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Hintergrund

Doppelt kompliziert

Wie der Übergang zum Erwachsensein mit chronischer Krankheit gelingt

Die Pubertät ist eine schwierige Lebensphase. Noch schwieriger wird es, wenn der oder die Jugendliche chronisch krank ist und einen erhöhten Versorgungsbedarf hat. Häufig ist der Übergang ins Erwachsenenleben mit einer Verschlechterung der Versorgung und damit des Gesundheitszustandes des jungen Patienten verbunden. | Von Daniela Leopoldt 

Der Übergang vom Jugend- ins Erwachsenenalter ist häufig mit Konflikten behaftet. Der Drang nach Unabhängigkeit ist bei den Jugendlichen stark, und gut gemeinte elterliche Ratschläge sind nicht immer willkommen. Das ist bei chronisch kranken Kindern und Jugendlichen nicht anders. Sie haben die gleichen Probleme wie ihre gleichaltrigen, gesunden Freunde. Sie möchten sich von den Eltern loslösen, unabhängig sein und vieles anders machen als von den eigenen Eltern erwartet und vorgelebt. Hinzu kommen, je nach individueller Situation, Schwierigkeiten, die mit der Erkrankung zusammenhängen. Meistens sind sie mit einem, im Vergleich zu gesunden Jugendlichen, erhöhten Versorgungsbedarf assoziiert, der auch mit dem Übergang ins Erwachsenenleben bestehen bleibt. Lediglich Rahmenbedingungen und Strukturen ändern sich. Genau das ist oft ein Problem sowohl für die Jugendlichen selbst als auch für die Eltern. Um eine gleichbleibend gute Versorgung zu gewährleisten und den Übergang von der Kinder- zur Erwachsenenmedizin, die sogenannte Transition, möglichst komplikationslos zu gestalten, sind zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen, die auch in der noch relativ jungen S3-Leitlinie „Transition von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin“ zusammengefasst sind.

Zahlreiche Jugendliche betroffen

Fast 14% aller Jugendlichen in Deutschland haben aufgrund einer Erkrankung einen speziellen gesundheitlichen Versorgungsbedarf. Zu den häufigeren chronischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter gehören z. B. Typ-1-Diabetes, Asthma bronchiale, Neurodermitis, rheumatische Erkrankungen und Epilepsie. Seltener treten angeborene Herz­fehler, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen oder Mukoviszidose (cystische Fibrose) auf, um nur einige zu nennen. Aufgrund der besseren medizinischen Versorgung erreichen heutzutage sehr viel mehr chronisch kranke Kinder und Jugendliche das Erwachsenenalter und werden deutlich älter als noch vor einigen Jahren. So gibt der Bundesverband Cystische Fibrose (Mukoviszidose e. V.) an, dass doppelt so viele Mukoviszidose-Patienten das Erwachsenenalter erlangen als vor 20 Jahren. Die Lebenserwartung von Neugeborenen mit Mukoviszidose ist zuletzt deutlich gestiegen und beträgt 57 Jahre. Auch Kinder mit psychischen Erkrankungen wie z. B. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hypera­ktivitätsstörungen (ADHS) gehören zum Kreis der chronisch Kranken mit besonderem Versorgungsbedarf. Im weiteren Sinne sind auch diejenigen von der Problematik betroffen, die sich nach einer schweren Erkrankung wie z. B. Blutkrebs oder einer Organtransplantation in Nachsorge befinden. Sie gelten formal nicht als chronisch krank, müssen sich aber regelmäßig multidisziplinären Untersuchungen und/oder Behandlungen unterziehen. Für Jugendliche, die aufgrund ihrer körperlichen und/oder geistigen Einschränkung auch im Erwachsenenalter weiterhin auf Unterstützung angewiesen sind, gelten die hier ausgeführten Aspekte nur bedingt, da Eltern/Betreuer nach wie vor in Behandlungen und Schulungen einbezogen werden müssen [1 – 4].

Frage nach dem „Wer bin ich?“

Das Erwachsenwerden ist mit einem neuen Körpergefühl sowie der Auseinandersetzung mit Geschlecht und Sexualität verbunden. Neue Freundschaften und (Liebes-)Beziehungen entstehen und sind wichtig für die emotionale Stabilität. Die Jugendlichen nehmen körperliche Veränderungen wahr und vergleichen sich mit Gleichaltrigen, insbesondere bezüglich ihres Aussehens und ihrer Funktionalität. Viele chronisch Kranke stellen dabei fest, dass sie von der „Norm abweichen“. Die Betroffenen nehmen ihr Anderssein bewusst wahr, und oftmals wird ihnen erst jetzt so richtig klar, was es heißt, chronisch krank zu sein. Das kann mit zusätzlichen psychischen Belastungen und psychischen Auffälligkeiten, wie Ess- oder Angststörungen oder Depressionen, verbunden sein. Zu den krankheitsbedingten Einschränkungen/Behinderungen kommen z. B. häufige Arztbesuche, therapeutische Termine, psychosoziale Betreuung und regelmäßige Arzneimittelanwendungen. Das alles ist unbequem und zeitaufwendig und passt nicht zum Tagesablauf und den Träumen eines Jugendlichen. Ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Verantwortungsbewusstsein ist für das Krankheitsmanagement erforderlich. Das ist aber nicht immer gegeben und steht im Widerspruch zu der in diesem Alter stark ausgeprägten Risikobereitschaft und dem oft gesundheitsschädlichen Lebensstil (z. B. Alkohol-, Nicotin- und Drogenkonsum, Schlafdefizit, „Junk food“) [4, 5].

Angst vor Stigmatisierung

Das Bedürfnis nach einem unbeschwerten jugendlichen Lebensstil lässt sich oft nur schwer mit den Erfordernissen einer chronischen Erkrankung in Einklang bringen. Die Jugendlichen wollen zur Peergroup dazugehören und haben Angst vor Stigmatisierung. Daher nehmen sie einiges in Kauf, lassen notwendige Arzneimittel weg, verpassen Arztbesuche oder konsumieren Nicotin, Alkohol und Drogen. Dazu kommen Risikofehleinschätzungen, z. B. aufgrund mangelnder Erfahrungen, möglicherweise aber auch wegen neurophysiologischer Entwicklungen insbesondere im Bereich des Frontalhirns. Das Verhalten vieler Betroffener ist in dieser Phase von einer Vermeidungs- und Verleugnungstaktik geprägt, häufig verbunden mit einem Wunschdenken. Mangelnde Therapieadhärenz und Behandlungsabbrüche führen dann zu einer Verschlechterung der Situation des Patienten. Mehr oder weniger schnell können auch lebensbedrohliche und/oder irreversible Gesundheitsschädigungen resultieren [4, 5].

Transition meist unkoordiniert

Seit ihrer Kindheit wurden die Jugendlichen zusammen mit den Eltern von einem Kinderarzt oder pädiatrischen Team betreut, und über die Jahre ist ein besonderes Vertrauensverhältnis entstanden. In der Regel waren die Eltern Haupt­ansprechpartner für den Arzt. Sie trugen die Verantwortung für alles im Zusammenhang mit der Behandlung und trafen die Entscheidungen. Mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter steht nun ein Arztwechsel in die Erwachsenenmedizin an. Dabei sollte der genaue Zeitpunkt des Transfers nicht starr an den 18. Geburtstag gekoppelt sein, sondern unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Patienten und der Erkrankung festgelegt werden. Dann ist der junge Patient alleiniger Ansprechpartner für den neuen Arzt und sollte befähigt sein, das Behandlungsmanagement selbst zu übernehmen und (gemeinsam mit dem Arzt) medizinische Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Nur selten ist das jedoch der Fall. In der Praxis werden vielfach ungeplante und diskontinuierliche Transitionsprozesse beobachtet, und bei zahlreichen Patienten mit chronischen Erkrankungen gelingt der Übergang von der Jugend- in die Erwachsenenmedizin nicht. Häufig kommt es zu Behandlungsabbrüchen und einer Verschlechterung der Versorgung. Nach Angaben in der S3-­Leitlinie verlieren bis zu 40% der jungen Patienten während der Transition den Anschluss an die erforderliche Spezialversorgung. Das ist mit zahlreichen individuellen gesundheitlichen Risiken verbunden (siehe Kasten „Gesundheitsrisiken durch die Transition“) [1, 2, 6, 7].

Gesundheitsrisiken durch die Transition

Beispiele für in Studien nachgewiesene individuelle Gesundheitsrisiken chronisch kranker Jugendlicher im Rahmen der Transition [1]:

  • höhere Rate an Transplantatverlusten und erneute Dia­lyse bei Nierentransplantierten
  • unregelmäßige Einnahme immunsuppressiver Arz­nei­­mittel nach Lebertransplantationen
  • fehlende Spezialversorgung bei zahlreichen Er­wa­­ch­se­nen mit angeborenen Herzfehlern, juveniler idiopathischer Arthritis und Typ-1-Diabetes
  • steigende HbA1c-Werte und erhöhte Rate diabetischer Ketoazidosen, schwerer Hypoglykämien und mikrovaskulärer Komplikationen bei Typ-1-Diabetes
  • Verschlechterung der glykämischen Kontrolle und mangelnde Betreuung bei Typ-2-Diabetes

Individualisierter Transitionsplan

Entscheidend für eine erfolgreiche Transition und ununterbrochene Gesundheitsversorgung ist eine gute Vorbereitung. Damit sollte möglichst frühzeitig, spätestens aber mit dem Eintritt in die Pubertät, begonnen werden. Hier sind vor allem die Kinderärzte gefragt. Die Jugendlichen müssen wissen, was sich mit der Transition für sie ändert, und für den Übergang in die Erwachsenenmedizin sensibilisiert und motiviert werden. Mit zunehmender Reife sollten sie deshalb schrittweise Hauptansprechpartner für das pädiatrische Behandlungsteam werden, und es sollten Arzt-Patienten-­Gespräche auch ohne Eltern stattfinden. Das stärkt nicht nur die Selbstverantwortung des jungen Patienten, sondern öffnet den Raum, neu auftretende sensible Themen wie Sexualität oder Alkohol- und Drogenkonsum vertraulich zu besprechen. Die wenigsten Jugendlichen kennen sich mit den Strukturen und Besonderheiten des Gesundheitssystems aus. Um den Transitionsprozess erfolgreich zu gestalten, sollte für jeden Betroffenen ein individualisierter strukturierter Transitionsplan erarbeitet werden, in dem einzelne Maßnahmen definiert und terminiert sind. Dabei ist es wichtig, realistische individuelle Ziele zu setzen. Neben medizinischen Belangen muss auch auf psychosoziale, schulische und berufliche Aspekte eingegangen werden (siehe Kasten „Was beschäftigt chronisch kranke Jugendliche?“) [1, 2].

Was beschäftigt chronisch kranke Jugendliche?

Themenbeispiele, die für chronisch kranke Jugendliche im Rahmen der Transition relevant sind und die im Transitionsprozess berücksichtigt werden müssen [8, 9]:

  • Einfluss der Krankheit auf die körperliche Entwicklung
  • Sexualität und Familienplanung
  • Berufswahl/-ausübung
  • Führen von Kraftfahrzeugen
  • Alkohol-, Nicotin- und Drogenkonsum
  • Schlafdefizite bzw. unregelmäßiger Schlafrhythmus
  • Ernährung
  • Auszug aus dem Elternhaus und eventuell Wohnortwechsel
  • Ende der Schulzeit und Änderung des sozialen Umfelds
  • Neue Freundschaften
  • Leben als Single oder in einer Partnerschaft
  • Wahrnehmung des Risikos für Folgeerkrankungen

Spezielle Schulungen

Zur Unterstützung des Transitionsprozesses gibt es inzwischen einige speziell ausgearbeitete Programme und Schulungen, die den Patienten und ihren Eltern angeboten werden sollten. So setzt das krankheitsübergreifende Schulungsprogramm „Fit für den Wechsel: Erwachsen werden mit chronischer Krankheit“ des Kompetenznetzes Patientenschulung im Kindes- und Jugendalter e. V. (KomPaS) an personellen Transitionsbarrieren an. Darüber hinaus gibt es das indikations- und regionsübergreifende strukturierte „Berliner Transitionsprogramm“. Zu den Schulungsprogrammen, die auf spezielle Krankheitsbilder ausgerichtet sind, gehören z. B. „Mein Rheuma wird erwachsen“ von der Deutschen Rheuma-­Liga und „Endlich erwachsen“ für nierenkranke und nierentransplantierte Jugendliche und deren Angehörige [1, 2, 8].

Erster Termin beim neuen Arzt

Eine der Hürden ist es, einen neuen Arzt zu finden. Nicht jeder Jugendliche ist mit dem Konzept von Hausarzt und Spezialisten vertraut. Hat die Familie bislang noch keinen Hausarzt, ist spätestens jetzt ein guter Zeitpunkt, sich einen zu suchen. Idealerweise kann der Kinderarzt einen weiterbetreuenden (Fach-)Arzt empfehlen. Oftmals sind Selbsthilfegruppen/-vereine oder Tipps aus dem Bekanntenkreis hilfreich. Der junge Patient sollte sich auf den ersten Besuch beim neuen Arzt gut vorbereiten. Eventuell müssen Informationen von Eltern und Kinderarzt eingefordert werden, z. B. in Form eines Arztbriefes. Nur so ist gewährleistet, dass alle wichtigen Daten bezüglich Krankheitsverlauf, bisheriger Behandlung, Besonderheiten und Komplikationen, Erkrankungen in der Familie etc. an den weiterbehandelnden Arzt übermittelt werden. Häufiger Arztwechsel sollte vermieden werden [1, 5].

Eltern als Coach

Den Eltern kommt im Laufe des Transitionsprozesses zunehmend die Rolle eines Beraters zu. Sie müssen lernen, loszulassen und Verantwortung abzugeben. Oftmals haben Eltern Angst, ihre Beschützerrolle zu verlieren und nicht mehr in die Behandlung einbezogen zu werden. Nicht zu Unrecht befürchten sie eine Verschlechterung der Behandlung. Aber, ab dem Eintritt ins Erwachsenenalter kann „das Kind“ entscheiden, ob und wie weit die Eltern in die Behandlung einbezogen und informiert werden. Eltern können in dieser Transitionsphase eine große Unterstützung sein und helfen, die Transition erfolgreich zu gestalten. Sie können nicht nur Erinnerungshilfen geben, sondern wichtigste Berater bezüglich Gesundheit/Krankheit des eigenen Kindes sein. Eine vertrauensvolle Beziehung des Jugendlichen zu den Eltern ist dazu jedoch unabdingbar. Mithilfe spezieller Schulungen (z. B. Transitionsmodul „Fit für den Wechsel“) können übertriebene Ängste auf beiden Seiten abgebaut und Eltern einbezogen werden. Wichtiges Ziel ist es, sowohl Jugendliche als auch Eltern zur Informationssuche z. B. über Selbsthilfegruppen, spezielle Websites, Informationsangebote von Krankenkassen etc. zu befähigen. Dr. Gundula Ernst von der Medizinischen Hochschule Hannover, eine der Autoren der S3-Leitlinie „Transition von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin“ vergleicht Eltern mit einem Coach beim Sport: „Dieser bereitet seine Schützlinge lange auf einen Wettkampf vor und bringt ihnen die Dinge bei, die sie dafür brauchen. Wenn es dann so weit ist, muss der Schützling den Wettkampf alleine bestreiten. Der Coach kann ihn nur ermutigen und ihm Tipps geben. Für Kinder/Jugendliche ist es notwendig, selbstständig zu werden. Das Vertrauen ihrer Eltern stärkt ihr Selbstbewusstsein“ [1, 2, 8, 9].

Versicherungsrechtliche Konsequenzen

Jugendliche sollten auch wissen, welche Leistungen von den Kassen im Erwachsenenalter übernommen werden und welche nicht. Durchaus nicht alle Gesundheitsleistungen, die der Patient im Kindes- und Jugendalter im Zusammenhang mit der chronischen Erkrankung kostenfrei erhalten hat, werden auch für Erwachsene bezahlt. So entfallen z. B. die für Kinder üblichen Zuzahlungsbefreiungen. Mit dem Erhalt eines eigenen Einkommens ist meistens eine eigene Krankenversicherung erforderlich. Die Jugendlichen sollten mit den Möglichkeiten einer Zuzahlungsbefreiung vertraut gemacht werden. Für chronisch Kranke gilt die Zuzahlungsbeschränkung auf 1% des Gesamtjahresbruttoeinkommens (s. Kasten „Zuzahlungsregeln für chronisch Kranke“).­Daneben gilt es Besonderheiten z. B. bei eventuell geplanten Auslandsreisen zu berücksichtigen [8].

Zuzahlungsregeln für chronisch Kranke

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Bis zum 18. Lebensjahr sind Patienten von ihrer Zuzahlung bei der gesetzlichen Krankenkasse befreit, danach muss sie bis zur Belastungsgrenze geleistet werden. Erreicht ein Versicherter diese Grenze, kann er einen Antrag auf Befreiung für das laufende Kalenderjahr bei der Kasse stellen. Die Belastungsgrenze liegt in der Regel bei 2% der jährlichen Bruttoeinkünfte zum Lebensunterhalt, dazu zählen unter anderem das Arbeitseinkommen, Arbeitslosengeld, Einnahmen aus selbstständigen Tätigkeiten, Krankengeld, Mieteinnahmen, Renteneinkünfte sowie Kapital- und Zinseinkünfte. Die Einnahmen zum Lebensunterhalt errechnen sich aus den Bruttoeinkünften der versicherten Person und der Angehörigen, die zusammen im gemeinsamen Haushalt leben; nicht verheiratete Paare werden getrennt berücksichtigt, und Kinder ab 19 Jahren können nur berücksichtigt werden, wenn sie familienversichert sind. Bestimmte Freibeträge für Ehegatten und Kinder können vom Gesamteinkommen abgezogen werden.

Bei chronisch Kranken liegt die Belastungsgrenze bei 1% der Bruttoeinkünfte zum Lebensunterhalt. Als chronisch krank gilt, wer mindestens ein Jahr einmal im Quartal ärztlich behandelt wird und bei dem mindestens eines dieser Merkmale zutrifft:

  • Eine kontinuierliche medizinische Versorgung mit Arznei­mitteln oder Heil- und Hilfsmitteln wird benötigt.
  • Der Patient ist pflegebedürftig mit Pflegegrad 3, 4 oder 5.
  • Aufgrund der Erkrankung liegen ein Grad der Behinderung oder eine Minderung der Erwerbs­fähigkeit von mindestens 60% vor.

Zum Nachweis der Belastungsgrenze bei 1% müssen chronisch kranke Versicherte der Krankenkasse eine ärztliche Bescheinigung über die Krankheit bzw. entsprechende Bescheide über den Grad der Behinderung oder den Pflegegrad vorlegen. Außerdem müssen sie für den Antrag auf Befreiung die Quittungen über die geleisteten Zuzahlungen sammeln und diese mit dem Einkommensnachweis bei der Krankenkasse einreichen [10].

Verbesserung der Adhärenz – hier kann auch die Apotheke helfen!

Transition gelingt nur bei guter Adhärenz. Diese hängt von zahlreichen persönlichen, familiären, krankheitsassoziierten und ärztlichen Faktoren ab und klappt vor allem bei einer partnerschaftlichen und wechselseitigen Arzt-­Patientenbeziehung. Aber auch die Apotheke kann an dieser Stelle einen entscheidenden Beitrag leisten und den jungen Patienten im Transitionsprozess unterstützen. Das Apothekenpersonal kennt den Patienten und die Familie idealerweise seit vielen Jahren, einschließlich Krankengeschichte und bislang verordneter Arzneimittel. Rechtzeitig kann hier das Gespräch mit Patienten und Eltern gesucht werden, um diese, vor allem hinsichtlich aller Aspekte rund um die Arzneimittelanwendung, zu unterstützen. Um dem jungen Patienten den Weg in die Unabhängigkeit zu erleichtern, kann z. B. die Einrichtung von Erinnerungshilfen für die rechtzeitige Arzneimittelbeschaffung angeboten werden. Gerade bei chronischen Erkrankungen hängt der Behandlungserfolg auch von der Einfachheit der Behandlung ab. In der Regel ist die Methode/Anwendung zu bevorzugen, die der Patient eigenständig anwenden kann. Dabei sollte der normale Tagesablauf möglichst wenig beeinträchtigt werden. Bei Optimierungsbedarf kann der Apotheker beratend zur Seite stehen und erforderlichenfalls Alternativpräparate empfehlen. Eventuell können auch Empfehlungen für spezielle Apps gegeben werden, die das Krankheitsmanagement erleichtern. Gerade bei Jugendlichen können digitale Medien zur Vermittlung von Informationen motivationssteigernd wirken.

Auf einen Blick

  • Bei chronisch kranken Jugendlichen stellt die Transition von der kind- zur erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung eine Herausforderung dar.
  • Häufig ist die Transition suboptimal und mit einer Verschlechterung der Versorgung des chronisch kranken Patienten verbunden.
  • Jugendliche müssen für den Transitionsprozess und damit verbundene Herausforderungen sensibilisiert werden.
  • Eltern müssen lernen, loszulassen und Verantwortung abgeben.
  • Ein individueller Transitionsplan soll gleich­bleibend gute Versorgung gewährleisten.
  • Adhärenz ist entscheidend für ununterbrochen gute Versorgung des jungen Patienten.

Gelungene Transition

Mangelnde Koordination und Kommunikation zwischen den am Transitionsprozess Beteiligten haben sich, zusätzlich zu individuellen Barrieren der Patienten, häufig als Problem erwiesen. Übergreifende Standards, die unterstützende Angebote und sichere Finanzierungen einschließen, sind an dieser Stelle dringend erforderlich. Die Transition ist gelungen, wenn der Jugendliche Experte für seine eigene Erkrankung geworden und in der Lage ist, eine aktive Patientenrolle einzunehmen. Der Jugendliche vereinbart selber seine Arzt-/Behandlungstermine, nimmt sie eigenständig wahr und kümmert sich um die Beschaffung der benötigten Arzneimittel. Zusammen mit dem Behandlungsteam vermag er, Behandlungsentscheidungen zu treffen, mit dem Ziel, den Gesundheitszustand zu erhalten oder zu verbessern und darüber hinaus größtmögliche Unabhängigkeit und Lebensqualität zu erreichen [1]. |

Literatur

 [1] Transition von der Pädiatrie in die Erwachsenenmedizin. S3-Leitlinie der Gesellschaft für Transitionsmedizin, AWMF-Registernummer: 186-001, Stand: April 2021

 [2] von Moers A et al. Transition als dringliche und gemeinsame Aufgabe. Monatsschr Kinderheilkd 2018;116:733-743

 [3] Mukoviszidose. Informationen des Mukoviszidose e. V. – Bundesverband Cystische Fibrose (CF), www.muko.info, Abruf: Mai 2023

 [4] Caflisch M. Wenn chronisch kranke Jugendliche erwachsen werden. Pädiatrie 2013;2(13):4-10

 [5] Ullrich G. Mehr als ein „Transfer“. Dtsch Arztebl 2014;111(37):A1508-A1509

 [6] Maur S. Transition. Besonderheiten der Psychotherapie in der Altersgruppe 16 – 25 Jahre. Psychotherapie Aktuell 2017; 9(1):40-42

 [7] Schmidt H et al. Transitionsorientierte Patientenschulung bei Adoleszenten und jungen Erwachsenen mit ADHS. Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 2023; 51(1):28-40

 [8] Ernst G und Bomba F. Curriculum Fit für den Wechsel: Erwachsenwerden mit chronischer Krankheit. Information des Kompetenznetzes Patientenschulung im Kindes- und Jugendalter e. V. (KomPaS), 2016

 [9] Chronisch krank – Hilfe beim Erwachsenwerden. Informationen des Kompetenznetzes Patientenschulung im Kindes- und Jugendalter e. V., www.between-kompas.de

[10] Zuzahlungen: Die Regeln für eine Befreiung bei der Krankenkasse. Information der Verbraucherzentrale NRW e. V., Stand April 2023, www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/krankenversicherung/zuzahlungen-die-regeln-fuer-eine-befreiung-bei-der-krankenkasse-11108

Autorin

Dr. Daniela Leopoldt ist Apothekerin und Pharmakologin. Nach ihrer Promotion an der FU Berlin war sie mehrere Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin in den USA und anschließend in der öffentlichen Apotheke sowie der pharmazeutischen Industrie tätig. Seit 2017 schreibt sie als freie Medizinjournalistin unter anderem Beiträge für die DAZ.

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