Aus den Ländern

Arzneipflanzen, Alpakas und eine Seilbahn: Ein Besuch der Bundesgartenschau 2023 in Mannheim

js | Von Frühjahr bis Herbst erwartet Mannheim tausende Besucher. Vom Hauptbahnhof fährt die Sonderlinie „BUGA Express“. Das Ziel der Straßenbahn und der darin sitzenden und stehenden Menschen, sind der Luisen- und Spinelli-Park, beide erblühen im Rahmen der Bundesgartenschau (BUGA) 2023 auf einer Fläche von über 100 Hektar. Während es den Luisenpark schon lange in Mannheim gibt, ist der Spinelli-Park neu und entstand aus einem ehemaligen Militärgelände, den Spinelli-Barracks. Bis 2014 wurden diese noch genutzt, nun findet sich hier ein großes landschaftliches Areal. Auch die Landesapothekerkammer ­Baden-Württemberg ist mit einem Arzneigarten vor Ort.
Foto: DAZ/js

Spinelli-Park: Wo einst Panzer fuhren, erblüht nun eine weite Landschaft. Dazu wurden 800.000 Quadratmeter auf dem ehemaligen Militärgelände freigeräumt.

Vom 14. April bis zum 8. Oktober 2023 können Besucherinnen und Besucher die Bundesgartenschau in Mannheim erkunden. Dabei geht es nicht nur um Blumen und Pflanzen – Klima, Umwelt, Energie und Nahrungssicherung sind die vier Leit­themen der BUGA 2023. Sie sind vor allem im Spinelli-Park gegenwärtig, der Name des ehemaligen Militär­geländes geht auf einen Gefreiten der US-Armee zurück. Für die Umgestaltung der 80 Hektar wurden die 800.000 Quadratmeter – ca. 112 Fußballfelder – freigeräumt, davon 338.000 Quadratmeter entsiegelt und 60 Gebäude zurückgebaut. Die Abriss- und Rückbaumaterialien sollen zu neuem Baustoff recycelt werden. „Bagger räumen frei für Bäume statt Beton.“, ist auf einer Tafel zu lesen. Der Asphalt und Beton sowie die Hallen heizten sich im Sommer stark auf. Durch den Abriss dieser „Herdplatte“, kann Kaltluft nun un­gehindert über das Gelände fließen. Trotzdem knallt an heißen Tagen die Sonne ohne Erbarmen auf den Spinelli-Park nieder und zwingt die Besucher, Hüte zu tragen. Schattenplätze sind rar, die Landschaft weit. Mittendrin steht die U-Halle, die als Herzstück der BUGA 23 betitelt wird. Früher war sie Lagerhaller der US-­Army, jetzt ist sie in Teilen auf ihr Stahlgerüst zurückgebaut. Kletterpflanzen und Wildblumen bahnen sich ihren Weg durch das Gemäuer, das Raum für Gastronomie und Ausstellungen bietet. Nördlich des u-förmigen Gebäudes erstreckt sich ein Experimentierfeld, auf dem unterschiedliche Gärten anregen sollen, nachzudenken und mitzumachen. Unter anderem werden die 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable development goals, SDG) in verschiedenen Feldern aufgegriffen, darunter die Themen Armut zu beenden und Bildung für alle zu schaffen. In einem der Themengärten ziehen riesige Teetassen die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Be­sucher auf sich. Es sind Hochbeete in Tassenform, darin wachsen nach Indikationen sortierte Arzneipflanzen.

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Wie wird aus einer Heilpflanze ein Arzneimittel? In Teetassen als Hochbeete soll Besuchern das Wissen um Arzneipflanzen vermittelt werden.

Im Apothekergarten

Im Apothekergarten der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg sind an Wochenenden und Feiertagen Pharmazeuten vor Ort. Sie sprechen mit den Besucherinnen und Besuchern, beantworten deren Fragen und erklären den Garten (s. Interview „Die Bedeutung von Heilpflanzen vermitteln“).

Höhepunkt: Die Seilbahn

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Der Höhepunkt der BUGA 2023 ist die Seilbahn. Sie verbindet Spinelli- und Luisenpark, überwindet zwei Kilometer in sieben bis acht Minuten und transportiert bis zu 2800 Personen pro Stunde und Richtung. Auf ihrer Fahrt blicken die Besucher hinab auf die Kleingärten, überbrücken den Neckar und den Sportpark Mannheims.

Am Rande des Apothekergartens steht ein Tisch, der sogenannte Experimentiertisch. Auf diesem sind in Rot Fragen geschrieben, zum Beispiel „Welche Pflanze gilt bei kleinen Verletzungen als Pflaster der Natur?“ Wird die Schublade des Tisches geöffnet, so erfahren die Besucher, dass der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) die Wunde wie mit Goldfäden zusammenzieht. In einer Führung durch die Hochbeete wird vieles näher erklärt. Die Zuhörer erfahren, dass der Spitzwegerich, die „Erste-Hilfe-Pflanze“ genannt wird, auch weil er fast überall wächst. Bei einer Verletzung z. B. während einer Wanderung, muss er zunächst gefunden, dann die Blätter zerrieben und auf die Wunde gelegt werden. Inhaltsstoffe wie das Iridoidglykosid Aucubin wirken entzündungshemmend und antimikrobiell. Andere Pflanzen wie die Schafgarbe (Achillea millefolium) sind echte Allrounder, erfahren die Besucher, und begegnen ihr in mehreren Beeten. Die enthaltenen Bitterstoffe regen die Bildung von Gallensäften an, wirken beruhigend und die Pflanze kann auch in Form von Umschlägen bei verschiedenen Hauterkrankungen eingesetzt werden, wird erklärt. Im Hochbeet zum Thema Galle und Leber wächst der Wermut (Artemisia absinthium). Die Apothekerin fordert auf, zu probieren. Eine Besucherin kommt dem nach. „Oh krass“, ist ihre Reaktion auf die Bitterstoffe. Sie bekommt den Tipp auf ein Pfefferminzblatt (Mentha Piperita) zu beißen, um dem bitteren Geschmack gegenzusteuern.

Im Luisenpark lebt es sich leicht

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Gegen Mittag, wenn es im Spinelli-Park zu heiß wird (und alle Arzneipflanzen studiert wurden), lohnt sich ein Seitenwechsel. Mit der Seilbahn gelangt man in wenigen Minuten zum Luisenpark – ein Unterschied zum Park Spinelli wie Tag und Nacht. Hohe Bäume bieten viel Schatten, auf den Spielplätzen tollen Kinder, in kleinen Booten mit gelben Dächern kann man über den Parksee schippern und Karpfen beobachten. Der beliebte Park wurde bereits für die BUGA 1975 errichtet. 2023 entstand eine neue Parkmitte, in der neben gärtnerischer Vielfalt vor allem Tiere die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich ziehen. Darunter sind Pinguine und Alpakas.

Bei den Hochbeeten zu den Indikationen Herz und Kreislauf sowie zur Blase und Niere werden den Besuchern die Grenzen pflanzlicher Arzneimittel aufgezeigt. Sie lernen, dass es keine Teedroge gibt, die bei Hypertonie den Blutdruck ausreichend senken oder bei geschwollenen Beinen ausreichend entwässern kann. Hingegen erfahren sie, dass die ätherischen Öle im Lavendel (Lavandula angustifolia) bei emotionaler Aufregung beruhigend und das Schnuppern an Rosmarin (Rosmarinus officinalis) anregend auf den Kreislauf wirkt. Im Hochbeet mit den Pflanzen, die als Antitussiva eingesetzt werden, wird den Zuhörern ein „Zauberkünstler“ vorgestellt. Ein Tee der Blüten und Blätter der Wilden Malve (Malva sylvestris) ändert die Farbe von violett nach rot bei Zugabe eines Spritzers Zitronensaft pH-Wert-abhängig. Es wird erklärt, dass sich darüber vor allem Kinder freuen, die so zum Trinken des Tees motiviert werden können. Auf den gemeinen Wacholder (Juniperus communis) stoßen die Besucher im Beet der heilenden Küchenkräuter. Ein Besucher ruft das Stichwort „Gin“ in die Gruppe. Als Gewürz in alkoholischen Getränken scheint die Frucht bekannt zu sein. Tatsächlich, so lernen die Besucher, ist die blaue Beere aber gar keine echte, sondern eine Scheinfrucht und der weibliche Samenzapfen der Pflanze. Die „Beeren“ werden in der Heilkunde unter anderem zur Durchspülung der Harnwege eingesetzt. Auch Apotheker können noch neues über den Wacholder lernen, so zählt dieser zu den Kaltkeimern und benötigt eine Kälteperiode, um zu keimen.

Dass manche Inhaltsstoffe in mehreren Pflanzen vorkommen, erfahren die Besucher am Beispiel der Salicylsäure, die ein Inhaltsstoff in der Weide (Salix ­purpurea) und im Mädesüß (Filipendula ulmaria, syn. Spiraea ulmaria) ist. Dabei ist Mädesüß namensgebend für das Fertigarzneimittel Aspirin, denn die Salicylsäure wird auch Spirsäure genannt und das „A“ steht für die Acetylierung von „Spir“. Das an­gehängte „In“ ist die typische Endung eines Arzneimittelnamens.

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Eine eigene Teemischung herstellen. Nach einer lehrreichen Führung dürfen die Besucher des Apothekergartens selbst Hand anlegen.

In der Führung lernen die Zuhörerinnen und Zuhörer noch vieles mehr. Angefangen damit, was der Begriff „Droge“ bedeutet, bis dahin, in welchen Fertigarzneimitteln Extrakte der Arzneipflanzen vorkommen. Viele Fragen werden gestellt und geklärt. Im Anschluss an die Führung findet ein Workshop statt, in dem jeder eine eigene Teemischung herstellen darf. Die Plätze um den Tisch sind begehrt. |
 

Die Bedeutung von Heilpflanzen vermitteln

Um die Besucher auf der BUGA 2023 im Apothekergarten zu betreuen, sind Apothekerinnen und Apotheker an den Wochenenden und Feiertagen vor Ort. So auch Apothekerin Christine Bender-Leitzig, mit der die DAZ über ihre Erfahrungen sprach.

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Apothekerin Christine Bender-Leitzigteilt ihr Wissen über Arzneipflanzen mit den Besuchern auf der BUGA 2023.

DAZ: Wie kamen Sie dazu auf der BUGA 2023 mitzuhelfen?

Bender-Leitzig: Über die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg wurde verbreitet, dass Apothekerinnen und Apotheker gesucht werden. Ich komme aus der Region um Mannheim. Pflanzen sind mein Steckenpferd und die BUGA ist etwas Besonderes, was nicht alle Tage stattfindet.

DAZ: Wie läuft ein Tag als Apothekerin auf der BUGA ab?

Bender-Leitzig: Im Vorhinein erhält jeder ein Skript der Kammer mit Input zum Garten. Am Morgen des Tages auf der BUGA muss dann zunächst alles vorbereitet werden, das heißt wir holen das Zubehör wie Teedrogen, Schalen und Waagen aus dem Lager. Anschließend betreuen wir den Garten und beantworten die Fragen der Besucherinnen und Besucher. Es gibt zwei Führungen, eine vormittags und eine nachmittags, die wir leiten. Anschließend gestalten wir den Tee-Workshop.

DAZ: Was soll durch den Apothekergarten vermittelt werden?

Bender-Leitzig: Ich denke ein Ziel ist es, unseren Beruf zu repräsentieren und zu zeigen welches Wissen wir in Apotheken auch auf dem Gebiet der Naturheilkunde haben. Wir wollen die Ursprünge der Pharmazie vorstellen, denn vieles stammt von Heilpflanzen ab, deren Bedeutung wir vermitteln wollen.

DAZ: Wie kommt der Garten bei den Besuchern an?

Bender-Leitzig: Ich erlebe die Besucher sehr interessiert. Teilweise sind sie überrascht, wie die Pflanzen aussehen, von denen sie bisher nur die Namen kannten. Viele interessiert, welcher Teil von den Heilpflanzen verwendet wird z. B. neben Blättern und Blüten auch die Wurzeln oder Rinden. Einige Besucher sind erstaunt, dass nicht alle Arzneipflanzen als Tee verwendet werden können, wie der Ginkgo aufgrund der enthaltenen Ginkgolsäure, die gesundheitsschädlich ist.

DAZ: Haben Sie eine Lieblings­pflanze?

Bender-Leitzig: Eigentlich habe ich mehrere! Aber mein absoluter Liebling ist der Wacholder, der blüht wunderschön auf der Schwäbischen Alb und ist außerdem eine sehr interessante Pflanze.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch!

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