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Neuer Whistleblowerschutz – welche Unternehmen jetzt handeln müssen
Neue gesetzliche Vorgaben kommen / Worum sich größere Apotheken schon jetzt kümmern sollten
2016 stoppten zwei Angestellte die Begehung fortgesetzter schwerer Straftaten ihres Arbeitgebers und verhinderten durch ihre Meldung schwerste Lebens- und Gesundheitsgefahren für viele weitere Krebspatientinnen und -patienten. Aufgrund ihrer Courage wurden sogar strukturelle Missstände bei staatlichen Aufsichtsbehörden offenbar, was ein großes Umdenken in der Gesundheitsbranche auslöste.
Das mutige Handeln der Hinweisgeber hatte für sie harte personelle Konsequenzen zur Folge. Auch in vielen anderen Fällen führen Meldungen eines Verdachts zu persönlichen Nachteilen für den Whistleblower. Mobbing oder Kündigung sind bis heute persönliche Risiken, die oft eine unüberwindbare Hürde für hinweisgebende Personen darstellen. Das wird sich mit dem kommenden Hinweisgeberschutzgesetz bald ändern.
Europäische Vorgaben müssen umgesetzt werden
Die Whistleblower-Richtlinie der EU fordert, dass Unternehmen ein Meldesystem zum Schutz von Personen vorhalten müssen, die einen Verstoß gegen geltendes Recht melden. Die Umsetzung in deutsches Recht ist auf dem Weg; es fehlt noch die Zustimmung durch den Bundesrat. Dass die EU-Vorgaben demnächst in Deutschland gelten werden, steht indessen fest. Daher ist jetzt der richtige Zeitpunkt, sich darauf vorzubereiten.
Kernanforderungen der Richtlinie
Die Pflicht zur Vorhaltung eines Hinweisgebersystems richtet sich an alle Beschäftigungsgeber ab 50 Beschäftigte; hierzu zählen Unternehmen ebenso wie Behörden und Träger berufsständischer Selbstverwaltungen (z. B. Apothekerkammern).
Es muss ein interner Meldekanal eingerichtet werden, der für eigene Arbeitnehmer, Freelancer und Geschäftspartner erreichbar sein muss. „Intern“ bedeutet „innerhalb der Organisation/juristischen Person“, wobei auch die Beauftragung eines Dritten mit der Betreuung des internen Meldekanals, zum Beispiel einer Rechtsanwältin (Ombudsperson) oder eines Compliance-Beraters, als rechtskonforme Lösung anerkannt ist und eine praktikable Lösung in der Praxis sein kann.
Praktische Umsetzung
Der internen Meldestelle obliegen die Verfahrensführung sowie das Ergreifen von Folgemaßnahmen, zum Beispiel die Einleitung einer internen Untersuchung, die Einführung eines Konsequenzen-Managements einschließlich Festlegung von Kompetenzen und in bestimmten Fällen auch die Abgabe des Verfahrens an eine zuständige Behörde. Es besteht die Verpflichtung, auch anonyme Meldungen zu bearbeiten. Die beauftragte Person muss in der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig sein und über die notwendige Fachkunde verfügen. In vielen Unternehmen werden diese Aufgaben von der Compliance-Beauftragten bzw. dem Compliance Manager übernommen.
Potenzielle Hinweisgebende fürchten häufig, dass sie bei unternehmensinternen Meldesystemen nicht tatsächlich anonym bleiben, oder sie bemängeln fehlende Transparenz bezüglich der Bearbeitung der Meldungen. Die Betreuung und Bearbeitung von Meldungen durch einen Dritten, der von der IT-Infrastruktur des Unternehmens unabhängig ist, kann diese Vorbehalte auflösen.
In der Regel versuchen hinweisgebende Personen, ihre beobachteten Missstände zunächst intern anzusprechen, bevor sie sich an Behörden, Medien oder die Öffentlichkeit wenden. Dies setzt voraus, dass sie im Unternehmen eine offene Kultur und geeignete Kanäle vorfinden, die ihnen dies risikolos ermöglichen.
Die erwünschte Fehlerkultur ist indessen nicht überall selbstverständlich. Aus diesem Grund wird beim Bundesamt für Justiz eine zusätzliche Stelle für externe Meldungen eingerichtet. Potenzielle Hinweisgebende haben ein Wahlrecht, ob sie sich an eine interne oder externe Meldestelle wenden wollen; der Beschäftigungsgeber hat die Pflicht, die alternativen Meldekanäle in geeigneter Weise an seine Mitarbeitenden zu kommunizieren.
In aller Kürze:
- Pflicht zur Einrichtung eines Hinweisgebersystems für Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten
- Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers
- Umfassende Dokumentationspflichten
- Unabhängige Tätigkeit, notwendige Fachkunde
- Verbot von Repressalien, Beweislastumkehr!
- Sanktionsbewehrung bei Verstößen
Was jetzt zu tun ist
Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich bald um die Reduktion des persönlichen Haftungsrisikos kümmern. Sie haben die Möglichkeit, eine Meldestelle innerhalb der eigenen Organisation einzurichten, die vertrauliche Meldungen entgegennimmt und Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts einleitet oder können einen Dritten mit dieser Aufgabe betrauen.
In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, ein elektronisches Hinweisgebersystem zu implementieren, welches die erforderlichen Prozessschritte und wesentlichen Voraussetzungen, wie die Wahrung der Vertraulichkeit und die Einhaltung von Dokumentationspflichten, bereits mitliefert.
Im Falle der Nichteinrichtung eines internen Meldeweges oder bei schwerwiegenden Verstößen, zum Beispiel die Verletzung der Vertraulichkeit oder das vorsätzliche Ergreifen von Repressalien, drohen hohe Bußgelder. Im Streitfall über das Ausüben von Repressalien gegenüber der hinweisgebenden Person gilt eine Beweislastumkehr, das heißt, der Beschäftigungsgeber hat zu beweisen, dass die Benachteiligung nicht auf der Meldung beruhte.
Ein richtig angelegtes Hinweisgebersystem schafft Sicherheit und Vertrauen für Beschäftigte und Geschäftspartner und bildet ein „Frühwarnsystem“ für das Unternehmen. |
1 Kommentar
Das Volk liebt den Verrat, nicht aber den Verräter,
von Gregor Barendregt am 22.03.2023 um 21:22 Uhr
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