Arzneimittel und Therapie

Dexamethason enttäuscht bei tumorbedingter Dyspnoe

Hochdosiertes Glucocorticoid bessert Symptome nicht stärker als Placebo

Zur Linderung der Atemnot bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen werden häufig hochdosierte Corticosteroide eingesetzt, obwohl Nutzen und Risiken dieses Vorgehens kon­trovers beurteilt werden und kaum aussagekräftige Studien vorliegen. Eine aktuelle Untersuchung spricht sich nun gegen die routinemäßige Gabe von hochdosiertem Dexa­methason aus.

Tumorerkrankungen führen häufig zu einer stark belastenden Atemnot, unter der rund 70% der Krebspatienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium leiden. Die Dyspnoe kann durch die Krebserkrankung per se wie etwa bei Malignomen der Lunge, durch ­Metastasen oder durch tumorbedingte Schäden der Nerven oder Muskeln im Thoraxbereich ausgelöst werden. Hinzu kommen Schmerzen, eine erhöhte psychische Belastung sowie eine verminderte Lebensqualität. Maßnahmen zur Linderung der Symptome wie die Gabe von Sauerstoff und Opioiden sind nur bedingt erfolgreich. Da eine tumorbedingte Dyspnoe mit erhöhten Werten von C-reaktivem Protein und inflammatorischen Markern einhergeht, liegt die Gabe von Corticostero­iden nahe. Dieser Ansatz ist auch in entsprechenden Leitlinien (z. B. in den US-amerikanischen und europäischen ASCO- und ESMO-Guidelines) aufgeführt und wurde nun in einer vom US-amerikanischen National Cancer Institute unterstützten Studie untersucht.

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Mehr Nebenwirkungen

An der doppelblinden, placebokontrollierten Studie nahmen 128 ambulante Krebspatienten teil, die aufgrund ihrer fortgeschrittenen Erkrankung unter Atemnot litten. Das Ausmaß der Dyspnoe wurde anhand einer numerischen Skala beurteilt (0 = keine Sym­ptome bis 10 = schwere Symptome) und lag bei den Probanden bei > 4. Patienten der Verumgruppe (n = 85) erhielten hochdosiertes Dexamethason, und zwar eine Woche lang täglich 16 mg, dann eine Woche lang täglich 8 mg, jeweils verteilt auf zwei Gaben. Probanden der Vergleichsgruppe (n = 43) bekamen entsprechende Placebokapseln. Primärer Studienendpunkt war die Veränderung der Dyspnoe-Intensität. Ferner wurden unerwünschte Wirkungen sowie der Einfluss der Therapie auf verschiedene Parameter (wie z. B. Appetit, Fatigue, Schlaf, Schmerzen) festgehalten. Die Studienergebnisse beruhen auf einer modifizierten Intention-to-treat-Analyse und ergaben keinen Unterschied beim primären Studienendpunkt. Die Abnahme der Dyspnoe war in beiden Gruppen gleich und lag an Tag 7 (± 2 Tage) bei -1,6 Punkten. Unerwünschte Wirkungen von Grad 3 bis 4 traten häufiger in der Verumgruppe als in der Placebogruppe auf, darunter Infektionen (11% versus 7%), Insomnie (8% vs. 2%) und neuropsychiatrische Symptome (4% vs. 0%). Eine Hospitalisierung aufgrund unerwünschter Wirkungen war bei 28% der Patienten der Verumgruppe und bei 7% der Patienten der Placebogruppe erforderlich. Parameter wie Appetit und Wohlbefinden wurden nach dem Edmonton Symptom Assessment System (ESAS) in der Verumgruppe an Tag 7 (± 2 Tage) besser beurteilt als in der Vergleichsgruppe. Allerdings war der Score in Bezug auf Ängste und Depression schlechter in der Dexamethason-Gruppe im Vergleich zu Placebo.

Keine endgültige Beurteilung

Für denselben Therapieerfolg der Dyspnoe in Verum- und Placebogruppe haben die Studienautoren mehrere Erklärungen. Möglicherweise war er der Studienpopulation geschuldet, die an einer nur mäßigen Dyspnoe litt; es sei nicht auszuschließen, dass Dexamethason bei stärkeren Beschwerden ­effektiv sei. Des Weiteren beendeten mehr Patienten in der Verumgruppe die Therapie frühzeitig, sodass sich möglicherweise daher kein Unterschied zwischen den Gruppen zeigte. Die Besserung der Beschwerden in der Vergleichsgruppe könnte auf die vermehrte Zuwendung im Rahmen der Studie zurückzuführen sein. Trotz derselben Therapieergebnisse in Verum- und Vergleichsgruppe sei es indes nicht auszuschließen, dass Sub­gruppen von einer Dexamethason-­Gabe profitieren, was noch geklärt werden müsse. Die Gabe von hochdosiertem Dexamethason zur Linderung der Dyspnoe kann allerdings aufgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht routinemäßig für jeden Krebspatienten empfohlen werden, so das Fazit der Studienautoren. |

Literatur

Hui D et al. Effect of dexamethasone on dyspnoea in patients with cancer (ABCD): a parallel-group, double-blind, randomised, controlled trial. Lancet Oncol 2022;23(10):1321-1331, doi: 10.1016/S1470-2045(22)00508-3

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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