Foto: jackfrog/AdobeStock

Beratung

Gibt’s da auch etwas ohne Rezept?

Hilfe für Männer mit benignem Prostatasyndrom

Kürbis steht bei betagten Männern hoch im Kurs. Nicht nur weil er gut schmeckt, sondern weil seinen Kernen positive Effekte auf die Prostata zugesprochen werden. Welche Phytopharmaka sonst noch in der Apotheke rezeptfrei erworben werden können, welchen Einfluss möglicherweise das Extrakt­ionsmittel bei Sägezahnpalmen auf die Wirksamkeit hat und wieso Leinsamenextrakte in einigen Nahrungsergänzungsmitteln zu finden sind, lesen Sie im Folgenden. | Von Marina Buchheit-Gusmão 

Während junge Männer sie oft gar nicht kennen, bezeichnet mehr als jeder dritte Mann über 50 sie als seinen wunden Punkt. Die Rede ist von der Prostata. Als Teil der männlichen Geschlechtsorgane ist die Drüse vor allem für die Beweglichkeit der Spermien verantwortlich. Sie befindet sich unter dem willkürlich schließbaren Muskel der Harnblase und umhüllt die Harnröhre (s. Abb.). Im jungen Alter noch etwa kastaniengroß nimmt das Volumen der Prostata im Laufe des Lebens unter dem Einfluss von Dihydrotestosteron, dem Abbauprodukt von Testosteron, allmählich zu. Estrogen, das bei älteren Männern in höherer Konzentration im Blut vorliegt, verstärkt diesen Effekt noch. Das benigne Prostatasyndrom (BPS) ist bei 75 bis 100% aller Männer über 75 Jahre nachweisbar, führt jedoch nur bei etwa einem Drittel der Fälle zu den durch die Kompression der Harnröhre (s. Abb.) bedingten Miktionsbeschwerden. Betroffene Männer sind in ihrer Lebensqualität oft stark beeinträchtigt.
 

Abb.: Die Prostata liegt unterhalb der Blase und umgibt die Harnröhre (A). Unter dem Einfluss von Dihydrotestosteron und Estrogen kommt er zur Vergrößerung der Prostata und einer damit verbundenen Kompression der Harnröhre. Infolge der zunehmenden Abflussbehinderung der Harnblase werden Umbauprozesse der Blase gestartet, die Blasenmuskulatur nimmt zu (B) (nach Kantonsspital Winterthur, www.ksw.ch/gesundheitsthemen/prostata-vorsteherdruese/prostatavergroesserung-benigne-­prostatahyperplasie-bph/).

Im frühen Stadium belasten vor allem der häufige Harndrang – insbesondere nachts (Nykturie) –, ein abgeschwächter Harnstrahl und eine damit verbundene längere Blasenentleerungszeit, Nachträufeln sowie Startschwierigkeiten beim Urinieren die Betroffenen. In späteren Stadien kommt es zur Restharnbildung, komplettem Harnverhalt und zur Überlaufinkontinenz. Auch Harnwegsinfekte und Blutungen sind dann keine Seltenheit mehr. Durch die zunehmende Abflussbehinderung der Harnblase werden Umbauprozesse in der Blase gestartet, die zusätzliche Beschwerden wie Blasendivertikel (Ausstülpungen der Blasenwand) oder Nierenschäden zur Folge haben können. Inzwischen ist bekannt, dass das Prostatavolumen nicht zwangsläufig mit der Symptomstärke korreliert: So klagen einige Männer mit geringer Prostatagröße bereits über eine stark eingeschränkte Lebensqualität, andere mit stark vergrößerter Drüse sind hingegen fast beschwerdefrei.

Zuerst der Gang zum Arzt

Berichten betroffene Männer (oder deren Ehefrauen) in der Apotheke über solche Beschwerden, sollte zunächst ein Arztbesuch angeraten werden. Dort werden in einem persönlichen Gespräch anhand eines standardisierten Frage­bogens (IPSS: International Prostate Symptom Score) die Symptome sowie der Leidensdruck abgefragt. Konnte der Urologe durch Abtasten der Prostata sowie Urinunter­suchungen, Messung des prostataspezifischen Antigens (PSA), Ultraschall und Uroflowmetrie eine mögliche Prostatitis, Harnwegsinfektion oder Tumoren ausschließen, kann mit einer Therapie begonnen werden. Ziel der Therapie sollte eine Verbesserung der Lebensqualität sowie der Symptomatik und ein Abbremsen des progressiven Verlaufs sein. Während bei stärkeren Beschwerden unterschiedliche operative Eingriffe sowie medikamentöse Therapien mit α1-Adrenorezeptor-Inhibitoren (z. B. Tamsulosin), 5α-Reduktase-Hemmern (verhindern die Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron [DHT], z. B. Finasterid, Alfatradiol) zum Einsatz kommen, rät der behandelnde Arzt bei leichteren Beschwerden ohne hohes Progressionsrisiko in der Regel zunächst zum kontrollierten Zuwarten mit Lebensstiländerung. Neben einer gesunden Ernährung mit viel Gemüse und ungesättigten Fettsäuren sollten betroffene Männer über 24 Stunden verteilt nicht mehr als 1500 ml Flüssigkeit zu sich nehmen und abends sowie vor dem Zubettgehen Trinken vermeiden. Aufgrund ihrer diuretischen und irritativen Eigenschaften sollten Kaffee, Alkohol und scharfe Gewürze möglichst nur in geringer Menge zu sich genommen werden. Gegen Nachträufeln hilft das Ausstreichen der Harnröhre nach der Miktion. Auch ein Blasentraining (temporäres Zurückhalten der Miktion bei leichtem bis mäßigem Harndrang) kann empfohlen werden.

Leitlinien geben keine allgemeine Empfehlung für Phytotherapeutika

Zusätzlich kommen bei leichteren Beschwerden Phytotherapeutika in Form von Mono- oder Kombinationspräparaten zum Einsatz (s. Tabelle). Zwar gibt die kürzlich aktualisierte S2e-Leitlinie aufgrund der widersprüchlichen Studiener­gebnisse für keines der im Folgenden genannten Phyto­therapeutika eine allgemeine Empfehlung ab. Einige Untersuchungen haben jedoch eine Überlegenheit gegenüber Placebo gezeigt, sodass die Leitlinienautoren zu dem Schluss kommen, dass Phytotherapeutika bei geringen bis moderaten Symptomen versucht werden können, wenn der Patient chemische Arzneistoffe ablehnt. Sie verweisen aber auf die großen Unterschiede in der Zusammensetzung und dem Anteil der Wirksubstanzen auch bei scheinbar gleichen Produkten, die durch die unterschiedlichen Extraktionsverfahren zustande kommen. Ergebnisse klinischer Studien können deshalb nicht automatisch auf Produkte anderer Hersteller übertragen werden. Hervorzuheben ist die gute Verträglichkeit der Phytopharmaka: Nebenwirkungen treten im Vergleich zu Placebo selten und nur mild auf. Zu beachten ist, dass keine der bisherigen Studien eine Änderung der Prostatagröße unter Phytotherapeutika zeigen konnten, auch die Progression der Erkrankung konnte nicht aufgehalten werden.

Wirksamkeit eine Frage des Extraktions­verfahrens?

Zu den am besten und häufigsten untersuchten Phytopharmaka bei benignem Prostatasyndrom zählen die Früchte der Sägezahnpalme (Sabal serrulata, Serenoa repens, s. Tabelle). Neben Phytosterolen sollen vor allem freie Fettsäuren für die Hemmung der 5α-Reduktase, die Inhibierung der Bindung von Dihydrotestosteron an seine Rezeptoren sowie die antiproliferativen und antiinflammatorischen Effekte verantwortlich sein. Die Studienlage ist kontrovers. Der aktuellste Cochrane-Review ist mehr als zehn Jahre alt und hat in 32 randomisierten klinischen Studien mit 5666 Patienten keine Verbesserung der Nykturie oder des Prostata­volumens unter Sägezahnpalmen-Extrakt im Vergleich zu Placebo zeigen können. Hingegen konnten 2019 in einer multizentrischen, randomisierten Doppelblindstudie (n = 354) mit einem französischen Präparat statistisch signifikante Verbesserungen unter anderem des IPS-Scores, der Lebensqualität sowie der Sexualfunktion im Vergleich zur Placebo-Gruppe gezeigt werden. Extraktionen der Früchte der Sägezahnpalme erfolgen vor allem in ethanolischen Lösungen (in Deutschland häufig 90% bis 96%), Hexan (vorwiegend in Frankreich genutzt) oder zum Teil auch unter Verwendung von superkritischem CO₂. In Studien konnte der mit Hexan hergestellte Extrakt aus Frankreich punkten und war dem Placebo überlegen oder zeigte ähnliche Verbesserungen wie 5α-Reduktase-Hemmer oder α-Antagonisten. Vermutlich deshalb hat die europäische Arzneimittelagentur EMA bisher nur einem französischen Serenoa-Extrakt (Permixon®, in Deutschland nicht im Handel) für die Behandlung des benignen Prostatasyndroms den Status eines well-established medical use product zuerkannt. Diesen bekommen nur Arzneimittel, die länger als zehn Jahre in der EU genutzt wurden und deren Wirksamkeit in klinischen Studien nachgewiesen wurde. Die in Deutschland gängigen Präparate, die mittels ethanolischer Extraktion gewonnen wurden, erhielten lediglich die Kennzeichnung „traditional use“ (Registrierung erfolgt lediglich auf Basis ausreichender Sicherheitsdaten und plausibler Wirksamkeit. Auch diese müssen länger als 30 Jahre – mindestens 15 Jahre davon in der EU – verwendet worden sein). Inwiefern sich Extraktionen mit Hexan bzw. Ethanol bezüglich der Wirksamkeit definitiv unterscheiden, lässt sich nur in einer bisher nicht durchgeführten prospektiven, randomisierten, verblindeten und placebokontrollierten Studie herausfinden.

Phytosterole (s. Tabelle) werden vor allem aus Pinien gewonnen. Die Hersteller postulieren zwar β-Sitosterol als Wirkkomponente. Dem entgegen steht die geringe Konzentration an β-Sitosterol in Extrakten sowie die geringe Resorption im Darm. Wahrscheinlicher sind daher freie Fettsäuren die Wirkkomponente. In Studien wurden Phytosterole nur selten untersucht. Während einige eine signifikante Verbesserung des IPS-Scores und des maximalen Harnflusses gegenüber Placebo zeigten, war in der Langzeitanwendung über 18 Monate kein Unterschied mehr ersichtlich.

Brennnesselwurzel, Kürbiskerne und Co.

In Deutschland gerne eingesetzt werden zudem Extrakte aus der Brennnesselwurzel (Urtica dioica) (s. Tabelle), die neben der Inhibierung der 5α-Reduktase auch antiproliferative Wirkmechanismen aufweisen sollen. Während sich der IPS-Score in einer älteren Studie mit Bazoton® uno (Trockenextrakt aus Brennnesselwurzel, nicht mehr im Handel) nach zwölf Monaten nur um einen Punkt verbesserte im Vergleich zu Placebo (-5,7 vs. -4,7 Punkte) war das gleiche Präparat in einer doppelblinden randomisierten kontrollierten Studie aus 2016 mit 558 Patienten dem Placebo überlegen und senkte den IPS-Score um 8 vs. 1,5 Punkte. Auch die maximale Harnflussrate verbesserte sich signifikant im Vergleich zum Placebo (Brennnessel: 8,2 ml/s; Placebo: 3,4 ml/s [p < 0,05]). Um Gewissheit über die Wirksamkeit von Brennnesselwurzel zu erlangen, fordern die Studienautoren weitere klinische Studien durchzuführen.

Kürbiskerne (Cucurbita pepo) sind in der Therapie des benignen Prostatasyndroms beliebt (s. Tabelle). Als Wirkmechanismen vermutet man, dass die Bindung von Dihydrotestosteron an menschliche Zellen unterbunden wird. Ebenso konnte in vitro eine entzündungshemmende Wirkung gezeigt werden. Auch hier ist die Studienlage widersprüchlich: Während eine prospektive randomisierte Doppelblindstudie mit 476 Teilnehmern eine signifikante Verbesserung des IPS-Scores unter Einnahme eines ethanolischen Kürbiskern-Extrakts gegenüber Placebo zeigen konnte, waren keine Unterschiede in den sekundären Zielparametern (maximale Harnflussmenge, Restharn, Prostatavolumen und Lebensqualität) nachweisbar. In der zwölfmonatigen, randomisierten teilverblindeten Granu-Studie mit 1431 Männern verbesserte sich der IPS-Score unter der Einnahme von zweimal täglich 5 g Kürbissamen (Granu Fink® Kürbiskerne) gegenüber Placebo, nicht jedoch unter der Einnahme von zweimal täglich 500 mg Kürbis­samen-Extrakt in Kapselform (Granu Fink® Prosta forte, mit Extrakt aus speziell gezüchteten Kürbissamen).

Als letztes im Bunde der Phytotherapeutika werden Pollen-Extrakte(Secale cereale), insbesondere aus Roggenpollen eingesetzt (s. Tabelle). Leider wurden für diese Behandlungsoption in den letzten Jahren keine neuen Studien durchgeführt. In der einzigen placebokontrollierten Studie von 1990 mit 60 Patienten, wurde nach sechs Monaten eine subjektive Verbesserung von 69% mit dem Phytopräparat gegenüber 30% mit dem Placebo-Präparat nachgewiesen. Objektiv ließ sich lediglich eine statistisch signifikante Verbesserung im Restharn nachweisen.

Und wie sieht es mit den Kombinationspräparaten aus (s. Tabelle)? Hier wurde in einigen Untersuchungen eine Überlegenheit der Kombination der Extrakte aus Sägezahnpalmenfrucht und Brennnesselwurzel gezeigt. So konnte in einer in Russland durchgeführten Studie eine Reduktion des IPS-Scores um 6 vs. 4 Punkte im Vergleich zu Placebo festgestellt werden. Auch mussten die Probanden seltener die Toilette aufsuchen, verspürten einen geringeren Harndrang und insgesamt eine anhaltende Verbesserung ihrer Lebensqualität. Vier andere Studien konnten zudem eine Verbesserung der nächtlichen Miktionen der Sabal-Urtica-Kombination im Vergleich zu Placebo zeigen. Die Nykturie-Reduktion war dabei ähnlich hoch wie die in der mit Tamsulosin oder Finasterid behandelten Gruppen.

Tab.: Phytotherapeutika, die bei benignem Prostatasyndrom eingesetzt werden können (Auswahl)
Fertigarzneimittel
(Beispiele)
Wirkstoff- bzw. Extraktmenge
Drogen-Extrakt Verhältnis
Auszugsmittel
Dosierung/Tag
Sägepalmenfrucht
Prosta Urgenin® uno Madaus Weichkapseln
320 mg Sägepalmenfrucht-Dickextrakt
8 bis 9,52 : 1
Ethanol 90% (V/V)
1 × 1 nach dem Essen
Prostagutt® uno Kapseln
320 mg Sägepalmenfrucht-Dickextrakt
10 bis 14,3 : 1
Ethanol 90% (m/m)
1 × 1
Sabalvit® uno Kapseln
320 mg Sägepalmenfrucht-Dickextrakt
9 bis 11 : 1
Ethanol 90% (V/V)
1 × 1 nach dem Essen
Strogen® uno Weichkapseln
320 mg Sägepalmenfrucht-Dickextrakt
7,5 bis 12,5 : 1
Ethanol 90% (m/m)
1 × 1 nach dem Essen
Phytosterol
Apoprostat® forte
65 mg Phytosterol
2 × 1 zum Essen
Brennnesselwurzel
Prostamed® urtica
Kapseln
240 mg Brennnesselwurzel-Trockenextrakt
5,4 bis 6,6 : 1
Ethanol 20% (m/m)
zu Beginn 2 × 2,
dann 3 × 1 nach dem Essen
UTK uno Filmtabletten B
460 mg Brennnesselwurzel-Trockenextrakt
7 bis 14 : 1
Methanol 20% (V/V)
1 × 1 nach dem Essen
Kürbissamen
Granu® Fink Prosta forte 500 Hartkapseln
500 mg Kürbissamen-Dickextrakt
15 bis 25 : 1
Ethanol 92% (m/m)
1 × 1 vor dem Essen
Prostamed®
Kautabletten
200 mg Kürbissamen-Mehl
3 × 2 bis 4 Kautabletten
100 mg Kürbissamen-Trockenextrakt
5 bis 10 : 1
Wasser, NaCl, NaHCO3 (90,9 : 6,1 : 3)
6,3 mg Zitterpappelblätter-Trockenextrakt
5 bis 8 : 1
Ethanol 60% (V/V)
2,6 mg Riesengoldrutenkraut-Trockenextrakt
5 bis 8 : 1
Ethanol 60% (V/V)
Pollenextrakte
Pollstimol®
Kapsel
Extraktgemisch aus Gräserpollen (Roggen, Timothy-Gras, Mais) 30 : 1,5 : 1 23 mg
keine Angabe
Trockenextrakt Aceton 4,8% (V/V), Natriumdodecylsulfat 0,038% (m/V) Wasser : Aceton : Natriumdodecylsulfat (96 : 4 : 0,032), DEVnativ: (2,7 bis 7,5):1
Dickextrakt: Wasser : Aceton : Natriumdodecylsulfat (96 : 4 : 0,032)
DEVnativ: (12 bis 28) : 1
2 × 2 bis 3 × 2 zum Essen
Kombinationspräparate
Prostagutt® duo 160/120
Weichkapseln
160 mg Sägepalmenfrüchte-Dickextrakt
10 bis 14,3 : 1
Ethanol 90% (m/m)
2 × 1
120 mg Brennnesselwurzel-Trockenextrakt
7,6 bis 12,5 : 1
Ethanol 60% (m/m)
Prostagutt® duo 80/60 flüssig
Tropfen
80 mg Sägepalmenfrüchte-Dickextrakt
10 bis 14,3 : 1
Ethanol 90% (m/m)
3 × 40 Tropfen in 1 Esslöffel Wasser, in gleichen Abständen unabhängig von den Mahlzeiten
60 mg Brennnesselwurzel-Trockenextrakt
7,6 bis 12,5 : 1
Ethanol 60% (m/m)
Granu Fink® Prosta plus Sabal
Hartkapseln
400 mg Kürbissamen, 340 mg Kürbissamenöl 75 mg Sägepalmenfrucht-Trockenextrakt
7 bis 13,1 : 1
Ethanol 90% (m/m)
3 × 1 vor dem Essen

Und Nahrungsergänzungsmittel?

Neben Phytotherapeutika stehen in der Apotheke auch etliche Nahrungsergänzungsmittel für Betroffene zu Verfügung. Diese enthalten außer den oben aufgeführten pflanzlichen Inhaltsstoffen häufig Vitamine wie Vitamin C, E und Antioxidanzien, die prostataschädigende Radikale abfangen sollen. Vermutlich hat die positive Wirkung von Elocalcitol, einem Vitamin-D-Rezeptor-Agonisten, der das Prostatawachstum verlangsamt, dazu geführt, dass Vitamin D inzwischen in vielen Nahrungsergänzungsmitteln enthalten ist. Daneben ist in einigen Präparaten (z. B. Orthomol Flavon M, Brennnessel-Kürbiskern Menssana) Lycopin in der Inhaltsstoffliste zu finden. Dieses wird als carotinoides Antioxidans aus der gewöhnlichen Tomate (Solanum lycopersicum) gewonnen. Man vermutet, dass Lycopin die 5α-Reduktase und bestimmte Wachstumsfaktoren inhibiert und zudem die Apoptose der Prostatazellen begünstigt. In einem systematischen Review konnte gezeigt werden, dass eine Lycopin-Supplementierung die Häufigkeit von BPS- und Prostatakrebsdiagnosen senkt, auch wenn das Ergebnis statistisch nicht signifikant war. Ebenso sind in beiden genannten Nahrungsergänzungsmitteln Sojabohnen-Extrakte bzw. Isoflavone gelistet. Isoflavonen, die in sojareichen Lebensmitteln enthalten sind, wird nachgesagt, dass sie eine durch Aktivierung des Estrogen-Rezeptors vermittelte Apoptose bewirken. Dies hat zu der Hypothese geführt, dass der hohe Sojakonsum für die niedrigen Prostatakrebsraten in einigen asiatischen Ländern verantwortlich sein könnte. Eine Verkleinerung der Prostata bei mit Isoflavonen behandelten Ratten mit BPS untermauerte zunächst diese Theorie. Eine italienische Metaanalyse des PSA-Wertes bei menschlichen Patienten, die mit Isoflavonen behandelt wurden, widerlegte jedoch diese Hypothese.

Wer sich fragt, wieso Leinsamen (Linum usitatissimum) in Pure Encapsulations SP Ultimate enthalten sind, findet hier die Antwort: Nachdem Untersuchungen an Ratten, die mit Flachs angereichertes Futter bekommen hatten, Effekte auf die Größe der Prostata und das Verhältnis von Prostata zu Gewicht gezeigt hatten, konnten zunächst auch in kleineren klinischen Studien solche Vorteile beobachtet werden. So wurde bei 15 Patienten, die ein halbes Jahr eine mit Leinsamen angereicherte Ernährung erhielten, eine geringfügige Abnahme des Prostataepithels in der Biopsie festgestellt. Eine doppelt verblindete randomisierte kontrollierte Untersuchung mit 87 Probanden zeigte über einen Zeitraum von vier Monaten bei verschiedenen Dosierungen eines Leinsamenextrakts eine Wirksamkeit auf den IPS-Score (-6,88 Punkte in der 600-mg-Extrakt-Gruppe) und die Lebensqualität.

Was sonst noch geraten werden kann

Häufigen nächtlichen Toilettengängen kann man durch Sport entgegenwirken. Bewegung kurbelt nämlich nicht nur die Flüssigkeitsverteilung im Körper an, sondern die bessere Durchblutung entspannt auch die Blase. Infolge wird die Urinausscheidung vor dem Zubettgehen angeregt und die Schlafqualität verbessert. Niedrige Temperaturen sollten vermieden werden, auch im Schlafzimmer. Diese bewirken nämlich nicht nur eine direkte Verkrampfung der glatten Muskulatur in der Harnröhre und Prostata, sondern ver­engen auch die peripheren Blutgefäße. Es gelangt mehr Flüssigkeit in den zentralen Körperkreislauf, Nykturie ist die Folge. |

Literatur

Antoniou V et al. Role of Phytotherapy in the Management of BPH: A Summary of the Literature. J Clin Med 2023;12(5):1899, https://doi.org/10.3390/jcm12051899

Bauer G et al. Komplementärmedizin. 2. Auflage 2012, Deutscher Apotheker Verlag

Fachinformationen der genannten Produkte

Geisslinger G, Menzel S, Gudermann T, Hinz B, Ruth P. Mutschler Arzneimittelwirkungen. Pharmakologie – Klinische Pharmakologie – Toxikologie. 11., völlig neu bearbeitete Auflage 2020, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart

Gutartige Prostatavergrößerung. Informationen der Urologischen Stiftung Gesundheit GmbH, https://urologische-stiftung-gesundheit.de/ratgeber/gutartige-prostatavergroesserung/, Abruf am 12. April 2023

Jenett-Siems K. Pflanzlich gegen Prostatabeschwerden. Deutsche Apotheker Zeitung 2022;14:32

Prostata Selbsthilfe. Info der Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG, www.prostagutt.de/harndrang-beim-mann/was-kann-ich-selbst-gegen-prostatabeschwerden-tun/, Abruf am 13. April 2023

Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS). S2e-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V. (DGU), AWMF-Reg.Nr.: 043-034, Stand: Februar 2023

Was tun, wenn die Prostata wächst? Patienten-Information des Arbeitskreises Benignes Prostatasyndrom der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V., 2012;2

Autor

Marina Buchheit-Gusmão, Pharmazeutin und Redakteurin. Sie hat mehrere Jahre in der öffentlichen Apotheke gearbeitet und ist Fachapothekerin sowohl für Allgemeinpharmazie als auch für Arzneimittelinformation.

Das könnte Sie auch interessieren

Wann Phytopharmaka bei Beschwerden der Prostata evidenzbasiert helfen können

Drängende Probleme

Was die Phytotherapie für das benigne Prostatasyndrom bietet

Pflanzlich gegen Prostatabeschwerden

Sägepalmenfrüchte, Kürbissamen, Brennnesselwurzel und Gräserpollen

Phytotherapie bei BPH

Watchful Waiting, Arzneistoffe, Phytotherapie und operative Verfahren in der neuen BPS-Leitlinie

Damit es wieder läuft

Aktualisierte Leitlinie zum benignen Prostatasyndrom macht Versorgungslücke deutlich

Aktiv werden, statt wegducken

Hilfe bei gutartigen Prostatabeschwerden

Damit es wieder läuft

Traditioneller Fortbildungskongress in Meran gab vielfältige Ein- und Ausblicke

Haut, Harnwege und Hormone – Teil 2

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.