Digitalisierung

Bewegung, Gesundheit und Achtsamkeit

Wie die DiGA „Pink Coach“ Brustkrebspatientinnen leitliniengerecht unterstützt

js | Die digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) „Pink Coach“ hilft Patientinnen (und den selten betroffenen Patienten) mit Brustkrebs, informiert sie über die Erkrankung und unterstützt sie im Alltag. Prof. Dr. Pia Wülfing gründete das Portal Pink. Sie ist Gynäkologin, spezialisierte sich über 20 Jahre auf das Thema Brustkrebs und leitete dabei die Onkologie in verschiedenen Brustzentren. Die DAZ sprach mit ihr darüber, auf welche Weise Pink Coach Brustkrebspatientinnen hilft, und warum das Wissen um DiGAs in Apotheken wichtig ist.

Prof. Dr. Pia Wülfing

DAZ: Was ist Pink?

Wülfing: Pink ist eine Online-Plattform für Patientinnen mit Brustkrebs. Dazu gehören mehrere digitale Angebote: Eine Webseite, ein Kongress, ein Psychoonkologiekurs und die DiGA Pink Coach.

DAZ: Wie unterstützt Pink Coach?

Wülfing: Brustkrebserkrankte haben im Praxisalltag oft sehr viele Fragen, die über die Therapie hinausgehen. Aus ihrer Not heraus fangen sie an zu googeln, was leider oft zu viel Verunsicherung führt, weil die Informationen falsch sind oder falsch eingeordnet werden. Die DiGA Pink Coach basiert auf fundierten wissenschaftlichen und leitliniengerechten Informationen. Patientinnen werden angeleitet und begleitet, zentral sind die Bereiche Bewegung, Ernährung und mentale Gesundheit. Dazu findet sich viel Infomaterial in Form von Videos, Artikeln und Webinaren in der Infothek von Pink Coach. Kernstück der DiGA ist dabei ein Coaching, das dem Nutzer Tagesziele (in der Regel fünf Stück) zu diesen zentralen Themen vorgibt. Die Ziele sind auf die Patientinnen zugeschnitten, das heißt es wird z. B. berücksichtigt, wie alt sie sind, ob sie sich in einer prä- oder postoperativen Situation befinden oder welcher Arzneimitteltherapie sie unterliegen.

DAZ: In Pink Coach gibt es auch einen Chatbot zu Nebenwirkungen, wie funktioniert das?

Wülfing: In dem Chatbot können Patientinnen ihre Beschwerden eingeben und erhalten eine Antwort, worauf diese zurückgeführt werden können. Der Chatbot ordnet die typischen Nebenwirkungen und Leitsymptome der gängigen Therapien ein und stellt sie in den Gesamtkontext. Beispielsweise erklärt er einer Patientin mit Knieschmerzen, dass der Grund der Schmerzen wahrscheinlich nicht eine (sehr selten auftretende) Knochenmetastase ist, sondern dass die Ursache der Schmerzen viel eher in trockenen Schleim­häuten liegt, einer Nebenwirkung der Chemo- oder Antihormontherapie.

DAZ: Ein weiteres Tool ist die Pink Community, in der sich Patienten vernetzen können. Wird das genutzt?

Wülfing: Die Community wächst dauerhaft. Je mehr Patientinnen und Patienten die DiGA verordnet bekommen, umso mehr treten auch der Community bei. Der große Vorteil ist, dass Patientinnen sich Postleitzahl-basiert mit anderen in der Region vernetzen können und auch altersbasiert suchen können, um Gleichgesinnte zu finden.

DAZ: Können Patienten über Pink Coach mit Ärzten kommunizieren?

Wülfing: Eine direkte Kommunikation mit Ärzten ist nicht möglich. Aber innerhalb der Infothek in der App werden Links zu Webinaren hinterlegt. Diese finden alle zwei Wochen statt und ich lade Experten ein, die einen kurzen Impulsvortrag halten. Patientinnen können im Chat ihre Fragen stellen.

DAZ: Sind die Patienten-Daten sicher?

Wülfing: Ja, das ist einer der großen Unterschiede einer DiGA im Vergleich zu irgendeiner Gesundheits-App. Um als DiGA zugelassen zu werden, muss diese das Regelwerk der Datenschutz-Grundverordnung einhalten, das wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überprüft. Wir selbst können auf die personenbezogenen Daten auch nicht zugreifen und alles muss über deutsche Server gehostet werden. Im Rahmen des Zulassungsprozesses mussten wir eine Hacker-Firma beauftragen, der es zum Glück nicht gelang, die Daten zu hacken. Diese sogenannten Penetrationstests müssen jährlich wiederholt werden. Datensicherheit ist neben der medizinischen Evidenz zentral beim Konzept der DiGA.

DAZ: Ist der positive Versorgungseffekt für Pink Coach bereits nachgewiesen?

Wülfing: Bevor eine DiGA überhaupt vorläufig gelistet werden darf, muss eine Pilotstudie stattgefunden haben. Dazu haben wir 60 Patienten rekrutiert, 40 erhielten die App Pink Coach sofort, 20 setzten wir auf eine Warteliste, die die DiGA erst nach drei Monaten erhielten. So konnten wir die Gruppen vergleichen. Die Studie zeigte, dass die psychische Belastung der Patientengruppe mit Pink Coach deutlich geringer war, die Fatigue war vermindert und die Patienten hatten eine bessere Lebensqualität. In der Validierungsstudie, die ein Jahr nach der vorläufigen Listung nachgereicht werden musste, konnten wir die Ergebnisse mit über 400 Patienten reproduzieren.

DAZ: Was sind die Probleme bei der Entwicklung einer DiGA? Warum gibt es nicht mehr dieser Anwendungen?

Wülfing: Ich denke der Hauptgrund liegt darin, dass man mit einer DiGA nicht schnell Gewinne erzielen kann. Das Risiko ist hoch und der Erlös gering. Zunächst klingt eine DiGA vielleicht lukrativ, da der Hersteller den Preis im ersten Jahr innerhalb der Gruppe selbst definieren kann. Bis aber die DiGA überhaupt in der Versorgung bekannt geworden ist, ist dieses Jahr schon vorbei. Auf dem Weg der Entwicklung gibt es viele Stolpersteine. Man muss eine klinische randomisierte Studie durchführen, dass können sich Entwickler oft nicht leisten. Überhaupt ist das Feld sehr neu und es gibt viele Unsicherheiten und Schwierigkeiten. Beispielsweise dürfen im Entwicklungsprozess auch keine bereits existierenden Programme oder Tools zur Datenanalyse von chinesischen oder amerikanischen Herstellern verwendet werden, alles muss von europäischen Entwicklern sein. Auch werden vom BfArM sehr viele An­forderungen gestellt, z. B. die Nutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit. Das ist natürlich richtig, aber auch sehr aufwendig, weil beispielsweise User-Tests gemacht werden müssen.

DAZ: Warum sollte man sich Ihrer Meinung nach auch in Apotheken mit dem Thema DiGA auseinandersetzen?

Wülfing: Apotheken sind für die Patientinnen wichtige Ansprechpartner vor Ort. Alle Informationen, die sie in Brustzentren bzw. von den Ärzten nicht erhalten haben, holen sie sich in der Apotheke. Durch ihre gute Beratung können diese wiederum ihre Vor-Ort-Kompetenz stärken.

DAZ: Eine DiGA kann ja auch ohne Rezept vom Patienten beantragt werden ...

Wülfing: Jeder mit einer gesicherten Diagnose kann bei seiner Kranken­kasse einen Freischaltcode für Pink Coach beantragen. Falls es dabei Probleme gibt, übernehmen wir gerne die Kommunikation mit den Kassen, auf unserer Webseite finden sich Kontaktdaten, an die sich Betroffene wenden können. |

 

Foto: Pink

Mehr zu Pink

  • Auf der Webseite www.pink-brustkrebs.de können Sie sich näher zu Pink informieren. Außerdem kann man dort kostenloses Informationsmaterial (Patienten-Flyer, Poster und Themenkarten) bestellen.
  • Auf DAZ.online gibt es auch eine Podcast-Folge zu Pink. Zum Reinhören einfach folgenden Webcode in die Suchfunktion auf DAZ.online eingeben: R6MF5

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