientinnen und Patienten gewesen zu sein. Ein Erfolg: Die Medien berichteten über diese Unterstützung – und über die angespannte wirtschaftliche Situation vieler Apotheken.
14. Juni: „Baff“, „geplättet“, „wirklich überwältigt“
Die Unsicherheit wich Verwunderung: „Baff“, „geplättet“, „wirklich überwältigt“ – so lauteten im Anschluss an den großen Protesttag in Berlin die Kommentare. Im Rest der Republik wird es ähnlich gewesen sein. Die sozialen Medien wurden geflutet mit Bildern von Protestierenden in weißen Kitteln.
Greifbare Ergebnisse gab es zunächst allerdings kaum: Im kurze Zeit nach den Protesten im Juni verabschiedeten Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) wurden zwar einige Forderungen der Apothekerschaft aufgenommen – aber die brennende Honorarfrage blieb unangetastet. Mehr noch: Einen Tag vor dem Deutschen Apothekertag lancierte Lauterbach im September seine Pläne für eine Umstrukturierung. Erleichterte Filialgründung, Apotheken ohne Apotheker:innen, Notdienst und Labor – ein Schlag ins Kontor. Die Apothekerschaft spricht von „Pseudo-Apotheken“, Overwiening nennt die Pläne „Monopoly-Spiel“.
Wut und Frust ohne Ende
Die Wut und der Frust nahmen weiter zu: Es folgte der Protestmonat November, eine gewisse Herbstmüdigkeit war spürbar. Aber: Andere Heilberufler schließen sich an. Schließlich stehen nicht nur die Apothekenteams auf Kriegsfuß mit dem Minister. Auch andere im Gesundheitssystem Beschäftigte fühlen sich von ihm verraten. Als weiterer Erfolg muss verzeichnet werden, dass sich viele Landespolitikerinnen und -politiker den Forderungen der Apothekerschaft anschlossen – das Bündnis mit dieser politischen Ebene wurde gestärkt. Die ABDA will es nun nutzen.
Sie wird es brauchen. Denn der Widerstand im Bundestag ist geblieben. Mit dem Ampel-Chaos durch das Karlsruher Urteil zum Klima- und Transformationsfonds dürfte er sich verstärkt haben. Das Gesundheitsministerium zeigte vor den Juni-Protesten zu welch schmutzigen Tricks sie greifen können, als sie ein „Faktenblatt“ zur Situation der Apotheken veröffentlichten, um Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Lauterbach selbst verhöhnte die demonstrierenden Apothekenteams an diesem Tag in den sozialen Medien. Man darf sich darauf einstellen, dass dies nur der Anfang war, sollte die Apothekerschaft bei ihren Forderungen bleiben – und sie weiterhin laut und entschlossen vortragen. Viel anderes wird ihr aber wohl kaum übrig bleiben, wenn sie es mit ihrem Kampf für eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung ernst meint. |
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