Europa

Unser Nachbarland unter der Lupe

Apothekenwesen und Apothekenüberwachung in Frankreich

Die Zahl der Apotheken sinkt auch in Frankreich. Darüber berichtete der französische Apothekeninspektor Dr. Jean-Philippe Naboulet in seinem Vortrag über das französische Apothekenwesen und die Apothekenüberwachung auf der Fort­bildungsveranstaltung für Amtsapothekerinnen und Amtsapotheker am 22. Februar 2023 in Düsseldorf. Wie läuft die Arzneimittelüberwachung in Frankreich ab? Stehen die Inspektorinnen und Inspektoren vor den gleichen Herausforderungen wie in Deutschland? Und welche Unterschiede gibt es?
Foto: Privat

Dr. Jean-Philippe Naboulet, Apothekeninspektor und Ausbilder von Pharmazieinspektoren in Frankreich in der École des hautes études en santé publique in Rennes (Bretagne): „Apothekeninspektionen erfolgen im Wesentlichen auf der Grundlage von Risikoanalysen, wobei Beschwerden anderer Gesundheitsberufe und von Patienten sowie Anfragen anderer Behörden (z. B. Polizei, Krankenversicherung, Justiz) eine wichtige Rolle spielen.“

Rund 20.805 Apotheken sind 2023 in Frankreich registriert. Mit 31 Apotheken pro 100.000 Einwohnern liegt unser Nachbarland damit im Mittelfeld der europäischen Apothekendichte. Zum Vergleich: Spitzenreiter ist Griechenland mit 88 Apotheken und Schlusslicht Dänemark mit nur acht Apotheken pro 100.000 Einwohnern. Deutschland liegt mit einer Zahl von 22 Apotheken unter dem Schnitt der Franzosen.

Im Durchschnitt benötigt der Bürger in Frankreich 3,8 Kilometer, um zur nächsten Apotheke zu gelangen. Allerdings ist auch im Nachbarland ein deutlicher Rückgang bei den öffent­lichen Apotheken zu verzeichnen. Innerhalb von zehn Jahren mussten fast 1740 Apotheken schließen, was einem Rückgang von 7,9% entspricht.

Apothekenlandschaft in Frankreich

In Frankreich herrscht für Apotheken keine Niederlassungsfreiheit – im Gegensatz zu Arztpraxen. In städtischen, wirtschaftlich bedeutenden und touristischen Gebieten ist eine höhere Präsenz von Ärzten festzustellen, während in ländlichen oder benachteiligten Gebieten trotz einer sehr geringen Ärztedichte immer noch eine starke Präsenz von Apotheken zu verzeichnen ist. Die Zahl der Apotheken richtet sich nach der Einwohneranzahl der Gemeinde. Die Eröffnung einer Apotheke durch Verlegung oder Gründung ist in Gemeinden mit mehr als 2500 Einwohnern möglich. Die Einrichtung zusätzlicher Apotheken in der Gemeinde ist dann für jeweils weitere 4500 Einwohner erlaubt. Abweichend davon liegt die Quote in den Departements Guyana, Moselle und in den beiden elsässischen Departements bei 3500 Einwohnern. So möchte man in Frankreich eine optimale Versorgung der Bürger über das gesamte Land gewährleisten.

Zu den am besten versorgten Regionen gehören Île-de-France (Paris und Umgebung) mit 3500 Apotheken und die Region Auvergne-Rhône-Alpes mit 2428 Apotheken. Allerdings gibt es in 5511 Gemeinden nur eine einzige Apotheke, und die Zahl der Dorfapotheken ist stark rückläufig. In den 25.550 Dörfern mit weniger als 1000 Einwohnern, in denen fast 14% der Bevölkerung des Landes wohnen, sind nur noch 1000 Apotheken übrig geblieben. In diesen abgelegenen Gebieten ist die ältere Bevölkerung stärker vertreten. Aber gerade diese Gruppe ist es, die auf einen besseren Zugang zu medizinischer Versorgung angewiesen ist.

Foto: EnginKorkmaz/AdobeStock

Die Apothekendichte in Frankreich (hier eine Pariser Apotheke) ist trotz staatlicher Regulierungen größer als in Deutschland.

Arbeitsplatz Offizin

Derzeit sind 74.039 Apothekerinnen und Apotheker bei den französischen Kammern registriert. Davon arbeiten 53.612, also 72%, in einer Offizin. Darüber hinaus sind in Frankreich derzeit 63.000 pharmazeutisch-technische Assistenten beschäftigt, von denen 90% in der Offizin und etwa 10% im Krankenhaus arbeiten. Trotz dieser hohen Zahl gibt es in den Großstädten einen Mangel an pharmazeutisch-technischen Assistenten, während einige ländliche Regionen überversorgt sind.

Die Aufgaben in der Offizin haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Klinische Aspekte sind in den Vordergrund gerückt und sollen weiter vertieft werden. So kann ein Apotheker in Frankreich vom Patienten gegenüber der Krankenkasse als sogenannter „Korrespondenzapotheker“ benannt werden. Damit sind die Apothekerin oder der Apotheker befugt, bei chronisch kranken Patienten die Dosierung des Arzneimittels an­zupassen oder die Einnahmezeit zu verlängern. Damit soll vor allem der Ärztemangel in ländlichen Regionen kompensiert werden.

Apothekerinnen oder Apotheker dürfen auch bestimmte Impfungen durchführen und verschreibungspflichtige Arzneimittel für bestimmte Krankheiten nach sorgfältiger Dokumentation abgeben. So sind Apotheker beispielsweise befugt, Arzneimittel gegen Harnwegsinfekte zu verschreiben. Der Arzt wird dadurch entlastet und der Patient erhält schnelle Hilfe. Darüber hinaus ist es wie bei uns in Deutschland möglich, die Funktion eines heimversorgenden Apothekers für ein Alten- und Pflegeheim zu übernehmen.

Digitalisierung wird in Frankreich großgeschrieben. Auch in unserem Nachbarland steht die Telegesundheitin der Apotheke mittlerweile in einem besonderen Fokus. So können Tele­konsultationen, Videosprechstunden und Telepflege durchgeführt werden. Interessanterweise ist es auch möglich, in seiner französischen Offizin Brillen, Hörgeräte und orthopädische Produkte zu vertreiben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass eine Person mit entsprechender Qualifikation angestellt und eine gesonderte räumliche Ausstattung vorhanden ist.

Besonderheit: Mindestzahl angestellter Apotheker

Die Mindestzahl der angestellten Apotheker ist in Frankreich streng geregelt. Ab einem Umsatz von 1,3 Mio. Euro muss mindestens eine Apothekerin bzw. ein Apotheker angestellt sein. Für jeweils weitere 1,3 Mio. Euro Umsatz wird ein weiterer angestellter Apotheker beschäftigt. Die Umsatzbasis ist für die französischen Überseegebiete (Départements d‘outre-mer – Terri­toires d‘outre-mer DOM-TOM) höher.

Zudem ist vorgeschrieben, dass nur eine Apothekerin bzw. ein Apotheker Inhaber der Apotheke sein darf, Apothekenketten sind verboten. Es gibt zwar verschiedene Formen der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Einkaufs, aber jede Apotheke bleibt unabhängig.

Für die Ausübung sogenannter „besonderer Tätigkeiten“ ist in Frankreich die Einholung einer Sondergenehmigung erforderlich. Dazu gehören unter anderem die Abgabe von sterilen Zubereitungen wie Zytostatika und Parenteralia, Zubereitungen mit CMR-Stoffen und Zubereitungen für Kinder unter zwölf Jahren, die giftige Stoffe enthalten – mit Ausnahme von Zubereitungen, die auf die Haut aufgetragen werden. Darüber hinaus gilt für den Versandhandel in Frankreich wie bei uns: Nur niedergelassene Apotheken dürfen Arzneimittel über das Internet verkaufen. Allerdings: Verschreibungspflichtige Arzneimittel sind vom Versand ausgeschlossen!

In den letzten zehn Jahren gingen 7,9% der Apotheken in Frankreich verloren. Wirtschaftliche Gründe, der Wunsch im Team zu arbeiten und die neuen Herausforderungen durch zeitintensive Beratungen und Impfungen sind wesentliche Ursachen für den Rückgang.

Dr. Jean-Philippe Naboulet, Apothekeninspektor

Apothekeninspektionen

Laut Schätzungen werden ca. 1% der Apotheken in Frankreich pro Jahr kontrolliert. Jede Inspektion erfolgt mit vorheriger Information des Staatsanwalts und wird im Normalfall unangekündigt durchgeführt. Damit wird ausgeschlossen, dass laufende Ermittlungen gestört werden. Nach jedem Jahr wird ein regionales Inspektionsprogramm erstellt und neu bewertet. Dabei werden vor allem verdächtige Apotheken mithilfe einer Risikoanalyse ermittelt, aber auch Beschwerden von Patienten oder Kollegen sind keine Seltenheit.

Im Jahr 2020 hat die für Disziplinarmaßnahmen zuständige Kammer (Conseil de l‘ordre) 331 Beschwerden erhalten. 45% der Beschwerden wurden von Apothekern eingereicht, 33% von Privatpersonen, 16% von Vorsitzenden regionaler oder zentraler Apothekerräte und 6% von regionalen Gesundheitsbehörden. Daraus resultierten 170 behördliche Entscheidungen aus erster Instanz. In 65% dieser Entscheidungen wurde eine Sanktion verhängt. Insgesamt wurden 137 individuelle Sanktionen und 66% zeitweilige Berufsverbote verhängt. Die zuständigen Fachgerichte sind straf- und zivilrechtlich unabhängig. Sie orientieren sich bei den Sanktionen an den Vorgaben des Gesetzes über die öffentliche Gesundheit (Code de la santé publique, CSP): die Verwarnung, der Tadel mit Akteneintrag, das vorübergehende oder endgültige Verbot, Lieferungen an staatliche Institutionen zu tätigen, das Verbot der Ausübung des Apothekerberufs für eine Dauer von bis zu fünf Jahren mit oder ohne Bewährung, und das endgültige Berufsverbot.

Eine besondere Aufgabe übernimmt der Apothekeninspektor bei der Anfrage von z. B. Justiz, Zoll oder Polizei, wenn er dazu beitragen kann, Kriminalfälle zu lösen.

Routineinspektionen in Apotheken sind ebenfalls möglich, werden jedoch aufgrund des zunehmenden Zeit­mangels immer seltener. Denn in Frankreich mangelt es den Apothekeninspektoren an Nachwuchs. Während 2013 noch 238 Inspektoren in Frankreich tätig waren, sind es im Jahr 2022 lediglich 214. Hinzu kommt der auch in diesem Bereich stetig wachsende Zeitmangel pro Arbeitskraft. Während die Apothekeninspektoren in den 2000er-Jahren noch 80% ihrer Zeit für die Inspektion aufbrachten, sind es heute im Durchschnitt nur noch 30%. Viel Zeit wird für andere Aufgaben aufgewendet, z. B. für die Unterstützung oder Koordinierung von Projekten und Programmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Präventionsmaßnahmen oder die Beteiligung an der Krisenbewältigung.

Orte der Berufsausübung

Apotheken- und Arzneimittelinspek­toren haben in Frankreich zahlreiche Beschäftigungsmöglichkeiten. Zum einen können sie in Gesundheitsbehörden, wie der Agence Regionale de Santé (ARS), dem Gesundheitsministerium oder in der Arzneimittelbehörde (ANSM), arbeiten. Außerdem ist es möglich, in anderen Ministerien oder Institutionen des öffentlichen Gesundheitswesens zu arbeiten. Seltener haben einige Inspektionsapotheker die Möglichkeit, für internationale oder europäische Institutionen tätig zu werden (z. B. WHO, Europäische Kommission, European Directorate for Quality of Medicine and Health (EDQM) in Straßburg).

Neben einigen Unterschieden zwischen dem deutschen und französischen Apothekenwesen wird somit deutlich: Auch das Apothekenwesen unserer Nachbarn befindet sich im Wandel, die Zahl der Apotheken nimmt ab und pharmazeutische Dienstleistungen entwickeln sich weiter. Zur Bewältigung der zukünf­tigen Herausforderungen muss sich aber auch die Apothekenüberwachung weiterentwickeln. |

Dana-Louisa Weber, Münster

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