Arzneimittel und Therapie

Mit Acetylsalicylsäure Frakturrisiko senken?

Ältere Menschen scheinen doch nicht zusätzlich von dem Blutgerinnungshemmer zu profitieren

Acetylsalicylsäure (ASS) 100 mg wird zur Blutverdünnung unter anderem bei instabiler Angina pectoris, zur Reinfarktprophylaxe oder bei Durchblutungsstörungen im Gehirn eingesetzt. Immer wieder werden aber auch andere mögliche Indikationen diskutiert, z. B. eine Reduktion des Darmkrebsrisikos. Auch die Möglichkeit, dass ASS das Auftreten von Frakturen bei älteren Personen reduzieren kann, wird diskutiert.

Weltweit werden jährlich ca. 1,6 Millionen Hüftfrakturen sowie ca. 700.000 sturzbedingte Todesfälle verzeichnet. In den meisten Fällen sind die Hüftfrakturen (95%) Folge eines Sturzes. Dabei steigt das Risiko für Stürze und Frakturen mit zunehmendem Alter an. Fragilitätsfrakturen sind auf eine Abnahme der Knochenmasse und Verschlechterung der Knochenarchitektur zurückzuführen. In einem systematischen Review wurde berichtet, dass durch die Einnahme von Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin®) die Häufigkeit von Frakturen im Vergleich zur Kontrollgruppe um 17% reduziert werden konnte [1]. ASS könnte den Knochenabbau verzögern und somit Knochenbrüchig­keit und Anzahl der Stürze reduzieren, so die Hypothese. Wie ASS auf die Mikroarchitektur des Knochens einwirkt, müsse noch geklärt werden. Doch die Assoziation mit der Knochendichte war in diesem Review gering.

Foto: Racle Fotodesign/AdobeStock

Gesunde, ältere Probanden

In der kürzlich veröffentlichten ASPREE-Fracture Studie [2] war daher der Frage nachgegangen worden, ob die tägliche Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure die Häufigkeit von Frakturen und schwerwiegenden Stürzen bei gesunden älteren Personen reduzieren kann. Gesund hieß in diesem Fall, dass weder kardiovaskuläre Erkrankungen noch Demenz oder körperliche Behinderungen vorliegen durften. Dazu rekrutierten die Studienautoren über 16.000 Personen zwischen 72 und 78 Jahren. Die Hälfte dieser Personen erhielt täglich 100 mg ASS in magensaftresistenter Form, die andere Gruppe nur Placebo. Als primärer Endpunkt wurde das Auftreten jeglicher Fraktur nach Randomisierung festgelegt, sekundärer Endpunkt war das Auftreten von schwerwiegenden Stürzen, die zu einer Vorstellung im Krankenhaus führten.

Enttäuschende Ergebnisse

In einem medianen Nachverfolgungszeitraum von 4,6 Jahren traten 2865 Frakturen und 1688 schwerwiegende Stürze auf. Das Risiko für das Auftreten der ersten Fraktur war dabei in beiden Gruppen gleich hoch (Hazard Ratio [HR] = 0,97). Die Einnahme von ASS war aber mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende Stürze verbunden (Inzidenzratenverhältnis = 1,17).

Das Versagen von niedrig dosierter ASS hinsichtlich der Reduktion des Frakturrisikos bei gleichzeitigem Anstieg des Sturzrisikos zeigt, dass dieses bei gesunden älteren Personen keinen Nutzen bietet. Die große Zahl an Probanden sowie die nahezu vollständige Endpunktbestimmung verleihen den Studienergebnissen eine hohe Glaubwürdigkeit. Die klinische Signifikanz dieser Ergebnisse beruht auf dem hohen Prozentsatz an älteren Personen, die ASS zur Prophylaxe kardiovaskulärer oder zerebrovaskulärer Ereignisse einnehmen und gleichzeitig ein erhöhtes Sturzrisiko haben. |
 

Literatur

[1] Barker AL et al. Aspirin and fracture risk: a systematic review and exploratory meta-analysis of observational studies. BMJ Open 2020;10(2):e026876, doi: 10.1136/bmjopen-2018-026876

[2] Barker AL et al. Daily Low-Dose Aspirin and Risk of Serious Falls and Fractures in Healthy Older People: A Substudy of the ASPREE Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med 2022;182(12):1289-1297, doi: 10.1001/jamainternmed.2022.5028

Apothekerin Dr. Sabine Fischer

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