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Arzneimittel und Therapie
Neue Indikation für Clofarabin?
Purin-Analogon wirkt in vitro und in vivo gegen Blasenkrebs
Blasenkrebs gehört zu den am vierthäufigsten auftretenden Tumoren bei Männern und den am zwölfthäufigsten auftretenden Tumoren bei Frauen in Deutschland. Allein für das Jahr 2022 werden knapp 20.000 neue Erkrankungen prognostiziert, gut drei Viertel der Fälle betreffen Männer [1]. Mittlerweile weiß man, dass unzählige Subtypen der Harnblasenkarzinome existieren, die gegenüber derzeit gängigen Therapeutika unterschiedlich sensitiv oder resistent sind [2]. Deshalb hat sich eine internationale Arbeitsgruppe mithilfe des Hochdurchsatzverfahrens auf die Suche begeben und sowohl neue Verbindungen wie bekannte Wirkstoffe getestet [3].
Um der Vielfalt der Harnblasenkarzinome gerecht zu werden und ein breites Spektrum der unterschiedlichen Stadien und Typen des muskelinvasiven und nicht muskelinvasiven Blasenkarzinoms abzudecken, wurden 23 verschiedene kommerziell erhältliche Blasenkrebs-Zelllinien genutzt. Durch RNA-Sequenzierung wurden zusätzlich verschiedene Marker und Kanzerogene identifiziert, mittels derer die Zelllinien in luminale, basale oder unspezifische Subtypen unterteilt werden konnten. Im Hochdurchsatzverfahren untersuchten die Wissenschaftler den Effekt von über 1700 Molekülen aus verschiedenen Substanzbibliotheken (z. B. bekannte Zytostatika, Phytopharmaka oder toxische Moleküle) auf das Wachstum dieser 23 Zelllinien. 471 Wirkstoffe senkten die Zellviabilität der Krebslinien, darunter z. B. Kinase-Inhibitoren, in die Epigenetik eingreifende Wirkstoffe, Antimetabolite, Interkalanzien und Topoisomerase-Inhibitoren.
Besonders fiel den Forschern aber der Wirkstoff Clofarabin ins Auge, ein Purin-Analogon, das bereits zur Behandlung von akuten lymphoblastischen Leukämien bei pädiatrischen Patienten zugelassen ist (Evoltra®). Das Molekül wirkte im Screening gegen alle untersuchten Blasenkarzinom-Subtypen. In weiteren Versuchen mit den Zelllinien ermittelten die Wissenschaftler je nach Subtyp halbmaximale inhibitorische Konzentrationen (IC50) von 0,53 bis 4,4 µM. Auch gegen Krebszellen aus Patientenproben zeigte sich der Wirkstoff effektiv (IC50 von 0,13 bis 4,7 µM). Zusammen mit den anderen Zytostatika Cisplatin und Romidepsin wirkte Clofarabin zudem additiv. Einen bedeutenden Resistenzmechanismus wiederum bildet der ABC-Transporter ABCG2, der Clofarabin aus den Zellen herausschleusen kann. Die Autoren bestätigten diesen Pfad auch bei Blasenkrebs, da weniger sensitive Zelllinien höhere Mengen des Transporters exprimierten.
Im letzten Schritt untersuchten die Forscher den Wirkstoff Clofarabin in vivo an Mäusen, denen Krebszellen aus Patientenproben subkutan injiziert wurden. Nachdem die Tumore von außen tastbar waren, begann die Behandlung mit einmal täglich 50 mg Clofarabin/kg oder Placebo für sieben Tage. Alle acht mit Verum behandelten Mäuse waren nach sieben Tagen in kompletter Remission. In einer Nachbeobachtungszeit von über zehn Wochen traten die Tumore nicht wieder auf, alle Tiere überlebten. Auch Mäuse, denen die besonders aggressive SaC-Turmorvariante injiziert wurde, waren nach zwei Behandlungszyklen (je fünf und zehn Tage) in stabiler Remission.
Die Autoren bewerten ihre Ergebnisse als klinisch wertvoll und möchten deshalb in Zukunft Clofarabin an weiteren In-vivo-Modellen untersuchen und mögliche prognostische Biomarker identifizieren, um die Auswahl geeigneter Patienten für eine Clofarabin-Therapie zu ermöglichen. Klinische Studien, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Clofarabin bei Blasenkrebs-Patienten festzustellen, erachten sie als dringend geboten. |
Literatur
[1] Krebs in Deutschland für 2017/2018. Robert Koch-Institut und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e. V., 13. Ausgabe 2021
[2] Choi W et al. Identification of distinct basal and luminal subtypes of muscle-invasive bladder cancer with different sensitivities to frontline chemotherapy. Cancer Cell 2014;25:152-165
[3] Ertl IE et al. Molecular and Pharmacological Bladder Cancer Therapy Screening: Discovery of Clofarabine as a Highly Active Compound. Eur Urol 2022;0302-2838:01678-05
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