Arzneimittel und Therapie

Allergiegefahr durch Ziegenmilch

Hautpflegeprodukte können sensibilisieren

Eine Neurodermitis kommt selten allein. Oft ist sie assoziiert mit Kontaktallergien oder einer Nahrungsmittelallergie. Diese Fakten sind lange bekannt und durch zahl­reiche Studien belegt. Jedoch neu im Fokus stehen Hautpflegeprodukte mit ­Ziegenmilch zur Reinigung atopischer Haut, die eine Allergie auf ­Ziegenmilch-haltige Lebensmittel auslösen können.

Bei Patienten mit gestörter Schutz­barriere der Haut, beispielsweise bei atopischer Dermatitis, wird die Aufnahme von Reizstoffen und potenziellen Allergenen begünstigt. Die Folge: Verschiedene Kosmetikinhaltsstoffe, allen voran Duft-, Farb- oder Konservierungsstoffe, rufen häufig eine ­Kontaktdermatitis (allergisches Kontaktekzem) hervor. Ein erhöhtes Sensibilisierungspotenzial weisen auch Wollwachsalkohole und Cetylstearyl­alkohole auf. Allerdings muss das ­Risiko für eine Kontaktallergie nicht zwangsläufig steigen, gerade bei schweren Formen der atopischen Dermatitis scheint eine Kontaktsensibilisierung seltener ausgeprägt zu sein. Jedoch geht eine atopische Dermatitis oft auch mit einer Immunglobulin-E(IgE)-vermittelten Nahrungsmittel­allergie einher. Bei 30 bis 50% der Kinder mit moderatem bis schwerem Ekzem lassen sich Sensibilisierungen gegenüber bestimmten Nahrungs­mitteln nachweisen, vor allem auf Milch- und Hühnereiweiß, Soja, Weizen, Haselnuss, Erdnuss und Fisch. Die positive Nachricht: Bis zum ­Erwachsenenalter zeigt sich hier ­häufig eine Toleranzentwicklung.

Foto: magdal3na/AdobeStock

Ziegenmilch in Hautpflegeprodukten kann bei Atopikern zur Sensibilisierung gegen dieses Lebensmittel führen.

Natürlich bedeutet nicht ­immer gut verträglich

Beliebt zur Reinigung und Pflege entzündlicher Haut sind als natürlich, für empfindliche Haut beworbene Kosmetikprodukte, allen voran Seifen aus Ziegenmilch. Die natürlichen Inhaltsstoffe der Milch sollen dank ihrer entzündungshemmenden und wundheilenden Wirkung die Haut beruhigen, der hohe Anteil an Linolsäure die Hautbarriere stärken und die Abwehr von Schadstoffen unterstützen. Doch nicht immer sind diese natürlichen Präparate auch gut verträglich. Im ­Gegenteil: Die Anwendung von Ziegenmilch-haltigen Hautpflegeprodukten auf entzündeter Haut kann eine systemische Sensibilisierung gegen dieses Lebensmittel verursachen.

Vor allem Patienten mit atopischer Vorbelastung betroffen

Australische Ärzte am Royal Melbourne Hospital Pathology Department beobachteten im Zeitraum von 2016 bis 2019 einen zunehmenden ­Anteil an Patienten, die nach dem Verzehr von Ziegenmilchprodukten mit schweren allergischen Symptomen reagierten, und zwar mit Anaphylaxie, Urtikaria oder Angioödem. Diesem Phänomen gingen die Wissenschaftler nach und nahmen sieben Patienten in einer Fallserie genauer unter die Lupe. Die Frauen und Männer zwischen 25 und 61 Jahren waren bis auf eine Ausnahme atopisch vorbelastet, das heißt, sie litten unter allergischer Rhinitis, atopischer Dermatitis oder Asthma bronchiale. Und alle Probanden hatten im Vorfeld, teilweise über mehrere Jahre, Seife mit Ziegenmilch-Anteil verwendet. Dadurch entstand der Verdacht: Der Auslöser der Allergie auf oral konsumierte Ziegenmilch könnte in der topischen Anwendung von ­Ziegenmilch-haltigen Pflegeprodukten ­liegen.

Entsprechend der allgemeinen Allergiediagnostik wurden ein Pricktest sowie eine spezifische IgE-Bestimmung durchgeführt. Beide Untersuchungen ergaben eine Sensibilisierung aller Probanden gegen Ziegen- und Schafmilch. Zudem reagierten vier Patienten auch auf Büffelmozzarella bzw. Kuh- und Kamelmilch. Im Immunblot zeigte sich darüber hinaus eine Kreuzreaktivität der IgE-Antikörper der ­Patienten auf Ziegenmilch und Ziegenmilch-haltige Hautpflegeprodukte, was einen kausalen Zusammenhang nahelegt.

Fazit

Die Fallserie umfasst zwar nur wenige Probanden, liefert aber neue Hinweise für das Auftreten einer Milchallergie im Erwachsenenalter und deren Ur­sache. Die aktuell publizierten Daten untermauern damit frühere Einzelfallberichte. Allgemein zeigen die Ergebnisse, dass die Verwendung von Hautpflegeprodukten auf Lebensmittel­basis auf entzündlicher Haut einen bedeutenden Risikofaktor darstellt für das Entstehen neuer, schwerer Lebensmittelallergien. Dieser Zusammenhang konnte bereits für Erdnuss, Hafer und Weizen gezeigt werden. Denn der Kontakt von Nahrungsmittelproteinen mit dem Immunsystem kann nicht nur oral bzw. gastrointestinal ­erfolgen, sondern auch perkutan. Aufgrund der derzeitig vorliegenden ­Daten sollte Patienten mit entzünd­licher Hauterkrankung vom Gebrauch Lebensmittel-haltiger Reinigungs- und Pflegeprodukte abgeraten werden. |

Literatur

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Apothekerin Dr. Ines Winterhagen

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