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COVID-19

Das Henne-Ei-Problem

Ist das Post-Vac-Syndrom ein Long-COVID nach Impfung?

In drei Pandemiejahren hat sich der Begriff Long-COVID im Bewusstsein von Medizinern und Laien etabliert. Hingegen wird ein Post-Vac-Syndrom erst seit einem guten Jahr stärker diskutiert. Mangels einer Falldefinition ist es noch schwerer fassbar als das postakute COVID-19. Möglicherweise ist die Pathophysiologie beider Syndrome identisch, aber der Grad der Beschwerden unterschiedlich. Ein Problem bei der Forschung: Ob eine Impfung oder eine Infektion der Auslöser der Folgebeschwerden ist, lässt sich kaum unterscheiden. | Von Ralf Schlenger 

Der Kardiologe und Intensivmediziner Prof. Dr. Bernhard Schieffer leitet die Post-Vac-Sprechstunde der Uniklinik Marburg, eine der wenigen Anlaufstellen dieser Art in Deutschland. Über Mangel an Zulauf kann er nicht klagen. „Da kommen Leute, die werden geimpft und drei Wochen später geht es ihnen schlecht. Man denkt an nichts Böses und wird erst mal vom Hausarzt abgetan“ [1]. Schieffer ist spe­zialisiert auf kardiale Symptome, seine Ambulanz betreut aber auch jene Patienten, die meinen, dass Kopfschmerzen, Schwindel, Gedächtnisstörungen, Taubheitsgefühle, Thrombosen und chronische Erschöpfungszustände auf die Corona-Impfung zurückgehen. Eben die ganze Bandbreite von Symptomen, die auch für Long-COVID charakteristisch sind. Eine weitere Spezialambulanz für Menschen, die ihre Beschwerden auf die Impfung zurückführen, unterhält die Klinik für Neurologie der Charité Universitätsmedizin Berlin. Sie wendet sich nur an Betroffene mit primär neurologischen Beschwerden wie Kopfschmerzen oder kognitiven Einschränkungen. Die Wartelisten beider Ambulanzen sind lang.

Unterschiede, die sich verwischen

An der Marburger Post-Vax-Ambulanz wurden im Jahr 2022 Daten von ungefähr 600 Patienten für eine Studie aufge­arbeitet. Eines der wichtigsten Ergebnisse aus Schieffers Forschung: Das Post-Vac-Syndrom – wie es derzeit beschrieben wird – ist nichts anderes als ein Long-COVID-Syndrom nach Impfung. Eine klare differenzialdiagnostische Einordnung und Abgrenzung zu anderen Erkrankungen, auch zu Long-COVID, sei nicht möglich. Schon die Beschwerden eindeutig einer Corona-Impfung oder der COVID-19-Erkrankung zuzuordnen, sei problematisch. Denn nach drei Pandemiejahren gibt es kaum noch immunnaive Menschen.

Pragmatische Einteilung der Symptome

Die Symptome (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) von Long-/Post-COVID werden in der aktuellen Literatur pragmatisch nach der Häufigkeit gruppiert:

sehr häufig

  • Fatigue
  • Dyspnoe
  • Leistungs- bzw. Aktivitätseinschränkung
  • Kopfschmerzen
  • Muskel- und Gelenkschmerzen
  • Riech- und Schmeckstörungen

häufig

  • Husten
  • Schlafstörungen
  • depressive Verstimmung
  • Angstsymptomatik
  • Symptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS)
  • allgemeine Schmerzen
  • verändertes Atemmuster
  • kognitive Einschränkungen
  • Zwangshandlungen
  • Haarausfall
  • Stress

selten

  • Lähmungen und Sensibilitätsstörungen
  • Schwindel
  • Übelkeit
  • Diarrhoe
  • Appetitverlust
  • Tinnitus
  • Ohrenschmerzen
  • Stimmverlust
  • Palpitationen
  • Tachykardie

(nach [2] S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID)

Sowohl nach Impfung als auch nach Infektion bildet der Körper – nach einer gewissen Latenzzeit – die gleichen Antikörper gegen das Spike(S)-Protein von SARS-CoV-2. Diese lassen sich mit Antikörper-Tests auf das S-Protein nachweisen. Der Nachweis einer stattgehabten Infektion hingegen ist mit Antikörpertests auf das virale Nukleokapsid-Protein (N-Protein) möglich. Damit kann mit begrenzter Zuverlässigkeit die Frage beantwortet werden, ob eine Person eine Infektion durchgemacht hat. Aber: „Dadurch dass ein Großteil unserer Patienten immer wieder Infektionen hatte, ist es extrem schwierig zu sagen, was ist Henne und was ist Ei,“ stellt Schieffer fest. Hinzu kommt, dass diese Unterscheidung in der klinischen Praxis kaum eine Rolle spielt. „Diese Dia­gnostik wird oft nicht gemacht, so dass hinter einem Teil der vermeintlichen Post-Vac-Fälle auch Long-COVID stecken könnte“, sagte Prof. Dr. Onur Boyman, Direktor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich, gegenüber dem Webportal Spektrum.de [1].

Post-Vac versus Long-COVID

Der Begriff Post-Vac-Syndrom (PVS) wird im Zusammenhang mit bestimmten Beschwerden nach einer COVID-19-Impfung verwendet, die zum Teil den beschriebenen Symptomen bei Long-COVID ähneln. Letztere definiert die deutsche S1-Leitlinie „Post-COVID/Long-COVID“ als Fortbestehen COVID-19-typischer Symptome über einen Zeitraum von vier Wochen nach der Erstinfektion; bei Symptomen über die Woche 12 hinaus spricht sie von Post-COVID [2]. Die vorläufige Falldefinition der Welt­gesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet keine Zeiträume, sondern fasst unter dem Begriff Post-COVID-19-Syndrom gesundheitliche Beschwerden zusammen, die noch drei Monate im Anschluss an eine durch­gemachte SARS-CoV-2-Infektion über mindestens zwei Monate fortbestehen und anderweitig nicht erklärbar sind [3]. Solche klinischen Falldefinitionen existieren bislang für das Post-Vac-Syndrom (noch) nicht.

Auch einen spezifischen MedDRA-Term (Medical Dictionary for Regulatory Activities) zur einheitlichen Klassifizierung und Registrierung der unerwünschten Wirkungen gibt es für das Post-Vac-Syndrom (noch) nicht, für Long-COVID bzw. Post-acute COVID-19-Syndrome hingegen schon [4]. Auch in die International Classification of Diseases (ICD 10) hat ein Code U09.9 für einen „Post-COVID-19-Zustand, nicht näher bezeichnet“ Einzug gehalten.

Die Häufigkeit von Long-COVID wird auf 10 bis 15% (3% bis 70%) geschätzt. Für ein Post-Vac-Syndrom existieren keine zuverlässigen Angaben, Schätzungen bewegen sich derzeit um die 0,1%.

Über 90% der Bevölkerung hatten Kontakt mit dem Virus

Dass alle derzeit verfügbaren Impfstoffe Antworten gegen das Spike-Protein (S-Protein) des Corona-Virus induzieren, nicht aber gegen das Nukleokapsid-Protein (N-Protein), macht man sich in der seroepidemiologischen „Corona-Monitoring bundesweit“-Studie zunutze. Die seit 2020 vom Robert Koch-Institut (RKI) zusammen mit Partnern durchgeführte Langzeitstudie basiert auf einer Zufallsstichprobe der Wohnbevölkerung in Deutschland. Schon in der Auswertung zum Jahreswechsel 2021/22 waren bei 92% der Bevölkerung IgG-Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachweisbar. Diese waren zum allergrößten Teil auf Impfungen zurückzuführen; nur bei 10% der Erwachsenen deuteten die Antikörpertests auf eine durchgemachte Infektion mit SARS-CoV-2 hin [5]. Diese Zahl ist übrigens – bezogen auf den Pandemiezeitraum bis Ende 2021 – etwa anderthalb- bis zweimal so hoch wie die offiziellen Meldezahlen. Aktuellere seroepidemiologische Daten zum Jahreswechsel 2022/23 werden laut Auskunft des RKI nicht mehr erhoben.

Was GKV-Daten aussagen

Könnten Daten der gesetzlichen Krankenkassen Licht in die Zusammenhänge bringen? Routinedaten der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wertete das POINTED-Konsortium (POINTED: Post-COVID-19 Monitoring in Routine Health Insurance Data) aus. Hier arbeiten Krankenkassen unter anderem mit dem Robert Koch-Institut und dem Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) der Uni­klinik Dresden zusammen. Publiziert wurde eine Studie mit Daten bis Ende 2020, wonach das Risiko für postakute Folgen von COVID-19 drei Monate nach einer Infektion um rund 30% erhöht war (relatives Risiko [RR] = 1,33 bei Erwachsenen, RR = 1,33 bei Kindern und Jugendlichen). Eine Korrelation zum Impfstatus, die Aufschluss geben könnte, ob Beschwerden mit der Impfung zusammenhängen, geht aus GKV-Daten leider nicht hervor. Denn die Abrechnung von Impfstoffen und von Arzneimitteln gegen COVID-19 wird im Gegensatz zu anderen Infektionserkrankungen direkt vom Bundesgesundheitsministerium übernommen.

Gemeinsame Ursachen, verschieden starke Effekte

William Murphy, ein Immunologe an der University of California, schlug schon im November 2021 im New England Journal of Medicine vor, dass ein durch das SARS-CoV-2-Spike-Protein ausgelöster Autoimmunmechanismus sowohl die Long-COVID-Symptome als auch einige seltene Nebenwirkungen der Impfstoffe erklären könnte [6]. Gegen die nach Impfung oder nach Infektion gebildeten Antikörper können wiederum Antikörper gebildet werden und verschiedene Effekte auslösen. Unter anderem könnten die „gespiegelten“ Anti-Antikörper das Spike-Protein imitieren und am ACE2-Rezeptor andocken, ihn downregulieren, stimulieren oder blockieren – mit unterschiedlichen Auswirkungen, je nach Funktion der ACE2-exprimierenden Zelle. Der Immunologe Prof. Dr. Onur Boyman findet den molecular Mimikry genannten Mechanismus sehr plausibel, wenn auch schwierig zu belegen. Nach der Molecular-Mimikry-Hypothese wäre die Anfälligkeit für solche Autoimmunreaktionen einerseits erblich, sagt Boyman. Unabhängig davon bestehe ein Risiko mit sehr viel größerer Wahrscheinlichkeit nach einer Infektion als nach einer Impfung. Grund: Das Ausmaß der Bildung von Autoantikörpern korreliert mit der Intensität der antiviralen humoralen Immunantwort, fand seine Arbeitsgruppe heraus [7]. „Bei der Impfung wird eine umschriebene Menge Antigen gebildet. Während der Infektion dagegen schießt die Produktion von Virusprotein vollkommen unkontrolliert in die Höhe.“ Das trage wahrscheinlich dazu bei, dass die Impfstoffe weniger Komplikationen verursachen als die Infektion [1]. Ein Beispiel hierfür sind Myokarditiden, die seit Einführung der mRNA-Impfstoffe für viele Diskussionen gesorgt haben.

Myokarditis nach Impfung milder als nach COVID-19

Seltene Post-Vac-Fälle von Myo-/Perikarditis sind vor allem bei jüngeren Männern beschrieben, besonders nach der zweiten Dosis mit Spikevax von Moderna [8]. Nach Impfung mit der Biontech/Pfizer-Vakzine hatte eine israelische Studie 2,7 Myokarditis-Fälle pro 100.000 Personen gefunden, nach SARS-CoV-2-Infektion indes 11,0/100.000 dieser Ereignisse [9]. Eine neue Studie aus Skandinavien zeigt, dass nicht nur die Zahl, sondern auch die Komplikationen von Herzmuskelentzündungen im Gefolge der SARS-CoV-2-mRNA-Impfung deutlich geringer ausfallen als bei COVID-19, wie auch im Vergleich zu konventionellen Myokarditiden [10]. Rund 8000 Patienten, die mit Myokarditiden dieser drei Ursachen ins Krankenhaus kamen, wurden in der Studie drei Monate lang nachbeobachtet. Nach 90 Tagen war das relative Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz nach einer Myokarditis in Zusammenhang mit der Impfung etwa halb so groß wie nach einer konventionellen Myokarditis (RR = 0,56); bei einer Myokarditis in Zusammenhang mit COVID-19 war es erheblich größer (RR = 1,48). Bei der Letalität waren COVID-19-Patienten nochmals stärker gefährdet als Geimpfte (RR = 0,48 bzw. 2,35 gegenüber konventioneller Myokarditis), insbesondere die Jüngeren zwischen 12 und 39 Jahren [10].

Nicht auszuschließen ist, dass der seltenen Myo-/Perikarditis ein Impffehler zugrunde liegt: eine versehentliche intravasale Injektion. Das erste Organ, welches der Impfstoff dann über die Blutbahn erreicht, ist das Herz. Bei einigen nach einer Corona-Impfung Verstorbenen stellten Pathologen in Heidelberg eine Herzmuskelentzündung als Todes­ursache fest: im Herzmuskel fanden die Ärzte das gleiche T-Zell-Infiltrat wie an der Injektionsstelle. Mehr als 40 Menschen habe man bereits obduziert, die binnen zwei Wochen nach einer Impfung gestorben sind, wird der Chefpathologe Prof. Dr. Peter Schirmacher im Deutschen Ärzteblatt zitiert [11]. Er geht davon aus, dass 30 bis 40% von ihnen an der Impfung gestorben sind.

Um das ohnehin geringe Risiko für eine Herzmuskelentzündung nach COVID-19-Impfung weiter zu reduzieren, empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) das Spritzen mit vorangehender Aspiration (s. Kasten „Impfung: Aspiration zur Vorbeugung gegen Herzkomplikationen“).

Impfung: Aspiration zur Vorbeugung gegen Herzkomplikationen

COVID-19-Impfstoffe dürfen ausschließlich intramuskulär und keinesfalls intravasal appliziert werden. Ent­gegen den allgemeinen Empfehlungen für sonstige Impfungen rät die STIKO-Empfehlung bei COVID-19-Impfungen erstmalig zur vorangehenden Aspiration [12]. Ziel ist es, eine unbemerkte intravasale Injektion zu vermeiden, auch wenn die Blutgefäße in den vorgesehenen Körperstellen (Musculis vastus lateralis oder M. deltoideus), die in Reichweite der Nadel liegen, für diesen Impffehler eigentlich zu klein sind. Bei der Impfung mit voran­gehender Aspiration wird nach dem intramuskulären Setzen der Injektionsnadel der Spritzenstempel zunächst kurz und sanft zurückgezogen, bevor dann der Impfstoff injiziert wird. Sollte beim Ansaugen Blut in der Spritze sichtbar werden, ist diese zu verwerfen und eine neue Spritze zu verwenden [13]. Hintergrund der Empfehlung: Im Tiermodell kam es nach direkter intravenöser Injektion eines mRNA-Impfstoffs zum Auftreten von klinischer und histopathologischer Perimyokarditis.

Zu wenige Meldungen erreichen das PEI

Der letzte Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) zählt 444 gemeldete Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit knapp zwei Millionen Booster-Impfungen mit den bivalenten mRNA-Impfstoffen Comirnaty Original/Omicron BA.1, Comirnaty Original/Omicron BA.4­5 bzw. Spikevax bivalent/Omicron BA.1 [14]: Bis zum 31. Oktober 2022 wurden laut Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) 1.907.923 Impfungen mit diesen Impfstoffen durchgeführt. Die Melderate zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen oder Impfkomplika­tionen betrug 0,23 pro 1000 Impfungen und zu Verdachtsfällen von schwerwiegenden Nebenwirkungen 0,03 pro 1000 Impfungen. Das heißt, ca. 90% der 444 Meldungen über den Verdacht einer Nebenwirkung waren nicht schwerwiegend. Neue Sicherheitssignale wurden nach Gabe der bivalenten mRNA-Impfstoffe nicht detektiert.

In 114 Verdachtsfällen waren die unerwünschten Reaktionen zum Zeitpunkt der Meldung vollständig abgeklungen, in 71 Fällen hatte sich der Allgemeinzustand verbessert. In 137 Fällen war der Gesundheitszustand noch nicht wiederhergestellt und in 114 Fallmeldungen war der Ausgang unbekannt. Bis zum 31. Oktober 2022 wurden dem PEI nach Impfung mit Comirnaty zwei Todesfälle von Personen über 80 Jahre berichtet, einer nach Herzinfarkt, einer nach einer Lungenembolie. Angesichts der vorbestehenden multiplen, schweren Vorerkrankungen dieser Personen sieht das PEI keinen ursächlichen Zusammenhang. Zwar wurden Todesfälle in zeitlicher Nähe zur COVID-19-Impfung weltweit berichtet, aber mehrere Studien zeigten, so das PEI, dass COVID-19-Impfungen insgesamt und insbesondere auch bei älteren Personen nicht zu einer Übersterblichkeit führen.

Als bleibender Schaden wurden dem PEI sechs Verdachtsfälle gemeldet, davon drei Schlaganfälle 4 bis 14 Tage nach Gabe eines bivalenten Comirnaty-Impfstoffes bei Patienten im Alter von 55, 73 und 89 Jahren. Ein kausaler Zusammenhang mit der bivalenten Impfung erscheine fraglich, so das Paul-Ehrlich-Institut.

Bekannte, sehr seltene Risiken der mRNA-Impfstoffe einschließlich der bivalenten Impfstoffe sind Myokarditis und/oder Perikarditis sowie Anaphylaxie. Als „konsistent mit einem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung“ bewertet das PEI zwei Fälle einer Myokarditis zehn bzw. zwölf Tage nach fünfter bzw. erster Impfung mit einem bivalenten Comirnaty-Vakzin. Weitere Adverse Events of Special Interest (AESI, grundsätzlich als schwerwiegend klassifiziert) waren Dyspnoe (n = 23), Synkope (n = 7), Arrhythmie des Herzens (n = 4), Lungenembolie (n = 3), Atemstörung (n = 3), Myokardinfarkt (n = 3) und Hörsturz (n = 3).

Die Melderate von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen nach den oben genannten bivalenten mRNA-Booster-Impfstoffen war bis 31. Oktober 2022 niedriger als nach Gabe der monovalenten mRNA-Impfstoffe von Comirnaty und Spikevax. Gründe hierfür sieht das PEI in einer mög­lichen systematischen Verzerrung aufgrund der kürzeren Nachbeobachtungszeit und verzögerter Meldungen. Auch würden Booster-Impfungen eher bei guter Verträglichkeit früherer Impfungen akzeptiert und durchgeführt. Insgesamt wurden dem PEI nach Grundimmunisierung plus Booster-Impfungen seit Beginn der Impfkampagne 333.492 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und 50.833 Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen berichtet. Die Melderate betrug für alle Einzelfallmeldungen 1,78 pro 1000 Impfdosen, für schwerwiegende 0,27 pro 1000 Impfdosen.

„Underreporting“ ist die Regel

Die Meldungen von Nebenwirkungen nach Impfung mit COVID-19-Impfstoffen erhält das Paul-Ehrlich-Institut nach dem Infektionsschutzgesetz via Gesundheitsamt durch die Ärzteschaft, weiterhin durch die Arzneimittelkommissionen der Apotheker und der Ärzte, die standesrechtlich zur Meldung verpflichtet sind. Auch Geimpfte selbst oder deren Angehörige können dem PEI vermutete Nebenwirkungen direkt per Post, E-Mail, Telefon oder über das elektronische Meldeportal (www.nebenwirkungen.bund.de) melden. Anzumerken ist, dass Aussagen zur tatsächlichen Häufigkeit der unerwünschten Ereignisse auf Basis solcher passiver Spontanmeldesysteme nicht möglich sind. Vermutet wird ein hohes Ausmaß an „underreporting“, das sich laut PEI „nicht exakt beziffern“ lässt. |

Literatur

 [1] Jötten F. Post-Vac-Syndrom: Was hinter schweren Impfkomplikationen steckt. Spektrum.de News vom 1. März 2023, www.spektrum.de/news/post-vac-wie-gefaehrlich-die-impfungen-wirklich-sind/2114313

 [2] Koczulla AR et al. Post-COVID/Long-COVID. S1-Leitlinie, AWMF-Register-Nr. 020/027, Stand 12. Juli 2021

 [3] A clinical case definition of post COVID-19 condition by a Delphi consensus, 6. Oktober 2021. World Health Organization https://apps.who.int/iris/handle/10665/345824

 [4] COVID-19-Terms and MedDRA. Medical Dictionary for Regulatory Activities Terminology (MedDRA) www.meddra.org/COVID-19-terms-and-MedDRA

 [5] Corona-Monitoring bundesweit – Welle 2. Informationen des Robert Koch-Instituts (RKI), Stand: 14. Dezember 2022, www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Studien/lid/lid_node.html#doc14779718bodyText1

 [6] Murphy W, Longo DL. A Possible Role for Anti-idiotype Antibodies in SARS-CoV-2 Infection and Vaccination N Engl J Med 2022;386:394-396, DOI: 10.1056/NEJMcibr21136947

 [7] Taeschler P et al. Autoantibodies in COVID-19 correlate with antiviral humoral responses and distinct immune signatures. Allergy 8. April 2022, 10.1111/all.15302, doi: 10.1111/all.15302

 [8] Public Health Ontario (2021): Myocarditis and Pericarditis Following Vaccination with COVID-19 mRNA-Vaccines in Ontario: December 13, 2020 to August 7, 2021. Enhanced Epidemiological Summary

[9] Barda N et al. Safety of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine in a Nationwide Setting. NEJM 2021, DOI: 10.1056/NEJMoa2110475

[10] Husby A, Gulseth HL, Hovi P et al Clinical outcomes of myocarditis after SARS-CoV-2 mRNA vaccination in four Nordic countries: population based cohort study. BMJ Medicine 2023;2:e000373, doi: 10.1136/bmjmed-2022-000373

[11] Heidelberger Pathologe pocht auf mehr Obduktionen von Geimpften. dpa/aerzteblatt.de, 2. August 2022, www.aerzteblatt.de/nachrichten/126061/Heidelberger-Pathologe-pocht-auf-mehr-Obduktionen-von-Geimpften

[12] 18. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung. Epidemiologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts (RKI) 2022;7: Stand: 17. Februar 2022

[13] Schiffter-Weinle M, Effertz D (Hrsg). Corona-Schutzimpfung - Arbeitshilfe für die Apotheke. Deutscher Apotheker Verlag, 1. Auflage, Stuttgart 2022

[14] Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen nach Impfung mit den Omikron-adaptierten bivalenten COVID-19-Impfstoffen Comirnaty Original/Omicron BA.1,Comirnaty Original/Omicron BA.4-5, Spikevax bivalent/Omicron BA.1 (bis 31. Oktober 2022 in Deutschland gemeldet. Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus/arzneimittelsicherheit.html

Autor

Ralf Schlenger ist Apotheker und arbeitet als freier Autor und Medizinjournalist in München.

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