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Ausgelernt?

Aktuelle Studie zeigt, wie sich Apothekerinnen und Apotheker fortbilden

Nur wer lernt, bleibt seiner Zunft Herr.“ Das gilt auch für die pharmazeutische Praxis. Zwar sind Apo­theker per Gesetz zu Fortbildungen verpflichtet, doch meist fehlen Kontrollen und Sanktionen. Autoren einer aktuellen Studie analysierten, wie sich Deutschlands Apothekerinnen und Apotheker fortbilden. Aus ihren Erkenntnissen leiteten sie Ideen ab, was das lebenslange Lernen zugänglicher machen könnte.

Nicht nur im Studium sammeln Pharmazeuten Noten und Punkte, während sie sich bilden. Auch im Berufsleben jagen Apothekerinnen und Apotheker den Fortbildungspunkten hinterher, um bei den Entwicklungen in der Pharmazie auf dem neuesten Stand zu bleiben. Das ist auch nötig. Denn die heilberuflichen Anforderungen an den Beruf wachsen stetig und Therapieleitlinien werden fortlaufend angepasst. Zugleich erweitert sich der Horizont pharmazeutischer Optionen: Im letzten Jahrzehnt wurden jährlich mehr als 30 neue Arzneimittel zugelassen.

Wie nehmen also Deutschlands Apotheker Fortbildungen in Anspruch? Das wollten die Mitarbeitenden der klinischen Pharmazie an der Univer­sität des Saarlandes um Professor Thorsten Lehr und Professor Dr. Frank Dörje von der Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen wissen. Dafür erstellten sie eine Piloterhebung und veröffentlichten im Juni 2022 ihre Ergebnisse in der „Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen“ [1].

Den Fragebogen konnten Probanden im Juni und Juli 2019 ausfüllen. Das Projektteam rekrutierte Teilnehmer über Fachgesellschaften, Interessenvertretungen und Fachmedien. Auch in der DAZ wurden die Berufskollegen auf die Studie aufmerksam gemacht. Die Autoren werteten anschließend die Ergebnisse von 880 Befragten aus.

Unter ihnen waren 695 approbierte Apotheker aus öffentlichen oder Krankenhausapotheken, 136 Pharmazeuten im Praktikum und 49 Pharmazie­studierende. Pharmazeuten in der Industrie, Wissenschaft und anderen Bereichen kamen für die Auswertung nicht infrage.

Foto: contrastwerkstatt/AdobeStock

An der Fortbildung gemütlich von zu Hause aus teilnehmen, ist mit Online­Angeboten möglich. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich dies positiv auf das Fortbildungsverhalten der Apothekerinnen und Apotheker ausgewirkt.

Fortbildung ist Gesetz

Fortbildung ist nicht nur eine Tugend. Sie ist gesetzlich festgelegt, und zwar in den Berufsordnungen der jeweiligen Apothekerkammern und den Heilberufe-Kammergesetzen der Bundesländer. Dies wussten in der Pilot­erhebung die Hälfte der Befragten.

Nach dem Continuing Education(CE)-Prinzip sammeln Pharmazeuten wie viele andere Berufsgruppen Kompetenzpunkte. Diese repräsentieren den Zeitaufwand, den sie in akkreditierte Bildungsmaßnahmen investierten. Ein Kompetenzpunkt entspricht 45 Minuten. Wer in den vergangenen drei Jahren 150 Kompetenzpunkte sammeln konnte, kann bei seiner Apothekerkammer das freiwillige Fortbildungszertifikat beantragen. Pro Monat sind dafür durchschnittlich 187,5 Minuten nötig. Bei der Piloterhebung gaben 44,9 Prozent der Befragten an, ein solches Fortbildungszertifikat zu besitzen. Die Autoren räumen ein, dass die Pilot­erhebung einem Selektions-Bias unterlegen sein könnte. Denn möglicherweise nehmen an einer Studie zum Fortbildungsverhalten tendenziell eher Apotheker teil, die an Fortbildungen interessiert sind. Daher hatten auch überdurchschnittlich viele Teilnehmende ein freiwilliges Fortbildungszertifikat. Demgegenüber verfügen etwa in Mecklenburg-Vorpommern nur 6,1 Prozent und in Westfalen-Lippe 31,6 Prozent der Approbierten über das Zertifikat.

Sanktionen nur in ­Mecklenburg-Vorpommern

Kontrollen und Strafen sind bei mangelnder Weiterbildung die Ausnahme. Demgegenüber müssen Ärzte innerhalb von fünf Jahren 250 Punkte nachweisen können, sonst drohen Sanktionen. Diese können Honorarkürzungen oder schlimmstenfalls der Verlust der Zulassung sein. Die Sanktionen greifen auch, wenn persönliche Lebensumstände die Ursache für die mangelnde Fortbildung sind, urteilte das Bundessozialgericht 2015 [2].

Ein vergleichbares Vorgehen gibt es bei Apothekern nur in Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2019 sucht die Kammer nach Mitgliedern, die im Vorjahr weniger als 16 Punkte gesammelt haben. Fehlende Punkte können Pharmazeuten bis zur Jahresmitte des Folge­jahres nachreichen, sonst folgt eine Rüge. Wenn Kammermitglieder die Punkte im zweiten Jahr wiederholt nicht erbringen, droht eine geldbewährte Rüge. Über Fälle, in denen fünf Jahre in Folge die 16 Punkte nicht erreicht werden, soll künftig das Berufsgericht entscheiden. Ein Kammermitglied klagte gegen das Vorgehen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage zurück und berief sich auf die Berufsordnungen, die die Fortbildungs­pflicht festlegen.

Wie viel Fortbildung ist angemessen?

In der Piloterhebung gaben 551 der Befragten an, wie viele Fortbildungspunkte sie im vergangenen Jahr gesammelt hatten. Das waren durchschnittlich 56,2 ± 50,2, also im Mittelwert 210,8 Minuten pro Monat. Apotheker ohne freiwilliges Fort­bildungszertifikat hatten signifikant weniger Punkte gesammelt, nämlich 39,5 ± 32,0 Punkte (Mittelwert 148,1 Minuten pro Monat).

Als angemessenes Maß an Fortbildung schätzten die Studienteilnehmer im Mittel einen Umfang von 127,1 Minuten pro Monat. Das entspricht 33,9 Punkten im Jahr. Doch für ein freiwilliges Fortbildungszertifikat sind 187,5 Minuten im Monat nötig. Für die Befragten wäre das zu viel, um es flächendeckend einzufordern. Laut den Autoren aus Saarbrücken und Erlangen deckt sich das mit der Meinung der Apothekerkammer Sachsen-­Anhalt: Hier sollen Apothekerinnen und Apotheker im Jahr 30 Kompetenzpunkte vorweisen können.

Akzeptanz für Kontrollen steigern

Eine knappe Mehrheit der Apotheker war gegen den Gedanken, den Fort­bildungsstand flächendeckend zu kon­trollieren. Interessanterweise stimmten mehr Pharmazeuten im Praktikum für Kontrollen und ein Großteil der Studierenden.

Klar ist: Anders als bei Ärzten sind bei Apothekern die Anforderungen an Fortbildungen und Strafen nicht einheitlich geregelt. Laut der Studien­autoren birgt das Gefahren. Im Diskussionsteil der Publikation schreiben sie, dass dies als ungerecht empfunden werde und dadurch demotivierend wirken könne. Dies kann „insbesondere nicht fortbildungsaffinen Apothekern als vermeintliche Rechtfertigung für ihre fehlende Fortbildungstätigkeit dienen.“ Sie leiten daraus ab, dass eine bundeseinheitliche Kontrolle ein Mittel sein könnte, die Akzeptanz für Kontrollen zu steigern.

Digitale Angebote erleichtern Zugang

Auch könnte sich seit der Befragung 2019 das Fortbildungsverhalten vieler Apotheker gewandelt haben. Denn die größten Hürden für Fortbildungen waren für die Befragten die Entfernung zum Veranstaltungsort und Zeitmangel. Weil seit der Pandemie viele Kurse auch online angeboten werden, könnten sie für einen Teil der Pharmazeuten zugänglicher sein. Beispielsweise wuchs 2021 die Teilnehmerzahl bei Fortbildungen im Kammerbezirk Westfalen-Lippe um 29,7 Prozent. Die Autoren schlagen vor, in zukünftigen Umfragen zu untersuchen, wie sich die zunehmenden digitalen Fortbildungsmöglichkeiten für Apotheker ausgewirkt haben. |
 

Literatur

[1] Müller MA, Scholtes MA, Chiara L, Dörje F, Lehr T. Piloterhebung zur Fortbildungs­situation der Apotheker*innen in Deutschland. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2022, doi: 10.1016/j.zefq.2022.04.010

[2] Burgdorf K. Bei Verletzung der Fortbildungspflicht droht Zulassungsentzug. Deutsche Gesellschaft für Verhaltens­therapie, Urteil vom 11. Februar 2015

Apotheker Marius Penzel

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