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- AZ 8/2023
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Wirtschaft
Was nun, Herr Anderson?
Wie sich der Chefwechsel auf den Bayer-Konzern auswirken könnte
Die Börse hat bereits ein klares Urteil gesprochen: An dem Tag, als der Dax-Konzern Bayer verkündete, dass Konzernchef Werner Baumann ausscheiden und Bill Anderson, zuletzt CEO der Pharma-Sparte von Roche, zum 1. April Vorstand der Bayer AG und ab Juni Vorstandsvorsitzender des Unternehmens werden wird, machte die Aktie einen Sprung um sechs Prozent nach oben. Seit Jahresende 2022 konnte sich das Papier in der Spitze gar von 48,33 auf 65,66 Euro verteuern.
In der Entwicklung des Aktienkurses spiegelt sich vor allem Erleichterung wider. Erleichterung, dass nach der von Baumann durchgezogenen 63 Mrd. Dollar teuren Übernahme des US- Saatgutriesen Monsanto im Jahr 2018 und den darauf folgenden kostspieligen Rechtsstreitigkeiten um angebliche Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat nun ein neuer Mann einen neuen Kurs einschlagen könnte. Über Jahre befand sich die Bayer-Aktie im Sinkflug. Im Jahr 2019 verweigerten die Aktionäre Vorstandschef Baumann auf der Hauptversammlung gar die Entlastung.
Sanierung, Abspaltung oder Aufspaltung?
Anderson ist ein Mann der Pharmaindustrie, auf diesem Gebiet kennt sich der Amerikaner bestens aus. Wird Bayer, aktuell bestehend aus dem Pharmageschäft mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln, dem Bereich Consumer Health mit rezeptfreien Medikamenten und dem Agrargeschäft, damit in Zukunft seinen Fokus wieder auf innovative Pharmaprodukte und Biotech legen, fragen sich manche? Tatsächlich könnte es sein, dass der neue CEO den Konzern verstärkt in diese Richtung steuert und das Geschäft mithilfe von Übernahmen vor allem in den USA stärkt.
Andererseits hatte schon seit Längerem eine breite Allianz deutscher und internationaler Profianleger Druck auf das Bayer-Management ausgeübt. Zuletzt mischten auch mehrere aktivistische angelsächsische Investoren wie Inclusive Capital Partners und Bluebell Capital mit. Der kleine Fonds mit unbekannter Beteiligungshöhe an Bayer ist für aggressives Vorgehen bekannt. Bluebell dringt laut einem Medienbericht auf eine Aufspaltung des Konzerns. Ein solcher Schritt könnte nach Schätzungen von Investoren bis zu 85 Prozent Wertzuwachs bringen.
Bereits wenige Tage vor dem angekündigten CEO-Wechsel argumentierte das angesehene Wall Street Journal, dass mit einem Neuen an der Spitze ein Strategiewechsel einhergehen könnte. Dabei könnte der neue CEO einige einfache Erfolge erzielen – insbesondere durch den Verkauf der Consumer-Health-Sparte, um damit Schulden abzubauen. OTC-Marken vom Hightech-Pharmageschäft zu trennen, habe bereits bei Unternehmen wie Merck, GSK und Johnson & Johnson funktioniert.
Eine Abspaltung „der Sparte Consumer Health wäre ein möglicher Weg, um den Unternehmenswert zu steigern“, sagte auch Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment, der „Rheinischen Post“. Eine Abspaltung der weit größeren Agrarsparte Crop Science halte er dagegen nicht für machbar. „Eine Abspaltung beziehungsweise ein Spin-off von Crop Science ist wegen der Glyphosat-Unsicherheit im Moment noch keine Option. Zudem dürfte Bayer Pharma dann recht schnell übernommen werden, und wir würden eher von einer Zerschlagung sprechen, die niemand will und die dem Standort Deutschland schaden würde“, so der Fondsmanager.
Vor einer Zerschlagung des Konzerns warnt auch die Chemie-Gewerkschaft IG BCE. „Aus Sicht der Beschäftigten ist Bayer mit seinen drei Standbeinen genau richtig aufgestellt für die Herausforderungen der Zukunft“, sagte Francesco Grioli, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft und Bayer-Aufsichtsrat, der „Rheinischen Post“.
Analysten begrüßen jedenfalls die personelle Erneuerung und damit die Aussicht auf eine veränderte Unternehmenspolitik und Ausrichtung. Die Ernennung des bisherigen Pharma-Managers Anderson zum neuen Konzernchef werde von Investoren als Idealergebnis wahrgenommen, so Analyst Falko Friedrichs von Deutsche Bank Research in einer Studie.
Die US-Investmentbank Goldman Sachs urteilt: Angesichts der schwierigen mittelfristigen Wachstumsaussichten für die Pharmasparte von Bayer und der Notwendigkeit, die Pipeline zu erneuern, sei die Ernennung des erfahrenen Pharma-Managers Anderson positiv für den Konzern, so Analyst Keyur Parekh. Und die Schweizer Großbank UBS sieht in dem Neuen zumindest mit Blick auf das Pharmageschäft der Leverkusener einen Boten des Wandels. Was die Personalie hingegen für die Konzernstruktur insgesamt bedeute, also mit Blick auf die Agrarsparte und das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten, sei indes noch offen. |
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