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Beratung

Wenn die Spiegel nicht steigen …

Mögliche Gründe für eine erfolglose Vitamin-D-Supplementation

Kassenrezepte über Vitamin-D-Präparate kommen im Apothekenalltag selten vor, da nur in Ausnahmefällen eine Kostenerstattung durch die GKV möglich ist. Die Beratung zur Selbstmedikation mit Supplementen spielt deshalb eine wichtige Rolle. Doch welche Gründe könnten vorliegen, wenn trotz Einnahme ausreichend dosierter Präparate die Vitamin-D-Spiegel nicht steigen? | Von Claudia Bruhn 

Nicht rezeptpflichtige Vitamin-D-Präparate dürfen als Monotherapie oder in Kombination mit Calcium (falls die Calcium-Zufuhr über die Ernährung nicht ausreicht) nur unter folgenden Voraussetzungen zulasten der GKV verordnet werden:

  • zur Behandlung einer manifesten Osteoporose
  • zeitgleich zur Steroidtherapie bei Erkrankungen, die voraussichtlich einer mindestens sechsmonatigen Steroidtherapie in einer Dosis von wenigstens 7,5 mg Prednisolon-Äquivalent bedürfen
  • bei Behandlung mit einem Bisphosphonat gemäß Angabe in der jeweiligen Fachinformation bei zwingender Notwendigkeit [1].

Liegt ein manifester Vitamin-D-Mangel vor, verordnet der Arzt verschreibungspflichtige Präparate mit Vitamin D3 (Colecalciferol). Für Erwachsene sind zur Anfangsbehandlung hoch dosierte Arzneimittel mit 20.000 IE Colecalciferol verfügbar (z. B. Dekristol® 20.000 IE Weichkapseln, Fedivelle® Colecalciferol 20.000 IE Weichkapseln). Nach einem Monat kann der Arzt je nach Schwere der Krankheit und dem Ansprechen des Patienten eine niedrigere Dosierung in Betracht ziehen [2].

Einflussfaktoren auf den Vitamin-D-Status

Der Vitamin-D-Status ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Die endogene Vitamin-D-Synthese in der Haut unter dem Einfluss des UV-B-Anteils des Sonnenlichts leistet den größten Beitrag zur Versorgung [3]. Doch wer seinen Beruf in geschlossenen Räumen ausübt und auch die Mittagspause nicht zum „Sonne tanken“ nutzen kann, wird vergleichsweise weniger Vitamin D produzieren als Freiluftarbeiter in der Landwirtschaft oder im Baugewerbe. Auch ein höheres Lebensalter, Übergewicht, Krankheiten, die Einnahme bestimmter Arzneimittel sowie die Verwendung von Sonnenschutzmitteln können die Eigensynthese reduzieren. So haben Untersuchungen gezeigt, dass Sonnenschutzmittel die Vitamin-D-Synthese in der Haut fast vollständig unterdrücken können [4]. Ab dem 65. Lebensjahr kann die endogene Synthese auf die Hälfte bis ein Drittel reduziert sein [5]. Bei Übergewichtigen ist die Vitamin-D-Eigenproduktion niedriger als bei Normalgewichtigen, was bei der Empfehlung von Supplementen berücksichtigt werden sollte [6, 7]. Bei der Beratung in der Apotheke ist außerdem zu bedenken, dass die Dauereinnahme bestimmter Arzneimittel, zum Beispiel Antikonvulsiva, die Vitamin-D-Spiegel reduzieren kann [8]. Da Leber und Niere im Vitamin-D-Metabolismus eine zen­trale Rolle spielen, wirken sich chronische Erkrankungen dieser Organe negativ auf den Vitamin-D-Status aus [9].

Der Beitrag, den die Nahrung zur Vitamin-D-Versorgung leisten kann, wird mit 10 bis 20% angegeben. Nur wenige Nahrungsmittel wie Lachs, Aal, Hering oder Makrele gelten als gute Vitamin-D3-Lieferanten. So enthält Hering aus dem Atlantik bis zu 1000 IE, Lachs rund 650 IE pro 100 g. Menschen, die den Verzehr von tierischen Produkten ablehnen, können Ergocalciferol (Vitamin D2) aus pflanzlichen Quellen nutzen, dessen Gehalt jedoch deutlich geringer ist (z. B. Avocado ca. 250 IE/100 g, Steinpilze, Pfifferlinge und Champignons zwischen 80 und 120 IE/100 g). Durch UV-Bestrahlung lassen sich bei Pilzen die Vitamin-D2-Gehalte erhöhen (Abb. 1). Es gibt verschiedene Ansätze zur Erhöhung des Vitamin-D-Gehalts von Nahrungsmitteln, zum Beispiel eine Vitamin-D3-angereicherte Margarine oder die Anwendung von gentechnischen Methoden bei Gemüse wie Tomaten [10 - 12].

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Abb. 1: Vitamin-D-Pilze Stiftung Warentest hat Anfang 2019 „Vitamin-D-Pilze“ aus dem Lebensmittelhandel überprüft. Während herkömmliche Zuchtpilze ohne Tageslicht wachsen, wurden diese Champignons UV-Strahlung ausgesetzt. Laboruntersuchungen von Stiftung Warentest ergaben, dass die Methode funktioniert. Allerdings schwankten die Vitamin-D2-Gehalte von Packung zu Packung deutlich, sie lagen zwischen 5 und 15 g/100g. Bei unbestrahlten Champignons wurden nur etwa 0,3 µg Vitamin D2 pro 100 Gramm ermittelt.

Vor Supplementation den Status bestimmen

Aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren scheint es sinnvoll, vor einer Supplementation den individuellen Vitamin-D-Spiegel zu bestimmen. Als aussagekräftigster Marker für den Vitamin-D-Status gilt das 25-Hydroxy-Vitamin-D (25(OH)D, Calcidiol, Abb. 2). Es ist der limitierende Faktor für die 1,25(OH)2D-Produktion und spiegelt sowohl die körpereigene Synthese mithilfe von UV-B-Strahlen als auch als die Zufuhr über die Ernährung und Supplemente wider. Über die Zielwerte der Serumkonzentration gibt es jedoch in Fachkreisen teilweise unterschiedliche Auffassungen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung betrachtet in Übereinstimmung mit dem US-amerikanischen Institute of Medicine eine 25(OH)D-Serumkonzentration von mindestens 50 nmol/l (20 ng/ml) als erstrebenswert. Allgemeiner Konsens herrscht darüber, dass Spiegel unterhalb von 12 ng/ml (30 nmol/l) in allen Altersgruppen eine Unterversorgung anzeigen. Menschen mit 25(OH)D-Spiegeln oberhalb von 30 ng/ml (75 nmol/l) gelten als ausreichend versorgt, sodass eine Supplementierung keinen Vorteil bringt [13 - 15].

 

Abb. 2: Eigensynthese und Metabolismus von Vitamin D Unter dem Einfluss des UVB-Anteils des Sonnenlichts (Wellenlänge 280 bis 320 nm) wird 7-Dehydrocholesterol zunächst in Prävitamin D3 umgewandelt, das zu Vitamin D3 (Colecalciferol) isomerisiert. Die Hydroxylierung zu 25(OH)D geschieht in der Leber. 25(OH)D wird in den Nieren über das Enzym 25-Hydroxyvitamin-D-1α-Hydroxylase (CYP27B1) in seine aktive Form, 1,25-Dihydroxyvitamin-D3, umgewandelt. Ergocalciferol aus Pilzen und Pflanzen ist ebenfalls als Steroid­hormon aktiv. Im Menschen wird 25-OH-Vitamin-D2 zu 1,25-(OH)2-Vitamin-D2 hydroxyliert. Anders als früher angenommen besitzt auch 25(OH)D Hormonwirkungen, obwohl seine Rezeptoraffinität deutlich niedriger ist als die von 1,25(OH)2D.

Vitamin-D-Bestimmungsmethoden

Zur Bestimmung der Vitamin-D-Spiegel kommen Enzym­immunoassays (EIA, ELISA), Radioimmunoassays sowie HPLC-Methoden wie die HPLC-APCI-MS (High-pressure liquid chromatography-atmospheric pressure chemical ionization-mass spectrometry) zum Einsatz. Viele Laboratorien wenden derzeit Elektrochemilumineszenz-Immunoassays (ECLIA) an. Die Bestimmungsmethoden sind untereinander nicht vergleichbar, sodass auf den Laborbefunden Methoden-spezifische Referenzbereiche angegeben werden müssen. Patienten sollte geraten werden, Verlaufskontrollen immer im gleichen Labor durchführen zu lassen [16 - 18].

Differenzierte Abklärung bei „Versagen“ der Supplemente

Seit einigen Jahren wird diskutiert, ob das freie 25(OH)D (fD3) ein besser geeigneter Parameter zur Bestimmung des Vitamin-D-Status ist. Denn nur dieses kann Zell­membranen überwinden und an intrazelluläre Vitamin-D-Rezeptoren, zum Beispiel in den Nieren, binden. Der größte Teil des 25(OH)D ist an das Vitamin-D-bindende Protein (VDGP) gebunden und kann nicht in die Zellen gelangen. Wenn trotz Supplementation die Vitamin-D-Spiegel eines Patienten nicht ansteigen, kann dies an einer genetisch bedingten hohen Konzentration des Vitamin-D-bindenden Proteins oder an dessen erhöhter Affinität zu 25(OH)D liegen. Einige Labore bieten differenzierte Bestimmungen von freiem Vitamin D im Vollblut oder Serum an. Die Kosten für diese Tests werden derzeit nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen [19 - 21].

Genetische Polymorphismen als Ursache

Eine weitere mögliche Ursache für den geringen Erfolg einer Vitamin-D-Supplementation können Mutationen in den Enzymen sein, die in die Bildung von 25(OH)D aus seiner Vorstufe Colecalciferol oder in dessen Abbau zu inaktiven Metaboliten involviert sind. Das Enzym CYP2R1 katalysiert in der Leber die Umwandlung von Colecalciferol zu 25(OH)D (Abb. 2). Bei einer Genvariante mit einem Basenaustausch G → A (Polymorphismus rs10766197) wird ein Enzym mit einer geringeren Aktivität gebildet. Dies führt beispielsweise bei Sonnenexposition zu niedrigerer 25(OH)D-Bildung als bei Patienten ohne diesen Polymorphismus, der bei Mitteleuropäern mit heller Haut („Kaukasier“) zu etwa 4% homozygot und zu 30% heterozygot vorkommt.

Das Enzym CYP24A1 katalysiert den Abbau von 1,25(OH)2D sowie 25(OH)D zu inaktiven Metaboliten. Bei einem Basenaustausch von T → A (Polymorphismus rs6013897) werden beide Substanzen verstärkt abgebaut. Eine Vitamin-D-Supplementation würde in diesem Fall nicht den gewünschten Erfolg bringen. Dieser Polymorphismus kommt bei ca. 12 bis 21% der Mitteleuropäer mit heller Haut heterozygot, bei etwa 1 bis 2% homozygot vor [22, 23].

Erhöhter Vitamin-D-Status wegen Klotho

Ein weiteres Beispiel für einen Einflussfaktor auf den Vitamin-D-Status ist das körpereigene Proteohormon Klotho, das nach einer Schicksalsgöttin aus der griechischen Mythologie, die den „Lebensfaden“ eines Menschen spinnt, benannt ist. Beim Menschen spielt Klotho eine wichtige Rolle im Calcium- und Phosphat-Stoffwechsel. In den Nieren hemmt es die 1-α-Hydroxylase und damit die Aktivierung von 25(OH)D zu 1,25(OH)2D. Niedrige Konzentrationen der löslichen Form von Klotho führen in Wechselwirkung mit weiteren Gewebefaktoren dazu, dass überproportional viel Calcitriol gebildet wird. Die Calcidiol-Konzentration kann bei der Blutuntersuchung normal sein, sodass diese Unregelmäßigkeit nur dann erkannt wird, wenn sowohl 1,25(OH)2D als auch 25(OH)D bestimmt wurden. Zur weiteren Abklärung kann lösliches Klotho im Serum bestimmt werden. Es gibt Hinweise darauf, dass erniedrigte Klotho-Spiegel proentzündliche Effekte haben sowie zelluläre Alterungsprozesse beschleunigen können [24]. |

Literatur

 [1] Schnellübersicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des GKV-Spitzenverbandes zur Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln nach der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL), § 92 Abs.1 Satz 2 Nr. 6 SGB V, gültig ab 1. April 2009

 [2] Fachinformationen der genannten Präparate

 [3] Macdonald HM et al. Sunlight and dietary contributions to the seasonal vitamin D status of cohorts of healthy postmenopausal women living at northerly latitudes: a major cause for concern? Osteoporos Int 2011;22:2461-2472

 [4] Nair R et al. Vitamin D: The „sunshine“ vitamin. J Pharmacol Pharmacother 2012;3(2):118-126

 [5] Gallagher JC. Vitamin D and aging. Endocrinol Metab Clin North Am 2013 42(2):319-332

 [6] Ekwaru JP The importance of body weight for the dose response relationship of oral vitamin D supplementation and serum 25-hydroxyvitamin D in healthy volunteers. PLoS One 2014;9(11):e111265

 [7] Wortsman J et al. Decreased bioavailability of vitamin D in obesity. Am J Clin Nutr 2000;72(3):690-369

 [8] LoPinto-Khoury L et al. Impact of carbamazepine on vitamin D levels: A meta-analysis Epilepsy Res 2021;178:106829

 [9] Parizadeh SM et al. Association of vitamin D status with liver and kidney disease: A systematic review of clinical trials, and cross-sectional and cohort studies. Int J Vitam Nutr Res 2021;91(1-2):175-187

[10] Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin D. https://www.dge.de/wissenschaft/faqs/vitamin-d/

[11] Vitamin-D-Pilze: Halten diese Champignons, was sie versprechen? Stiftung Warentest, 14.01.2019, https://www.test.de/Vitamin-D-Pilze-Halten-diese-Champignons-was-sie-versprechen-5419461-0/

[12] Li J et al. Biofortified tomatoes provide a new route to vitamin D sufficiency. Nat Plants 2022, online am 23. Mai 2022

[13] Giustina A et al. Controversies in Vitamin D: A Statement From the Third International Conference. J Bone Miner Res Plus 2020; e10417

[14] Referenzwerte der DGE: www.dge.de/presse/pm/neue-referenzwerte-fuer-vitamin-d/

[15] Bouillon R et al. The health effects of vitamin D supplementation: evidence from human studies. Nature Rev. Endocrinol. 2022;18:96-110

[16] Töpfer G Elektrochemilumineszenz-Immunoassay. In Lexikon der Medizinischen Laboratoriumsdiagnostik (2018), https://www.springermedizin.de/emedpedia/lexikon-der-medizinischen-laboratoriumsdiagnostik/elektrochemilumineszenz-immunoassay?epediaDoi=10.1007%2F978-3-662-49054-9_981

[17] Nikooyeh B et al. Harmonization of serum 25-hydroxycalciferol assay results from high-performance liquid chromatography, enzyme immunoassay, radioimmunoassay, and immunochemiluminescence systems: A multicenter study. J Clin Lab Anal. 2017;31:e22117.

[18] Snellman G et al. Determining Vitamin D Status: A comparison between commercially available assays. PLoS One 2010, 5(7):e11555.

[19] Sollid ST et al. Effects of vitamin D binding protein phenotypes and vitamin D supplementation on serum total 25(OH) D and directly measured free 25(OH)D, Eur. J. Endocrinol. 2016, 174:445-452.

[20] Zeng S et al. Reference values for free 25-hydroxy-vitamin D based on established total 25-hydroxy-vitamin D reference values. J Steroid Biochem Mol Biol 2021, 210:105877

[21] Freies Vitamin D – Verbesserte Diagnostik der Vitamin D-Versorgung. Diagnostik-Information Nr. 319, des IMD Berlin MVZ, www.IMD-Berlin.de

[22] Barry EL et al. Genetic variants in CYP2R1, CYP24A1, and VDR modify the efficacy of vitamin D3 supplementation for increasing serum 25-hydroxy-vitamin D levels in a randomized controlled trial. J Clin Endocrinol Metab 2014;99:E2133-137

[23] Stoffwechselgenetik des Vitamin D. Diagnostik-Information Nr. 339, des IMD Berlin MVZ, www.IMD-Berlin.de

[24] FGF-23 und Klotho als Feinregulatoren des Vitamin-D-Stoffwechsels. Diagnostik-Information Nr. 343, des IMD Berlin MVZ, www.IMD-Berlin.de

Autorin

Dr. Claudia Bruhn ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin und Autorin in Berlin. Seit 2001 schreibt sie Beiträge für Zeitschriften des Deutschen Apotheker Verlags sowie für medizinische Fachverlage.

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