Aus den Ländern

„Wir sind zuversichtlich, dass es wächst und gedeiht“

Hessens Kammerpräsidentin Funke sieht großes Potenzial in den Dienstleistungen

jb | Auch bei der Delegiertenversammlung der Landesapothekerkammer Hessen vergangene Woche waren die pharmazeutischen Dienstleistungen ein Thema. Kammerpräsidentin Ursula Funke appellierte an die Kolleginnen und Kollegen, sie umzusetzen. Dass diese ein Erfolgsmodell werden und man mög­licherweise das Portfolio erweitern könne, funktioniere nur, wenn alle verantwortungsbewusst, ehrlich und qualitätsgesichert die Dienstleistungen erbringen, so Funke.
Foto: ABDA

Ursula Funke, Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen

Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke ging in ihrem Bericht ausführlich auf die pharmazeutischen Dienstleistungen ein. Deren Genese glich, so Funke, einer Problemschwangerschaft inklusive schmerzhafter Wehenphase und Zangengeburt: „Nach unendlich vielen Verhandlungen und Anrufen der Schiedsstelle ist das Baby am 10. Juni 2022 geboren worden – ein Meilenstein! Wir sind zuversichtlich, dass es wächst und gedeiht und schnell aus den Kinderschuhen – dank Impfungen ohne Kinderkrankheiten– herauswächst – zum Wohle der Patienten!“

Ein Angebot für alle Apotheken

Herausgekommen sei ein Blumenstrauß aus kleinen, mittleren und großen Dienstleistungen hinsichtlich Zeitbedarf, Aufwand, Implementierung und Qualifizierung, erklärte Apothekerin Funke, die auch das Amt der Vizepräsidentin der Bundesapothekerkammer bekleidet. Ihr sei es immer wichtig gewesen, ein Angebot für alle Apotheken zu haben, betont sie, also zum einen pharmazeutische Dienstleistungen, die sofort von jeder Apotheke erbracht werden können – wie die standardisierte Risikoerfassung bei Bluthochdruck und die Einweisung in die Inhalationstechnik. „Tätigkeiten, die wir im Prinzip schon lange durchführen,“ so Funke. Für die gäbe es aber jetzt eine neue Struktur, jedoch ohne zusätzlichen Aufwand.

Zum anderen gebe es Dienstleistungen, die anspruchsvoller seien, die aber mit Vorbereitung und Fortbildung auch zeitnah umgesetzt werden können, erläuterte die Kammerpräsidentin im Hinblick auf die komplexen Dienstleistungen – erweiterte Medi­kationsberatung bei Polymedikation, pharmazeutische Betreuung nach Organtransplantation sowie pharmazeutische Betreuung bei oraler Anti­tumortherapie.

Lob für die Arbeit der Standesvertretung

Funke verwies auf die ABDA-Homepage, wo in einem neuen Bereich Details zu allen Dienstleistungen zu finden seien. Überhaupt war Hessens Kammerpräsidentin voll des Lobes für die Arbeit der Standesvertretung. Alles sei hervorragend ausgearbeitet – von den Inhalten und Anforderungen über Abläufe und Arbeitsanweisungen bis hin zur Dokumentation und zur Honorierung. Funke verwies in diesen Zusammenhang noch auf eine gemeinsame Online-Infoveranstaltung von Kammer und Verband für alle Mitglieder am 7. Juli um 19 Uhr.

Auf Bundesebene sei sehr viel Energie, Wissen und Herzblut auf Bundesebene in das Projekt geflossen, so Funke weiter. Der Arbeitsaufwand in den Geschäftsbereichen Arzneimittel und Pharmazie und Ökonomie sei unglaublich gewesen – ersterer zeichnet für die inhaltliche Ausgestaltung verantwortlich, letzterer für die Verträge, die übrigens in Anlage 11 des Rahmenvertrags nach § 129 SGB V auf unbestimmte Zeit geschlossen und nur als Ganzes kündbar seien, frühestens zum 30. September 2023 mit einer Frist von drei Monaten.

Funkes Dank ging auch an alle, die seitens des Deutschen Apothekerverbandes diese „schwierige Geburt“ in den Verhandlungen durchgeführt, begleitet und verantwortet hatten. „Die honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen sind ein Meilenstein für uns Apotheker – eine von uns veranlasste Leistung völlig unabhängig von der Einlösung eines Rezepts oder Arzneimittel-Kaufs“, konstatierte sie und betonte zugleich, dass für sie die pharmazeutischen Dienstleistungen nur in der Apotheke vorstellbar seien – Face-to-Face.

„Mehr Pharmazie in den Apotheken“

Bei ihrem Appell an die Kolleginnen und Kollegen, die Dienstleistungen nun auch umzusetzen, bemühte sie Aristoteles: „Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen! Setzen Sie die Dienstleistungen um – bringen wir alle gemeinsam die zweite Hälfte zum Leben, zum Erleben durch die Patienten, zum Nutzen für die Patienten.“ In Funkes Augen muss es der Apothekerschaft in diesem Jahr gelingen, dass die pharmazeutischen Dienstleistungen ein Erfolgsmodell und unverzichtbar werden, sodass es keinerlei Grund gibt, den Vertrag zu kündigen, sondern – im Gegenteil – das Portfolio zu erweitern. „Das funktioniert aber nur, wenn wir wirklich alle, ohne Ausnahme verantwortungsbewusst, ehrlich und qualitätsgesichert die pharmazeutischen Dienstleistungen erbringen“, mahnte sie.

Auch im Hinblick auf die Nachwuchssuche spielen laut Funke die Dienstleistungen eine wichtige Rolle. Man habe Feedback von Studierenden und Berufseinsteigern erhalten, dass sie sich nach mehr Pharmazie in der Apotheke sehnten und ihr Wissen und ihre Kenntnisse bspw. aus der Klinischen Pharmazie – und gerade in Marburg werde ganz intensiv mit Patienten gearbeitet – nutzen und anwenden wollen. „Die pharmazeutischen Dienstleistungen sind genau der Schritt in diese Richtung“, so die Kammerpräsidentin.“ Denn man brauche mehr Apotheker, aber auch mehr PTA in den Apotheken.

Absage an GKV-Sparpläne

Die Kammerpräsidentin ging auch auf den durchgesickerten Referentenentwurf eines GKV-Finanzierungs­stabilisierungsgesetzes ein, der eine Senkung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Anhebung des Kassenabschlags vorsah, was für die Apotheke 38 Cent Rohgewinnverlust pro Rx-Packung bedeute würde – laut Funke ein Schlag ins Gesicht, auch wenn er später zurückgezogen wurde.

Für Funke ist das ein „absolutes No-Go“. Ihre Botschaft an die Adresse des Bundesgesundheitsministers: „Herr Lauterbach, die Zitrone ist nicht nur ausgepresst, sie ist staubtrocken! In der Pandemie haben wir mehr als deutlich gezeigt, was wir leisten, und haben den Laden am Laufen gehalten. Die Politik hat immer großblumig verkündet, welch wichtige Säule wir sind – lassen Sie Taten folgen!“ Die Kammerpräsidentin fordert daher, „keinen Genickschlag, sondern Reha für unser System“, damit es erhalten bleibe, um auch in Zukunft die Kohlen aus dem Feuer holen zu können. Funke verweist zudem darauf, dass die Apothekeninhaber alle pandemiebedingten Kosten, wie Ausrüstung, Desinfektion, Schichtarbeit, Versorgung von COVID-19-Patienten im Botendienst, selber getragen hätten und dies noch heute tun. Anders als Arztpraxen habe es aber keine Hygienezulage gegeben und auch keine staatliche Corona-Prämie für Apothekenpersonal. Und ja, man habe zusätzliches Geld verdient, aber nicht einfach so, sondern für zusätzliche Arbeit mit vielen Überstunden und Wochenenden und – nicht zu vergessen – zusätzlichem wirtschaft­lichem Risiko durch den Einkauf von Masken im Dezember 2020. Rechne man jedoch den Einmaleffekt durch die pandemiebedingten Sonderausgaben heraus, folge die Ernüchterung. Die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig Flächendeckung ist. Die sieht Funke aktuell in Gefahr, denn wirtschaftlich solide Apotheken müssten schließen, weil sie kein Personal oder keinen Nachfolger finden. Werde hier nicht gegengesteuert, damit die Apotheke vor Ort wieder attraktiver für junge Menschen wird, gehe bei der nächsten Pandemie das Licht aus, befürchtet Funke.

Ärzteproteste: „Polemik unerträglich“

Die Kammerpräsidentin ging auch auf die Reaktion der Ärzteschaft auf das Pflegebonusgesetz ein, das regelhaft Grippeimpfungen in Apotheken ermöglicht: „Die Polemik der verfassten Ärzteschaft ist unerträglich und auf einem Niveau, das nicht zu einem akademischen Heilberuf passt.“ Funke fühlt sich an kleine Kinder erinnert, die sich beim Spielen im Sand um blaue und rote Förmchen streiten und dadurch gar nicht in der Lage sind, Sandburgen zu bauen. In ihren Augen ist es aber wichtiger, die Energie und Kraft in eine gute und sichere Versorgung vor Ort einzusetzen – „für unsere gemeinsamen Patienten!“ Trotz Polemik und Diffamierungen, auf die sie gar nicht eingehen wollte, funktioniere es in den meisten Fällen vor Ort sehr gut. Aber die Ärzteschaft müsse endlich aufwachen. „Sie sitzen mit uns in einem Boot, das einem Orkan nicht standhält im Gegensatz zu den mondänen Jachten, in denen die Betreiber der Plattformen mit ausländischem Fremdkapital in Ruhe schippern“, so Funke. Sie will daher die Ärzteschaft zur heilberuflichen Kooperation vor Ort aufrufen – zum Wohl der Menschen, zum Wohl der Patienten. „Lassen Sie uns gemeinsam handeln, nur dann sind wir stark – und erfüllen ­unsern Auftrag!“

Gemeinsames Positionspapier als „riesiger Vorteil“

Außerdem gab Funke einen ausführ­lichen Überblick über die Inhalte des Positionspapiers zur Novellierung der Approbationsordnung, auf das sich zahlreiche Gruppierungen aus der Apothekerschaft geeinigt haben. In zahlreichen virtuellen Sitzungen, teilweise emotional, auch mal mehr oder weniger „verhakt“, aber durchweg an der Sache orientiert, sei die Einigung gelungen, beschrieb Funke die Kompromissfindung und lobte in diesem Zusammenhang ausdrücklich den BAK-Präsidenten Thomas Benkert und seine Moderation. Nun habe man eine Lösung, hinter der alle stehen und sich wiederfinden könnten – auch die Studierenden, die das Papier ja weniger aus inhaltlichen Gründen, sondern wegen der hohen Stundenzahl abgelehnt hatten. Im nächsten Schritt werde mit diesem Positionspapier in Kürze das Gespräch mit dem Bundesministerium für Gesundheit gesucht. Bevor das Ministerium allerdings tatsächlich eine neue Approbationsordnung erlässt, müssten im Hinblick auf die entstehenden Kosten auch die Bundesländer mit ins Boot geholt werden. Damit ergebe sich zwangsläufig noch ein längerer Prozess, in den nicht alle Vorschläge einfließen könnten. „Aber dieser Prozess ist jetzt gestartet und ein riesiger Vorteil ist das gemein­same Positionspapier“, resümierte Ursula Funke. |

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