Aus den Ländern

Pharmazie trifft Politik

MdB Diana Stöcker und MdB Andreas Jung im Gespräch mit der Apothekerschaft

Apotheken sind für unsere Gesundheit da – mit Arzneimitteln und Beratung rund um die Uhr und an allen Tagen der Woche. Am 14. Juni dieses Jahres war das anders. Bundesweit blieben zahl­reiche Apotheken geschlossen. Auch im Landkreis Konstanz versammelten sich Apothekerinnen und Apotheker in Singen, um auf ihre aktuelle Situation aufmerksam zu machen. Die Kritik richtete sich dabei vor allem an die Politik in Berlin. Bundestagsabgeordneter Andreas Jung nahm diesen Ball auf und lud die regionale Apothekerschaft zu einem Gespräch mit Diana Stöcker, Bundestagsabge­ordnete aus Lörrach und Mitglied im Gesundheitsausschuss.
Foto: privat
Mitglieder des Deutschen Bundestags im Gespräch Apothekerinnen und Apotheker aus dem Raum Überlingen, Stockach, Radolfzell und Konstanz trafen sich mit Diana Stöcker (CDU/CSU, Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestages, erste Reihe 3. v. l.) und MdB Andreas Jung (CDU/CSU, zweite Reihe, 2. v. r.), um auf die verheerende Situation der Apotheken aufmerksam zu machen.

Schon zu Beginn des Gespräches machte Andreas Jung deutlich, dass es ohne Apotheken vor Ort nicht geht. Er wisse aber auch um deren schwierige Situation. Regale sind leer, nicht selten fehlen gängige Fiebersäfte für Kinder oder Antibiotika. Und würden Arzneimittel in der Rezeptur selbst hergestellt, „gibt es teilweise keine Vergütung“, berichtet Jung von einem Gespräch mit einer Apothekerin. Aus Sicht des Konstanzer Bundestagsabgeordneten ein unhaltbarer Zustand.

Ariel Wagner, der als PTA in der See-Apotheke in Bodman-Ludwigshafen arbeitet und mit Pinelopi Argiti, der dortigen Inhaberin, die Protestaktion der Apothekerinnen und Apotheker im Juni mitorganisiert hatte, pflichtete Jung bei. In einer ausführlichen Präsentation stellte Wagner die Probleme nochmals deutlich dar: Lieferengpässe bei Medikamenten, Personal- und Nachwuchsmangel, unzureichende Finanzierung und zu viel Büro­kratie. Sein Fazit: „Der Umgang mit der Berufsgruppe der Apothekerinnen und Apotheker ist schlicht unwürdig.“ Dabei richtete sich seine Kritik nicht nur an die Politik. Wesentlich mitverantwortlich für die schwierige Situation der Apotheken seien zudem die Kranken­kassen, die teilweise „wie ein Staat im Staate“ agieren würden. Dass deren 97 Vorstände, die pro Kopf bis zu 385.000 Euro Jahresgehälter aus dem Budget des Gesundheitswesens bezahlt bekämen, Sparmaßnahmen bei allen anderen Leistungserbringern fordern und diese mit provisionsbezahlten Kontrollen im Nachgang auch durchsetzen, zeige, dass hier jegliches Augenmaß verloren gegangen sei. Die Zeche zahle am Ende der Patient.

Diana Stöcker von der CDU/CSU-Fraktion nahm als Mitglied des Gesundheitsausschusses die Ausführungen dankend auf. Sie erinnerte daran, dass die Union insbesondere das Problem des Arzneimittelmangels schon frühzeitig erkannt und eine Reaktion angemahnt habe. „Wir haben die Bundesregierung bereits Anfang des Jahres aufgefordert einen Beschaffungsgipfel unter Beteiligung von Bund, Ländern, Ärzten, Apothekern und Pharmaherstellern einzuberufen, um alternative Beschaffungs­möglichkeiten aus­zuloten“, erklärte die Lörracher Bundestagsabgeordnete.

Mehr in das Können der Apothekerschaft vertrauen

Auch die Frage einer angemessenen Honorierung sei nicht neu. Viele Apotheken würden sehr viel Arbeit auf sich nehmen, um dafür zu sorgen, dass die Patienten die Medikamente bekommen, die in der Apotheke gerade nicht ihnen nicht vor­rätig sind. Dafür erhalten sie pro Fall nur 50 Cent Entschädigung. Das sei geradezu „peinlich“ und viel zu wenig für diese wichtige Aufgabe. Die Forderung der Arbeitsgruppe Gesundheit der Unionsfraktion liege mit 5 Euro bei dem zehnfachen Betrag. Zudem wolle man das Fixum, das die Apotheken als Honorar pro Rezept bekommen, von 8,35 auf 12 Euro anheben. Beides gebe der Bundeshaushalt aus Sicht der Unionspolitiker her. Am Ende sei es eine Frage der Priorisierung. Statt 700 Mio. Euro in die von Gesundheitsminister Karl Lauterbach neugeplanten Gesundheitskioske zu stecken, müsse das Geld besser in das be­stehende System der Vor-Ort-Versorgung der Patienten, z. B. auch in das Apothekennetz fließen.

Hitzig und intensiv wurde die Diskussion als es um das Prinzip der Nullretaxation ging. So komme es vor, dass eine Apotheke nach dem Verkauf eines Arzneimittels aufgrund eines fehlerhaften Rezeptes weder ihr Honorar noch den Warenwert von der Krankenkasse zurückerstattet bekomme. „Das derzeitige Retaxierungswesen der Kassen gegenüber den Apothekern ist der reinste Irrsinn“, erläuterte Stéphanie Haas-Komp an einem Beispiel aus ihrer Apotheke in Volkertshausen. Es könne nicht sein, dass die Apotheken das Risiko für einzelne Fehler auf dem Rezept tragen und voll dafür haften, ergänzte ihr Radolfzeller Kollege Michael Dohm. Der Stockacher Apotheker Dr. Michael Vetter, selbst Mitglied im Beirat des Landesapothekerverbandes, sieht mit der Einführung des E-Rezeptes eine weitere Verschärfung des Problems auf seinen Berufsstand zukommen. Aktuell würden rund 1500 zusätzliche Retaxations­gründe erstellt. Dieser Hinweis war auch für Diana Stöcker neu: „Das wusste ich noch nicht.“ Apotheker Vetter forderte ein Ende der Misstrauensbürokratie durch die Kranken­kassen und stattdessen mehr Vertrauen in das Können und Wissen seines Berufsstandes.

Einigkeit herrschte dagegen in der Frage einer Zurückverlagerung der Arzneimittelproduktion nach Europa. Die Bundesregierung müsse die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wichtige Arzneimittel wieder in Europa produziert werden können. „Jens Spahn hat zu Zeiten von Corona auf EU-Ebene erste Gespräche in diese Richtung geführt“, erklärte Diana Stöcker. Diese seien nach dem Regierungswechsel jedoch nicht fort­geführt worden.

„Uns hat dieser Abend auf jeden Fall etwas gebracht“, fasste Andreas Jung zusammen, die an­geregte Diskussion habe viele Hinweise für die Arbeit in Berlin er­geben. Nun sei konsequentes Handeln gefragt. |

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