Arzneimittel und Therapie

Leitlinie „Atopische Dermatitis“ aktualisiert

Individuelle Triggerfaktoren erfassen statt ungezielt auf Allergien screenen

Die aktualisierte Leitlinie „Atopische Dermatitis“ ist erschienen – jetzt angehoben auf S3-Niveau. Im Fokus stehen neue zielgerichtete Systemtherapeutika, Patientenschulung und individuelle Triggerfaktoren. Prägnante Wirkstofftabellen bieten einen schnellen Überblick über die einzelnen Therapieoptionen, und Checklisten liefern klare Kriterien für die Systemtherapie.

Die Versorgungssituation der Neurodermitis hat sich im Bereich der Systemtherapie entscheidend verändert. Seit einigen Jahren bereichern ziel­gerichtete Biologika und Januskinase-Inhibitoren das Therapiespektrum der atopischen Dermatitis. Das berücksichtigt die aktualisierte, deutsche Leitlinie, die eine adaptierte, teils abgeänderte Fassung der englischsprachigen Leitlinie EuroGuiDerm on Atopic Eczema darstellt – ergänzt um zusätzliche Aspekte der deutschsprachigen Vorversion der S2k-Leitlinie aus 2015. Aufgrund der stärkeren methodischen Strenge, Unabhängigkeit, Objektivität und Qualität des Inhalts konnte die Leitlinie jetzt auf ein S3-­Niveau angehoben werden. Im Detail bewertet werden darin die modernen Systemtherapeutika, die eine deutlich stärkere Krankheitskontrolle als herkömmliche Immunsuppressiva erreichen. Zugelassen sind die beiden IgG4-Antikörper Dupilumab (Dupixent®) und Tralokinumab (Adtralza®) für die Langzeittherapie der mittelschweren bis schweren atopischen Dermatitis bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren, Dupi­lumab darüber hinaus auch bei der schweren atopischen Dermatitis bei Kindern ab sechs Monaten. Eine gleichwertige Empfehlungsstärke wie die beiden Antikörper erhalten auch die drei Januskinase(JAK)-Inhibitoren. Bari­citinib (Olumiant®) und Abrocitinib (Cibinqo®) sind bisher zugelassen für die mittelschwere bis schwere atopische Dermatitis bei Erwachsenen, Upadacitinib (Rinvoq®) darf bereits bei Patienten ab einem Alter von zwölf Jahren eingesetzt werden. Wichtig zu wissen für die patientenindividuelle Therapieauswahl: Biologika können durch ein geringes Nebenwirkungsspektrum und nicht erforderliche Laborkontrollen unter der Therapie punkten. Vorzüge der JAK-Inhibitoren sind die orale Applikation, ein schneller Wirkeintritt von ein bis zwei Wochen (im Vergleich: Dupilumab vier bis sechs Wochen, Tralokinumab vier bis acht Wochen) sowie eine kurze Halbwertszeit. Das bietet die Möglichkeit, die Therapie zeitnah zu unterbrechen, z. B. für eine Impfung, eine Operation oder bei einem Kinderwunsch.

Foto: Kostia/AdobeStock
Eine atopische Dermatitis kann beispielsweise durch IgE-vermittelte Allergien gegen Nahrungsmittel, Tierepithelien, Pollen oder Hausstaubmilben, aber auch psychischen Stress oder klimatische Faktoren, wie hohe Luftfeuchtigkeit, provoziert werden.

Wann eine Systemtherapie?

Die Checklisten im Anhang der neuen deutschen Leitlinie liefern klare Kriterien für eine systemische Behandlung. Hierfür kommen Patienten infrage, die einen hohen objektiven Schweregrad und eine hohe subjektive Belastung aufweisen und bei denen eine sachgerecht durchgeführte topische Therapie oder andere Systemtherapie nicht ausreicht. Neben der ursprüng­lichen Variante für die Erwachsenen finden sich jetzt auch Checklisten für Kinder (sechs Monate bis elf Jahre) und Jugendliche (12 bis 17 Jahre).

Zusätzliche Neuerungen

Die Leitlinie greift speziell besondere Situationen von Patientinnen auf wie Schwangerschaft, Stillzeit und Kinderwunsch. Prägnante Übersichtstabellen berücksichtigen auch diese Personengruppen und zeigen die wichtigsten Informationen rund um Dosierung, Monitoring und häufigste Nebenwirkungen zur topischen sowie zur antiinflammatorischen, systemischen Therapie inklusive Empfehlungsgrad. Hier ist anzumerken, dass sich die europäische und deutsche Leitlinie in den Empfehlungsgraden teilweise unterscheiden, z. B. beim Einsatz von Ciclosporin bei Erwachsenen und Kindern sowie von Antikörpern in Schwangerschaft und Stillzeit.

Weiterhin stellt das Leitlinien-Gremium die Relevanz von strukturierten und evaluierten Schulungsangeboten heraus. Hier lernen die Patienten, ihre Krankheit besser zu bewältigen. Vermittelt werden unter anderem Selbstmanagement-Strategien, Entspannungstechniken und verhaltens­therapeutische Maßnahmen. Ein weiteres Anliegen der Leitlinie ist es, Triggerfaktoren der atopischen Dermatitis individuell zu erfassen, statt auf ein ungezieltes „Allergie-Screening“ bei allen Patienten zu setzen. Erst bei relevanter und diagnostisch ge­sicherter Nahrungsmittelallergie soll eine Eliminationsdiät erfolgen und das auch nur für begrenzte Zeit. |

Literatur

Wollenberg A et al. EuroGuiDerm Guideline for the systemic treatment of Atopic Eczema. Leitlinie des EuroGuiDerm Centre for Guideline Development, Version 2.1, Stand: Dezember 2022, www.guidelines.edf.one/guidelines/atopic-ezcema

Aktualisierung „Systemtherapie bei Neurodermitis“. Aktualisierung der S2k-Leitlinie „Neurodermitis [atopisches Ekzem; atopische Dermatitis]“ der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft unter Beteiligung weiterer Fachgesellschaften, AWMF-Registernr.: 013-027, Februar 2020

Atopische Dermatitis. S3-Leitlinie der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft unter Beteiligung weiterer Fachgesellschaften, AWMF-Registernr.: 013-027, Juni 2023;

Apothekerin Dr. Ines Winterhagen

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