Arzneimittel und Therapie

Neues Target bei atopischer Dermatitis

Längere Dosisintervalle durch Eingriff in den OX40-Signalweg möglich

Ein neues Angriffsziel in der Behandlung der Neurodermitis ist der OX40-Signalweg. Zu den potenziellen Wirkstoffen Amlitelimab und Rocatinlimab liegen positive Studien­ergebnisse vor. Die beiden gegen OX40 gerichteten Antikörper unterscheiden sich in ihrem Wirk­mechanismus und im bisherigen Entwicklungsstand.

In der Therapie der atopischen Dermatitis (AD) hat sich in den letzten Jahren viel getan. Große Fortschritte brachten die beiden Antikörper Dupilumab und Tralokinumab sowie die­Januskinase-Inhibitoren Abrocitinib, Baricitinib und Upadacitinib. Doch trotz der neuen Therapieoptionen besteht bei einigen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis weiterer Behandlungsbedarf. Hier verspricht ein neuer Ansatz Hoffnung: die Hemmung des OX40-Signalwegs mit den beiden Antikörpern Amlitelimab und Rocatinlimab. Sie greifen früher in die Entzündungsreaktion ein als die bisherigen Wirkstoffe.

OX40-Inhibitoren

Im Immunsystem spielen T-Zellen eine wichtige Rolle. Bei Patienten mit atopischer Dermatitis fördern sie eine verstärkte Immunantwort mit nachfolgender Entzündung und Juckreiz. Gestoppt werden kann dieser Teufelskreis über eine Hemmung des OX40-Signalwegs. Die Interaktion zwischen dem ko-stimulatorischen T-Zell-Rezeptor OX40 und seinem Liganden OX40L ist ganz zentral im Krankheitsgeschehen. Denn die OX40L-induzierte Signalübertragung fördert das Überleben und die Aktivierung von verschiedenen T-Helferzellen (Th), die an der Pathogenese der atopischen Dermatitis beteiligt sind. Genau an diesem OX40-Signalweg setzen die neuen OX40-­Inhibitoren an. Während Rocatinlimab OX40-­exprimierende Zellen hemmt und deren Anzahl reduziert, bindet Amlitelimab den OX40-Liganden und blockiert auf diese Weise die Wechselwirkung mit dem OX40-Rezeptor. In beiden Fällen wird die Entzündungs­reaktion eingebremst. Beachtenswert ist: Amlitelimab regelt nicht nur die Th-2-Inflammation herunter, sondern hat auch Einfluss auf Th-1-, Th-17- und Th-22-Signalwege, die ebenfalls zum Entzündungsgeschehen bei atopischer Dermatitis beitragen.

Positive Studienergebnisse: Verbesserung der EASI-Scores

Beide OX40-Inhibitoren haben bisher vielversprechende Studienergebnisse geliefert. Rocatinlimab wurde erforscht in einer Phase-IIb-Studie (NCT03703102) bei 274 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Neuro­derm­itis, Amlitelimab in der multizentrischen Phase-IIb-Studie STREAM-­AD (NCT05131477) an 390 Erwachsenen. In beiden Studien erreichten die Patienten nach 16 Wochen den primären Endpunkt: Das war, verglichen mit Placebo, eine signifikante prozentuale Verbesserung des Ekzemflächen- und Schwere­gradindex (EASI) gegenüber dem Ausgangswert – bei allen erprobten Subkutan-Dosierungen und Dosis­intervallen. Neben der verbesserten Haut ließ auch der Juckreiz entscheidend nach. Nach Therapieende hielt die Wirksamkeit von Rocatin­limab bei den meisten Patienten über 20 Wochen an, bei Amlitelimab sogar über sechs Monate. Als Nebenwirkung kam es unter Rocatinlimab zu Fieber, Schüttelfrost, Nasopharyngitis und Verschlechterung der atopischen Dermatitis. Amlitelimab wurde gut vertragen, es gab keine Überempfindlichkeitsreaktionen.

Fazit

Beide OX40-Inhibitoren zeigten eine rasche und deutliche klinische Ver­besserung bei Patienten mit moderater bis schwerer atopischer Dermatitis. Das langanhaltende Ansprechen auch weit über das Behandlungsende hinaus schafft die Möglichkeit für aus­gedehnte Dosisintervalle. Diese spannenden Ergebnisse müssen jetzt allerdings in weiteren Untersuchungen bestätigt werden. Für Rocatinlimab läuft zurzeit bereits eine placebokontrollierte Phase-III-Studie (NCT05398445, ROCKET-IGNITE, Fa. Amgen in Zusammenarbeit mit Kyowa Kirin), für Amlitelimab (Fa. Sanofi) ist eine solche zumindest geplant. |


Literatur

A Study Assessing Rocatinlimab (AMG 451) Monotherapy in Moderate-to-severe Atopic Dermatitis (AD) (ROCKET-Horizon) (ROCKET-Horizon). Studienregister Clinical­Trials.gov, Registernummer: NCT05651711

A Study Evaluating Rocatinlimab in Moderate-to-severe Atopic Dermatitis (ROCKET-IGNITE) (ROCKET-Ignite). Studienregister ClinicalTrials.gov, Registernummer: NCT05398445

Guttman-Yassky E et al. An anti-OX40 antibody to treat moderate-to-severe atopic dermatitis: a multicentre, double-blind, placebo-controlled phase 2b study. Lancet 2023;401(10372):204-214, doi: 10.1016/S0140-6736(22)02037-2

Lé AM, Torres T. OX40-OX40L Inhibition for the Treatment of Atopic Dermatitis – Focus on Rocatinlimab and Amlitelimab. Pharmaceutics 2022;14(12):2753, doi: 10.3390/pharmaceutics14122753

Maucher IV. Neue Ergebnisse für Amlitelimab bei Neurodermitis. Informationen von Gelbe Liste Online, 30. Juni 2023, www.gelbe-liste.de/dermatologie/amlitelimab-ox40-neurodermitis

Positive topline Phase 2b data in atopic dermatitis support amlitelimab as a potential first and best-in-class novel investigational anti-OX40-ligand monoclonal antibody. Pressemitteilung von Sanofi, 27. Juni 2023, www.sanofi.com/en/media-room/press-releases/2023/2023-06-27-05-30-00-2694938

Studie testet die Wirkung von KY1005 gegen mittelschwere bis schwere atopische Dermatitis, die STREAM-AD-Studie (STREAM-AD). Informationen der Kymab Limited, 17. Juli 2023, ichgcp.net/de/clinical-trials-registry/NCT05131477

Study of an Anti-OX40 Monoclonal Antibody (KHK4083) in Subjects With Moderate to Severe Atopic Dermatitis. Studienregister ClinicalTrials.gov, Registernummer: NCT03703102

Wohlmuth-Wieser I. Amlitelimab – ein neuer Ox40-Antikörper bei atopischer Dermatitis. Informationen von MedMedia, 30. September 2021, www.medmedia.at/congress-x-press/eadv/amlitelimab-ein-neuer-ox40-antikoerper-bei-atopischer-dermatitis/

Apothekerin Dr. Ines Winterhagen

Das könnte Sie auch interessieren

Neue Wirkstoffe gegen atopische Dermatitis im Markt und in der Pipeline

Blick in die Zukunft

Pathogenese und leitliniengerechte Therapie der atopischen Dermatitis

Juckreiz, Schuppen, Rötung

Tralokinumab bietet neue Perspektiven bei atopischer Dermatitis

Hilfe für die entzündete Haut

Aktualisierte europäische Leitlinie empfiehlt Biologika und JAK-Inhibitoren

Was gibt es Neues bei atopischer Dermatitis?

Neuer Interleukin-13-Antikörper bessert die Lebensqualität

Lebrikizumab gegen atopische Dermatitis

Ein Head-to-head-Vergleich bei ­atopischer Dermatitis

Upadacitinib sticht Dupilumab

Ein-Jahres-Daten bei Neurodermitis

Upadacitinib punktet bei atopischer Dermatitis

Cochrane-Analyse vergleicht Wirksamkeit und Sicherheit topischer Arzneimittel

Welches Dermatikum hilft bei Neurodermitis am besten?

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.