Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Standort – Standort – Standort

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

Wenn man einen Handelsbetriebswirt mit Erfahrung danach fragt, was das wichtigste absatzpolitische Instrument sei, antwortet er mehr denn je mit „der Standort“. Auf die Frage, was danach käme, verlautet es nicht selten „der Standort“, und auf das Nachhaken, ob man noch etwas darüber hinaus berücksichtigen müsse, fällt vielfach leicht schmunzelnd der Kommentar: „den Standort“. Das war, ist und bleibt vermutlich etwas überzeichnet. Gleichwohl ist nicht von der Hand zu weisen, dass erst durch das Erstarken des Internethandels, dann durch die corona­bedingten Lockdowns und schließlich durch die in dieser Zeit zweifelsfrei veränderten Konsumcharakteristika der Standort eher nochmals an Bedeutung zugelegt hat, als er an Relevanz verloren hätte.

Begründet wird diese extreme Sicht dadurch, dass ein schlechter, gar falscher Standort auch durch noch so gutes anderes Marketing nicht kompensiert werden könne. Davon mag es dann Ausnahmen geben, wenn es einer Apotheke beispielsweise gelänge, in einem spezifischen Indikationsbereich derart einzigartig zu sein, dass alle Kunden, die dies suchen, den ggf. suboptimalen Standort in Kauf nehmen. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob nicht nach einmal erfolgter guter pharmazeutischer Beratung die Neigung des Kunden, bei einem schlechten Standort der anbietenden Apo­theke dann doch auf online umzustellen, überwiegt.

Ein guter Standort ist auch deshalb relevant, weil alle Analysen bei einem Apothekenverkauf einen großen Block Standort beinhalten. Um den Apothekenstandort bewerten zu können, spielen der sogenannte Makrostandort, worunter man ein eher großräumiges Verflechtungsgebiet (eine Region, eine Stadt, ein Stadtviertel) versteht, sowie der Mikrostandort, also die unmittelbare Umgebung eines Gebäudes oder eines Ge­bäudekomplexes, eine Rolle. Das Erste entscheidet über die Kaufkraft, insgesamt auch über die soziokulturelle Einordnung gemäß den dort ansässigen Milieus und daraus abgeleitet das erreichbare Einzugsgebiet, das Zweite definiert, wen oder was man in der unmittelbaren Umgebung noch antreffen kann. Der Makrostandort vermittelt demnach einen Eindruck über die überwiegend erreichbare Klientel, der Mikrostandort sagt etwas darüber aus, über welche Anlässe Kunden in die Apotheke kommen.

Eine alleinige Sogwirkung als Apotheke zu erzeugen, ist deutlich schwieriger, als wenn in unmittelbarer Umgebung Ämter, Post­services, Banken oder Geldautomaten, Briefkästen, Serviceeinrichtungen, Lebensmittelgeschäfte und natürlich und vor allem Arztpraxen anzutreffen sind. Die Erreichbarkeit wird dann zentral, wenn der Standort besonders gut oder besonders schlecht zu erreichen ist, wenn Parkplätze zur Verfügung stehen, diese aber auch geschmeidig anzufahren sind, wenn der ÖPNV nennenswert hält, und zwar mit diversen Möglich­keiten (Bus und/oder Bahn). Tatsächlich spielt für den stationären Einzelhandel die Nähe zu Haltestellen von ÖPNV-Angeboten eine zentrale Rolle.

Deswegen kann es keiner Apotheke egal sein, wie sich der Standort entwickelt, weder was die Wertigkeit anbetrifft noch den Branchenmix, und auch nicht, wenn nennenswert Leerstand zu verzeichnen wäre. Dekorationen sind auch für das atmosphärische Ganze eines Standorts hilfreich und Apotheken sind aufgefordert, nicht nur beim Standortmarketing mitzumachen, sondern ggf. sich selbst den Hut des Machers aufzusetzen. Dies ist von anderen in der Regel auch gewollt, denn der klassische Einzelhandel ist sich sehr wohl bewusst, dass Apotheken Zugpferd-Charakter haben können, da sie zu über das Shopping-Erlebnis hinausgehenden Anlaufpunkten zählen. Deshalb darf man sich auch darüber wundern, dass gelegentlich Fassade (hier ist man nicht immer verantwortlich), Beschriftung und Beleuchtung, vor allem aber das Schaufenster bescheiden ausfallen und ganz offensichtlich der eine oder andere zur Ansicht gelangt, dass das gotische A oder andere eineindeutige Hinweise auf eine Apotheke stilistische Mängel überkompensieren. Das Auge isst mit. Ein in die Jahre gekommener, seiner Bedeutung nur noch bedingt gerecht werdender Standort trifft dann auf generell festzustellende Abwanderungstendenzen ins Internet. Wenn aber das Erlebnis am Standort funktioniert, das visuelle Erlebnis vor dem Kauf schon gefällt, dann aber nach Eintreten auch das Fachliche stimmt, war der Standort der Steigbügelhalter für das sich daran anschließende Einkaufs­erlebnis mit dem hoffentlich vorbildlichen Beratungsgespräch. |

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