Arzneimittel und Therapie

Strenge Zielwerte bei Gestationsdiabetes

Säuglinge profitieren auf Kosten der Mütter

Ein Gestationsdiabetes ist mit zahlreichen negativen Folgen für Mutter und Kind verbunden. Eine Normalisierung der mütterlichen Blutglucose-Konzentration ist daher das wichtigste Therapieziel. Die Empfehlungen, welche Werte angestrebt werden sollen, variieren indes. Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Zielwerte auf Mutter und Kind? Mit dieser Frage befasste sich die neuseeländische TARGET-Studie.

Die Studie wurde an zehn Krankenhäusern zu fünf verschiedenen Zeitpunkten in Neuseeland durchgeführt. Alle Zentren begannen mit moderaten Therapiezielen für die Blutglucose-Konzentration:

  • nüchtern < 5,5 mmol/l (< 99 mg/dl),
  • eine Stunde postprandial < 8,0 mmol/l (< 144 mg/dl),
  • zwei Stunden postprandial < 7,0 mmol/l (< 126 mg/dl).

Jeden vierten Monat wechselten zwei Studienzentren zu strengeren Werten:

  • nüchtern ≤ 5,0 mmol/l (≤ 90 mg/dl),
  • eine Stunde postprandial ≤ 7,4 mmol/l (≤ 133 mg/dl),
  • zwei Stunden postprandial ≤ 6,7 mmol/l) (≤ 121 mg/dl).

Der primäre Studienendpunkt war ein für das Gestationsalter zu hohes Gewicht (large for gestational age). Dabei liegt das Gewicht des Neugeborenen über dem Geburtsgewicht von 90% aller Kinder desselben Gestationsalters. Sekundäre Endpunkte erfassten verschiedene Parameter der mütterlichen und kindlichen Gesundheit. Die Auswertung der Studie erfolgte mithilfe einer Intention-to-treat-Analyse. In einem 30-monatigen Zeitraum wurden die Daten von 1100 Frauen mit Gestationsdiabetes gesammelt, die 1108 Kinder geboren hatten. Der Gruppe mit strengen Therapiezielen gehörten 598 Frauen mit 602 Kindern an, der Gruppe mit moderaten Therapiezielen 502 Frauen mit 506 Kindern.

Foto: ILIA/AdobeStock

Kein Einfluss auf das Gewicht

Die Rate der Säuglinge mit einem zu hohen Gewicht für das Gestationsalter war unter beiden Regimen ähnlich und lag bei 14,7% unter den strengen Vorgaben versus 15,1% unter den moderaten Vorgaben.

Ein Unterschied zeigte sich bei einem zusammengesetzten, auf Säuglinge bezogenen Endpunkt, der aus perinatalem Tod, Geburtstrauma oder Schulterdystokie (nach der Geburt des kindlichen Kopfes auftretende inkorrekte Einstellung der kindlichen Schultern in das Becken der Mutter, die den weiteren Verlauf der Geburt verzögert) bestand. Unter dem Einhalten der strengen Therapievorgaben trat dieser bei 1,3% der Säuglinge auf. Unter der moderaten Therapie betraf dies 2,6% der Säuglinge. Das entspricht einer Risikominderung um 77% (adjustiertes relatives Risiko 0,23; p = 0,032) durch das Einhalten strenger Vorgaben. Ein weiterer Säuglings-bezogener Unterschied war die kürzere Verweildauer auf Intensivstationen beim Einhalten strengerer Therapieziele.

Was die sekundären, die Mütter betreffenden Endpunkte anbelangt, so führte die Einhaltung strenger Zielwerte zu einem Anstieg von Komplikationen um rund das Doppelte (5,9% versus 3,0%; adjustiertes relatives Risiko 2,29; p= 0,020). Darunter fielen schwere Blutungen, Koagulopathien, Embolien und geburtshilfliche Komplikationen. Keine auffallenden Unterschiede gab es bei der Häufigkeit von Präeklampsie, der Notwendigkeit einer Geburtsein­leitung oder eines Kaiserschnitts. Frauen, die strengere Zielvorgaben einhielten, benötigten häufiger eine medikamentöse Therapie (Metformin, Insulin) während der Schwangerschaft als Frauen, die moderate Ziele einhalten mussten (67,9% vs. 58,5%).

Zielwerte individuell festlegen

Das Einhalten strenger Zielvorgaben wirkte sich nicht auf das Gewicht des Kindes, wohl aber auf die mütterliche und kindliche Morbidität aus. Eine strengere Blutglucose-Kontrolle verringerte schwerwiegende Säuglingsmorbiditäten, allerdings auf Kosten einer erhöhten Morbidität der Mutter. Bei der Vorgabe von Zielwerten für die Glucose-Kontrolle bei Frauen mit Gestationsdiabetes sollte dies individuell berücksichtigt werden, so das Fazit der Studienautoren. |
 

Literatur

Crowther CA et al. Tighter or less tight gly­caemic targets for women with gestational diabetes mellitus for reducing maternal and perinatal morbidity: A stepped-wedge, cluster-randomised trial. PLoS Med 2022;19(9):e1004087, doi: 10.1371/journal.pmed.1004087

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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