- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 17/2023
- Antidepressiva einnehmen ...
Arzneimittel und Therapie
Antidepressiva einnehmen oder absetzen?
Schwangere mit schweren Depressionen sollten durchgängig therapiert werden
Werden Frauen unter einer antidepressiven Therapie schwanger, setzen sie die Präparate aus Furcht vor einer Schädigung des Kindes oft ab. Dabei kann eine bewährte und notwendige antidepressive Therapie in der Regel in der Schwangerschaft fortgeführt werden, so die Arzneimitteldatenbank Embryotox [1]. Welche Auswirkungen ein mögliches Absetzen aber auf die psychische Gesundheit der werdenden Mutter hat, wurde bisher nur in wenigen Studien untersucht.
Umfangreiche Kohortenstudie
Ein internationales Forscherteam hat deshalb im Rahmen einer Kohortenstudie in den norwegischen und dänischen Geburts- sowie Verschreibungsregistern nach Antworten gesucht [2]. Sie identifizierten in den Jahren 1997 bis 2018 insgesamt 57.934 Geburten, bei denen die Mütter in den sechs Monaten vor der Schwangerschaft mindestens ein Rezept über ein Antidepressivum eingelöst hatten. Anhand der Verschreibungsdaten schätzten die Wissenschaftler die Behandlungsdauer ab und teilten die Frauen ihrem Einnahmeverhalten nach in verschiedene Gruppen ein – je nachdem, ob sie ihr Antidepressivum schon vor der Schwangerschaft herunterdosierten und früh in der Schwangerschaft absetzten oder die Behandlung erst spät (im 2. oder 3. Trimenon) abbrachen. Spätabbrecherinnen wurden zusätzlich dahingehend unterschieden, ob sie das Medikament im Beobachtungszeitraum dauerhaft eingenommen hatten oder die Einnahme nur kurzzeitig war. Als Kontrollgruppe dienten Frauen, die ihre Medikamente sowohl vor als auch während der Schwangerschaft durchgängig einnahmen.
Postpartale Folgen
Die Autoren analysierten die Patientinnenkollektive danach, wie sich die Einnahmemuster auf ihren Krankheitsverlauf im Jahr nach der Geburt auswirkten. Dabei zeigte sich, dass Frühabbrecherinnen und Spätabbrecherinnen (nach kurzzeitiger Einnahme) ein um 27% bzw. 30% geringeres Risiko für psychiatrische Notfälle im ersten Jahr postpartum als durchgängig Therapierte aufwiesen. Außerdem mussten sie mit 18% bzw. 23% geringerer Wahrscheinlichkeit eine Therapie mit Antipsychotika aufnehmen, die als Marker für einen Rückfall oder eine Krankheitsexazerbation bzw. eine ungenügende Wirksamkeit dienten. Die Autoren vermuten, dass Frauen, die eine antidepressive Behandlung frühzeitig oder nach einer Kurzzeitbehandlung spät abbrachen, unter weniger schweren Krankheitsformen litten und deshalb die Behandlung erfolgreich beenden konnten.
Dauerhafte Therapie fortsetzen
Frauen hingegen, die nach dauerhafter Einnahme die antidepressive Therapie erst spät in der Schwangerschaft abbrachen, wurden mit einer um 13% erhöhten Wahrscheinlichkeit im ersten Jahr nach der Geburt Antipsychotika verordnet. Wenn eine affektive Störung bereits in der Vorgeschichte auftrat, sogar mit einer um 28% erhöhten Wahrscheinlichkeit. Ihr Risiko für einen psychiatrischen Notfall war dafür vergleichbar mit der Kontrollgruppe. Als dritten Endpunkt untersuchten die Autoren außerdem den Einfluss der Einnahmemuster auf selbstverletzendes Verhalten und stellten dabei aber keinen Unterschied zwischen den Gruppen fest. Für die Praxis bedeuten die Ergebnisse den Autoren zufolge in erster Linie, dass Schwangere, die aufgrund einer schwerwiegenden psychiatrischen Krankheit eine dauerhafte antidepressive Therapie erhalten, diese während einer Schwangerschaft fortsetzen sollten. Die Behandlung sollte nur im Rahmen einer individuellen Betreuung abgesetzt werden. |
Literatur
[1] Depressive Krankheitsbilder. Informationen von Embryotox, Abruf am 19. April 2023, www.embryotox.de/erkrankungen/details/ansicht/erkrankung/depressive-krankheitsbilder/
[2] Trinh NTH et al. Timing of Antidepressant Discontinuation During Pregnancy and Postpartum Psychiatric Outcomes in Denmark and Norway. JAMA Psychiatry 2023;e230041, doi: 10.1001/jamapsychiatry.2023.0041
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.