Die gereizte Augenpartie pflegen

Juckt das Auge, kann man dem Reflex dieses zu reiben nicht immer widerstehen. Häufig juckt beispielsweise bei Pollenallergikern (deshalb) nicht nur die Bindehaut, sondern auch das Lid und die Haut rund um das Auge herum. Um diesen Teufelskreis aus Jucken und Reiben zu durchbrechen, beziehungsweise dem lästigen Jucken vorzubeugen, bieten einige Kosmetikmarken aus der Apotheke Pflegeprodukte für das allergische Auge an. Beispielsweise von La Roche-Posay gibt es in der Toleriane Dermallergo-Produktreihe eine Augencreme, die der Hersteller L‘Oréal für zu Allergien neigende Augenpartien empfiehlt [1]. Die Marke Allergika, die sich selbst als „Allergie Spezialist“ bezeichnet, hat ebenfalls eine Augenlidcreme Med im Angebot – zur „Behandlung von Lidekzemen“ [2]. Und die Marke Dermasence macht auf ihrem Internetauftritt explizit darauf aufmerksam, dass nicht nur die Schleimhäute von Augen und Nase bei Allergikern auf Pollen reagieren können, sondern auch die Haut. Mit Vitop forte Augenpflege bietet Dermasence ein Produkt an, das solchen Patienten helfen soll [3].

Während es sich bei den genannten Augencremes von La Roche-Posay und Dermasence um Kosmetika handelt, ist die Allergika-Augenlidcreme ein Medizinprodukt. Der Hersteller Allergika bewirbt es entsprechend nicht nur allgemein unter dem Stichwort Allergie, sondern konkret „zur Behandlung von atopischem, kontaktallergischem und irritativem Augenlidekzem“. Außerdem ist die Creme laut Anwendungsgebiet als Basistherapie zur Symptomlinderung bei Gesichtsdermatosen wie Psoriasis oder Rosazea geeignet [2].

Vorsicht Hautrisse am unteren Augenlid

Wer bei Augencremes aus der Apotheke zunächst nur an Produkte gegen Falten denkt, kann sein Beratungswissen im Bereich der medizinischen Hautpflege also noch erweitern. Das zeigt auch eine Pressemitteilung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) vom Mai 2020 [4]. Darin wird auf ein Wechselspiel zwischen Pollenallergie und Neurodermitis aufmerksam gemacht, das nicht nur besonderer medizinischer Hautpflege, sondern auch ärztlicher Aufmerksamkeit bedarf: Wer an Neurodermitis erkrankt ist, gilt nämlich als besonders anfällig für nicht-infektiöse Bindehautentzündungen. Es kann zur atopischen Keratokonjunktivitis kommen. Diese kann zunächst einer typischen Bindehautentzündung ähneln, zusätzlich können jedoch Verdickungen an der Lidkante, Schuppungen oder Falten sowie Hautrisse am unteren Augenlid auftreten. Bei schweren Verläufen kann die Hornhaut geschädigt werden. Im schlimmsten Fall kann es zu einer vollständigen Trübung der Hornhaut kommen – was zur Erblindung führt.

Als gemeinsame Ursache von Neurodermitis und atopischer Keratokonjunktivitis wird das Strukturprotein Filaggrin vermutet: „Bei Patienten mit Neurodermitis konnte sowohl in der Haut als auch in der Hornhaut eine fehlerhafte Filaggrin-Produktion nachgewiesen werden“, erläuterte 2020 Prof. Dr. Philip Maier von der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg [4]. Maier rät deshalb bei Vorbelastung durch Neurodermitis und Anzeichen einer Bindehautentzündung den Augenarzt aufzusuchen. Denn zur Therapie der atopischen Keratokonjunktivitis gehört nicht nur die tägliche Lidrandpflege, es können auch Gele oder Tränenersatzmittel oder antiallergische Augentropfen notwendig werden. Laut Maier sind zudem teils immunmodulatorische Augentropfen oder sogar chirurgische Eingriffe nötig.

Präventiv sollte dennoch die Behandlung der Grunderkrankung, die Neurodermitis, angegangen werden. Der dermatologische Blickwinkel erscheint also sinnvoll, auch weil durch Juckreiz bedingtes starkes Augenreiben Hornhautkomplikationen weiter fördern kann [4]. Was empfehlen dermatologische Leitlinien bei Ekzemen im Augenbereich?

Glucocorticoide am Auge – (k)eine gute Idee?

Erst im Juni 2023 ist die neue S3-Leitlinie „Atopische Dermatitis (AD) [Neurodermitis; atopisches Ekzem]“ erschienen. Dort wird auf das Thema Auge – oder dessen Lid – bei Neurodermitis zwar nicht gesondert eingegangen. Dennoch kann man dort beispielsweise nachlesen, dass topische Glucocorticoide grundsätzlich auch am Auge angewendet werden können. Allerdings gibt es vereinzelte Berichte über eine Erhöhung des Augeninnendrucks als Nebenwirkung. Grundsätzlich ist zudem daran zu denken, dass starke topische Glucocorticoide im Gesicht bei unangemessener Langzeitanwendung zu einer Rosazea-ähnlichen Dermatitis oder perioralen Dermatitis führen können.

Dass topische Glucocorticoide nicht nur in Augennähe zu einer Hautatrophie führen können, dürfte allgemein bekannt sein. Topische Calcineurin-Inhibitoren werden deshalb für empfindliche Körperstellen – wie die Augenlid­region – in der Leitlinie als den topischen Glucocorticoiden überlegen beschrieben. Tacrolimus-Salbe oder Pimecrolimus-Creme induzieren demnach keine Hautatrophie und sind somit auch für eine Langzeitbehandlung geeignet. Gewisse Sicherheitsaspekte gilt es aber auch dort zu bedenken.

Neurodermitis-Basistherapeutika fürs Auge?

Nicht nur wegen solcher Sicherheitsbedenken steht im Zentrum jeder Neurodermitis-Behandlung die Basistherapie mit (Wirkstoff-freien) Emollienzien. Deren alleinige Anwendung kann bei mildem Schweregrad in Einzelfällen sogar ausreichend sein. In der Leitlinie findet man einige Hinweise darauf, wie solche Emollienzien zusammengesetzt sein sollten. Im Gesicht sollen demnach keine zu fettenden Präparate angewendet werden. Dennoch ist die Lipidphase zur Stärkung der Hautbarriere essenziell.

Einen Überblick über Inhaltsstoffe von Basispflege-Produkten für neurodermitische Haut gibt auch die S2k-Leitlinie zum „Gebrauch von Präparationen zur lokalen Anwendung auf der Haut“ (Stand 2017 und seit Oktober 2022 in Über­arbeitung). Dort werden für die Lipidphase als gängige Inhaltsstoffe Ceramide und Phospholipide (Lecithine) aus Pflanzenölen genannt, wie Sojaöl oder Sheabutter. Einer der wichtigsten Inhaltsstoffe der Wasserphase bei atopischer Haut ist Glycerin [5, 6]. Wirft man einen Blick auf die Inhaltsstofflisten der eingangs genannten Augencremes, wird deutlich: Sie alle enthalten Glycerin. Als Lipidphase ist außerdem beispielsweise in der Augencreme von La Roche-Posay sowie von Dermasence Sheabutter enthalten.

Apotheken, die viel Kosmetik anbieten, werden sich vielleicht fragen, ob es von anderen apothekenüblichen Marken keine entsprechenden Augencremes gibt. Eucerin beispielsweise hat tatsächlich keine Augencreme, die die Marke im Zusammenhang mit Pollenallergie bewirbt. Allerdings widmet Eucerin-Hersteller Beiersdorf der „Neurodermitis am Auge“ eine ganze Internetseite. Dort wird die Atopi Control Gesichtscreme empfohlen, die auch „bei zu Lidekzem neigender Haut geeignet“ sein soll. Auch hier sind Glycerin und beispielsweise Ceramide enthalten. Ein spezielles Produkt für die Indikationen Lidrandekzem oder Neurodermitis am Auge führt Eucerin jedoch nicht [7, 8, 9].

Auch die Kosmetikmarke Avène widmet sich mit einer Internetseite dem Thema Neurodermitis am Auge, und zudem mit einem zweiten Internetauftritt dem Augenlid­ekzem. Auf beiden wird das XeraCalm A.D Anti-Juckreiz Konzentrat empfohlen, das neben Gesicht und Körper auch „sehr gut für die Augenlider geeignet“ sein soll. Neben Glycerin ist beispielsweise ein bakterielles Lysat aus Aquaphilus dolo­miae enthalten, womit das Präparat laut Neurodermitis-Leitlinie zu den „Emollienzien plus“ bei einer Basistherapie zählt [5, 10, 11, 12]. Der Neurodermitis am Auge widmet zudem die Marke Physiogel einen eigenen Internetauftritt. Dort wird die Physiogel^® Calming Relief A. I. Creme empfohlen. Sie soll nicht nur für die Augen, sondern den ganzen Körper geeignet sein. Als Inhaltsstoffe sind beispielsweise Glycerin und Lecithin enthalten [13].

Weitere Beispiele für Augenlidcremes

Bei zu Allergien neigender Haut bietet die Marke Medi­pharma Cosmetics innerhalb der Produktlinie Dermastabil eine Augenlidcreme an. Auch hier ist beispielsweise Glycerin und Sheabutter enthalten. Außerdem wird die Creme mit dem Inhaltsstoff Ectoin beworben, der auch in Augentropfen zum Einsatz kommt [14]. Laut ABDA-Datenbank ist Ectoin ein „natürliches, zellschützendes Molekül mit entzündungslindernden und membranstabilisierenden Eigenschaften“ [15].

Zudem gibt es von der Marke Benevi eine Augenlidcreme, die als vorbeugende Lidpflege gegen Hautreizungen und Lidekzem deklariert wird. Die Marke Ceramol bietet sowohl eine Augenlidcreme für gereizte Augenlider an als auch eine speziell für die Pflege atopischer und allergischer Haut. In allen drei zuletzt genannten Präparaten findet man unter anderem wieder Glycerin und Sheabutter auf der Inhaltsstoffliste [16, 17, 18]. Auf andere Inhaltsstoffe scheint die Firma Leti Pharma mit ihrem AT4 Augenlid Gel zu setzen. Es wird etwa mit den Wirkstoffen Lilien-Extrakt, Algen-Extrakt und Leindottersamenöl beworben [19]. Die Atoderm Intensive Eye-Creme von Bioderma enthält zwar auch unter anderem Glycerin und pflanzliche Öle, wird aber nicht nur als Pflege bei atopischer Haut, sondern auch zum Abschminken empfohlen. Eine Kombination aus drei Ölen soll helfen Make-up zu entfernen [20]. Von der Marke A-Derma wird der Exomega Allergo sterile Kosmetik Rückfettender Balsam auch für die Anwendung auf den Augenlidern bei atopischer Haut empfohlen. Er lässt sich entsprechend der Neuro­dermitis-Leitlinie den Emollienzien plus zuordnen, weil er Junghafer-Extrakt enthält [5, 21].

Die Kosmetika sind damit in der Überzahl. Doch neben Allergika bietet auch die Marke Ducray ein Medizinprodukt „zur Behandlung von atopischen Ekzemen oder Kontakt­ekzemen auf den Augenlidern“ an. Bei der Augencreme Pure der Marke Siriderma handelt es sich zwar wieder um Kosmetik, sie wird jedoch wie das Produkt von Allergika damit beworben, neben Neurodermitis und bei zu Allergien neigender Haut auch bei Rosazea und Psoriasis geeignet zu sein. Auch in der Dexyane Med Augenlidcreme von Ducray sowie in der Augencreme von Siriderma ist beispielsweise Glycerin und Sheabutter enthalten [22, 23].

Rosazea und Psoriasis am Auge

Die Rosazea äußert sich zu Beginn vor allem durch Erytheme im Bereich Nase, Wangen, Kinn und Stirn. In allen Schweregraden der Hauterkrankung kann laut Leitlinie zusätzlich oder isoliert eine Augenbeteiligung vorliegen. Eine okuläre Rosazea äußert sich vor allem durch Lidrandentzündungen, Meibom-Drüsen-Funktionsstörung und entzündliche Veränderungen der Augenoberfläche. Deshalb steht die Lidrandhygiene bei der Therapie im Vordergrund. Daneben werden Augentropfen mit Ciclosporin oder Azithromycin, Cremes mit Ivermectin oder Metronidazol sowie systemische Arzneimittel wie Doxycyclin, Azithromycin und andere Makrolide eingesetzt. Unabhängig von der Lokalisation werden zur Pflege bei Rosazea leichte/hydrophile Hautpflegepräparate empfohlen. Explizit gemieden werden sollten „durchblutungsfördernde und ‚Anti-Aging‘-Kosmetika, sowie auch Kosmetika für trockene und atopische Haut (mit zu hohem Fettanteil) und für unreine Haut“ [24].

Der Berufsverband der Augenärzte Deutschland e. V. machte 2016 darauf aufmerksam, dass bei Psoriasis das Auge mit betroffen sein kann. Vor allem bei der Psoriasis-Arthritis sei eine Beteiligung der Augen zu beobachten, hieß es – wobei alle Regionen von der Lid- und Bindehaut bis zum Augen­inneren betroffen sein könnten [25]. Die aktuelle S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris geht nicht speziell auf die Augen-Problematik ein, eine Leitlinie zur Psoriasis-Arthritis soll erst 2024 erscheinen [26, 27]. Laut einem Übersichtsartikel von 2022 wird bei Psoriasis – zusätzlich zur medikamentösen Therapie – eine Basispflege mit Harnstoff-haltigen bzw. Salicylsäure-haltigen topischen Präparaten empfohlen [28]. Solche Präparate eignen sich also eher nicht für die Augenpartie, was wohl erklärt, warum es im Handel kaum Produkte mit entsprechender Zweckbestimmung gibt. So informiert zum Beispiel der Kosmetik-Hersteller Avène auf seinen Internetseiten, dass Psoriasis im Gesicht eher selten ist. Es kann aber vorkommen, dass Augenlider und Bereiche zwischen den Augenbrauen betroffen sind. Avène empfiehlt dann – wie bei Neurodermitis und Lidekzem – zum Beispiel das Anti-Juckreiz-Konzentrat seiner Xeracalm-Serie [29].

Insgesamt gibt es in der Apotheke zahlreiche medizinische Hautpflegeprodukte für die Augen, die jedoch je nach zugrunde liegendem Erkrankungsbild unterschiedlich zu bewerten sind. |