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Kongresse
Vom kleinen Workshop zum großen Fachkongress
Der Norddeutsche Zytostatika Workshop feiert 30. Jubiläum
Der vom 30. Juni bis 2. Juli 2022 im Congress Centrum Hamburg abgehaltene Kongress bot rund 600 Teilnehmern ein vielfältiges Programm mit Haupt- und Kurzvorträgen, einem berufspolitischen Forum sowie zahlreichen praxisnahen Workshops und Satelliten-Symposien der pharmazeutischen Industrie. Für pharmazeutisch-technische Mitarbeiter fand eine separate Fachtagung statt, in deren Mittelpunkt vornehmlich pharmazeutisch-onkologische Themen standen.
State-of-the-art
Traditionsgemäß begann der Kongress mit einem State-of-the-art häufiger Tumorentitäten. Die NZW/ECOP-Vorträge hierzu skizzierten Epidemiologie, Diagnose, Verlauf und Therapie solider Tumore und zeigten neue Behandlungsoptionen auf. Nach der Begrüßung durch Klaus Meier, Präsident DGOP/ESOP, Hamburg, und Grußworten vom Hamburger Senat, der Hamburger Apothekerkammer und Vertretern der ECOP und EAHP (European Association of Hospital Pharmacists) gab Jürgen Barth, Gießen, einen Überblick zu neu zugelassenen Onkologika. Im vergangenen Jahr waren dies mehrheitlich Oralia, meist Tyrosinkinase-Inhibitoren. Bei der Auflistung möglicher Nebenwirkungen tritt immer wieder der Hinweis auf eine interstitielle Lungenerkrankung (ILD) auf. Da die Beschwerden wie Husten und Luftnot bei Belastung anfänglich völlig unspezifisch sind, vergehen häufig viele Monate bis zur korrekten Diagnosestellung – ein Grund mehr, die Mediation eines Patienten sorgfältig zu prüfen.
Die Verbindung von neuen Wirkstoffen zu aktuellen Publikationen 2021 wurde von Prof. Dr. Hans-Peter Lipp, Tübingen, geknüpft, der wichtige Veröffentlichungen zur klinisch-onkologischen Pharmazie vorstellte. Eine Arbeit befasste sich mit der Bedeutung einer intakten Mikrobiota (Gesamtheit aller Mikroorganismen in einem Bereich) bei Ansprechraten von Checkpoint-Inhibitoren. Nehmen bestimmte Darmbakterien überhand, kann aufgrund beeinträchtigter Responseraten die Gesamtüberlebenszeit beträchtlich sinken. Ob nun wiederum eine Zufuhr bestimmter Bakterienstämme (in dieser Arbeit waren es probiotische Clostridium-butyricum-Stämme) als Hoffnungsträger bezeichnet werden kann, bleibt abzuwarten.
Fehler in der Hämato-Onkologie vermeiden
In seinem Vortrag von der Bedeutung richtigen ärztlichen Denkens für das richtige ärztliche Handeln befasste sich Priv.-Doz. Dr. Sebastian Fetscher, Lübeck, mit der Prävention ärztlicher Fehlentscheidungen. Fehler treten in allen Bereichen der Patientenversorgung auf und können im schlimmsten Fall Betroffene schädigen. Der Fehlerprävention und flächendeckenden Etablierung entsprechender elektronischer Managementsysteme kommt daher eine zentrale Bedeutung zu. Ferner können flache Hierarchien und eine angstfreie, offene Diskussionskultur dazu beitragen, Behandlungsfehlern vorzubeugen. Fetscher zufolge wäre eine verpflichtende bundesweite Erfassung von Beinahe-Schäden und tatsächlichen fehlerhaften medizinischen Behandlungen sinnvoll. Diese würde Hotspots einer medizinischen Fehlversorgung identifizieren und so die Prävention solcher Ereignisse unterstützen.
30 Jahre Norddeutscher Zytostatika Workshop (NZW)
Vor 30 Jahren wurde in Hamburg der NZW ins Leben gerufen, damals mit 80 Teilnehmern und elf Vorträgen. Am Anfang standen Fragen zur Arbeitssicherheit im Vordergrund, die bald von den Berufsgenossenschaften aufgegriffen wurden. Erste Veröffentlichungen in der pharmazeutischen Fachpresse folgten. Mit der Verlagerung der Krebstherapie vom stationären in den ambulanten Bereich kamen auf den Pharmazeuten neue Aufgaben und Probleme zu, da er nunmehr direkt an der Versorgung des Tumorpatienten beteiligt war. Die vor 25 Jahren gegründete Deutsche Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) nahm sich dieser neuen Herausforderung an, erarbeitete Qualitätsstandards (QUAPOS; Qualitätsstandard für den pharmazeutisch Onkologischen Service), initiierte die onkologisch-pharmazeutische Weiterbildung von Apothekern und PTA, startete eine Oralia-Initiative und führte Zertifizierungen durch. Um das hierzu erforderliche Wissen zu vertiefen und zu aktualisierten, tragen Fachkongress wie der NZW und der NZW-Sommer mit dem Schwerpunkt Arbeitssicherheit bei.
Schwerpunkt orale Tumortherapie
Ein Vortragsblock war der Therapie mit oralen Zytostatika und den sich daraus ergebenden Herausforderungen gewidmet. Ein wichtiger Aspekt ist die korrekte Einnahme, bei der Interaktionen mit der Nahrung und der richtige Einnahmezeitpunkt zu beachten sind. Der korrekte Einnahmezeitpunkt kann der Fachinformation (aktuelle Version einsehen!) oder der Oralia Datenbank entnommen werden, ebenso der Hinweis, ob die Einnahme nüchtern oder mit der Nahrung (und mit welcher Nahrung) erfolgen soll und welche Interaktionen mit anderen Arzneistoffen zu erwarten sind. Weitaus schwieriger zu beurteilen sind Wechselwirkungen mit Lebensmitteln, Nahrungsergänzungsmittel (NEM), Phytopharmaka und dem Lebensstil. Einige Interaktionen sind bekannt (Stichwort Johanneskraut-Extrakte, Grapefruit, grüner Tee oder die Erhöhung der Toxizität von Capecitabin bei gleichzeitiger Einnahme von Folsäure), die meisten hingegen nicht. Der Rat von Barth: Nur diejenigen Produkte empfehlen, über deren Interaktionsfreiheit man Bescheid weiß.
Eine Hilfestellung hierzu kann die aktuelle S3-Leitlinie Komplementärmedizin geben. Wie Michael Höckel, Kassel, darlegte, sind hier sorgfältig aufbereitete und bewertete Informationen zu komplementären Therapien aufgeführt. Positiv- und Negativ-Empfehlungen wurden unter Berücksichtigung möglicher Neben- und Wechselwirkungen ausgesprochen, so dass eine Nutzen-Risiko-Abwägung vorgenommen werden kann. Besonders deutlich zeigt sich dies bei der Aufbereitung der Literatur zur Beurteilung von Mistelpräparaten.
Eine weitere Informationsquelle – nicht nur im Hinblick auf orale Therapien – ist der Krebsinformationsdienst KID (www.krebsinformationsdienst.de). Dr. Anke Ernst, Heidelberg, erläuterte dessen Aufbau, Struktur und Arbeitsweise. Der Krebsinformationsdienst ist eine Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums mit Sitz in Heidelberg. Er bietet individuell recherchierte Informationen auf der Basis der besten verfügbaren Evidenz und unter Angabe der Quellen. Darüber hinaus bietet der „krebsinformationsdienst.med“ Angehörigen von Fachkreisen einen weiterführenden Recherchedienst an (www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise).
Stomatitis verhindern
Von oralen Therapien zu Beschwerden in der Mundhöhle: Sowohl bei parenteral wie auch bei oral applizierten Chemotherapien können gravierende Nebenwirkungen im Mundraum auftreten. Daher müssen der Prävention und Therapie der Stomatitis besondere Beachtung geschenkt werden. Bereits vor Beginn der Tumor- oder Strahlentherapie sollten potenzielle Risikofaktoren beachtet und gegebenenfalls korrigiert werden. Darunter fällt etwa die Sanierung der Zähne, die Korrektur schlecht sitzender Prothesen oder die Ausheilung von Läsionen im Mundraum. Während der Therapie müssen Basismaßnahmen ergriffen werden, um einem schweren Verlauf vorzubeugen. Das Wichtigste sind regelmäßige und häufige Mundspülungen (geeignet sind beispielsweise Wasser, Kochsalzlösung, eventuell Salbeitee), die Verwendung einer weichen Zahnbürste, eine entsprechende Nahrung („es ist alles erlaubt, was gut rutscht“), die regelmäßige Inspektion der Mundhöhle sowie die Anwendung von künstlichem Speichel (vor allen nachts). Für wirkstoffhaltige Mundspüllösungen, die meist Antiseptika oder lokal wirksame Antiinfektiva enthalten, gibt es keine klinische Evidenz. Einzige Ausnahme ist eine Benzydamin-Mundspüllösung, die auch im DAC/NRF (NRF 7.15.) zu finden ist. Ist eine Schmerztherapie erforderlich, so muss diese frühzeitig eingeleitet werden. Bewährt haben sich ein Morphin-haltiges Gel oder viskose Morphintropfen (DAC/NRF 2.4.). |
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