Die Seite 3

Alte Gedanken oder neue Wege?

Dr. Thomas Müller-Bohn, 
DAZ-Redakteur

Nun also doch. Der Referentenentwurf für das neue GKV-Spargesetz ist da. Demnach soll der Apothekenabschlag zwei Jahre lang von 1,77 Euro auf 2,00 Euro pro Rx-Packung steigen, also um 23 Cent brutto oder 19 Cent netto. Das ist fast so viel, wie die GKV für die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen (20 Cent) oder den Notdienstfonds (21 Cent) zahlt. Mit einem Federstrich wäre eine mühsam errungene Verbesserung für die Apotheken für zwei Jahre faktisch weg, aber die Arbeit wird durch die pharmazeutischen Dienstleistungen sogar noch mehr. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening nennt das ­einen Taschenspielertrick. Es ist zugleich ein Rückfall in uralte Sparpolitik, einfaches Kürzen statt Suche nach Effizienz.

Der Plan entspricht in diesem Punkt dem Entwurf vom Frühjahr. Die Senkung der Mehrwertsteuer steht dagegen nicht mehr drin. Das dürfte am Bundesfinanzminister liegen, nicht an irgendeiner Einsicht hinsichtlich der Wirkung auf die Apotheken. Der Hinweis auf die Leistungen der Apotheken in der Pandemie hat im Bundesgesundheitsministerium nichts bewirkt. Vergessen sind die vielen Dankesreden über die großen Mühen und Leistungen der Apotheken in der Pandemie. Vom derzeitigen Minister Lauterbach kamen solche lobenden Worte ohnehin nicht. Overwiening berichtete in der vorigen Woche, dass Lauterbach sich seit seinem Amtsantritt noch nicht mit der ABDA-Spitze getroffen habe. Für zahlreiche Talkshowauftritte hatte er dagegen genug Zeit. Die ABDA-Präsidentin beklagte, dass Lauterbach die Apotheken nicht zu den Leistungserbringern zähle und sie darum auch nicht von Kürzungen verschonen wolle. Demnach betrachtet Lauterbach die Apotheken als Teil der Handelskette. Auch ihr Engagement in der Pandemie zählt für ihn wohl nicht zu den heilberuflichen Leistungen. Zugleich überbieten sich derzeit viele Ärztefunktionäre mit immer mehr Schmähungen der Apotheker und immer absurderen Falschaussagen zu den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen. Es scheint, als seien fünf Jahrzehnte internationale Forschung zur pharmazeutischen Betreuung und ein Jahrzehnt der erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern im ABDA-Vorzeigeprojekt ARMIN an ihnen komplett vorbeigegangen. Das alles wirkt wie ein verzweifeltes letztes Aufbäumen alter Vorurteile.

Doch sollen diese alten Gedanken wieder die Oberhand gewinnen oder ändert sich das alles gerade jetzt und gehen wir neue Wege? Spätestens die neuen Dienstleistungen sollten in der Öffentlichkeit für einen Sinneswandel sorgen, weil viele noch besser erleben können, was heilberufliche pharmazeutische Tätigkeit bedeutet. Zugleich sind jetzt die Politiker gefragt, die die Leistungen der Apotheken erst kürzlich so gelobt haben. Sie können und müssen nun beweisen, dass das ernst gemeint war. Kein Referentenentwurf wird unverändert zum Gesetz. Der geplante Beitrag der Apotheken ist aus der GKV-Perspektive eine vergleichsweise kleine Position in einer langen Liste viel größerer Einsparungen. Alle, die voll des Lobes über die Apotheken waren, sollten ihren Worten Taten folgen lassen und gegen das Kürzen an der unverzichtbaren systemrelevanten Versorgungsstruktur der Apotheken angehen. Es geht um die Sicherheit der Patienten, um die Vorbereitung für die nächste Krise und um die Glaubwürdigkeit der Politik.

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