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„Endlich! Sie sind da!“
Stimmen aus dem Berufsstand zu den honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen
Theoretisch hätten die Apotheken im Land am vergangenen Freitag unmittelbar ins Zeitalter der honorierten, pharmazeutischen Dienstleistungen starten können. Doch noch Anfang dieser Woche galt es für die ABDA, wichtige Fragen zu klären und weitere Voraussetzungen für die Etablierung zu schaffen. Zwar stehen mit Bekanntwerden des schriftlichen Schiedsspruches die fünf konkreten Tätigkeiten fest, aber wie diese in Deutschlands Apotheken umgesetzt, abgerechnet und honoriert werden wurde damit nicht gleichzeitig klar.
Doch abgesehen von den Regeln und Rahmenbedingungen hatten die Apothekerinnen und Apotheker im Land genug Zeit, sich eine Meinung über die pharmazeutischen Dienstleistungen zu bilden. Denn schon lange bevor die Große Koalition in der vergangenen Legislaturperiode den Entschluss fasste, die gesetzliche Grundlage für die Einführung der Tätigkeiten zu schaffen, wurde bereits im Berufsstand darüber diskutiert und fortgebildet. Dementsprechend kann man bei manchen Berufskolleginnen und -kollegen eine gewisse Erleichterung spüren und auch eine Aufbruchstimmung. Denn klar ist: Das ist nur der Anfang!
„Unser Leistungsspektrum ist enorm! Daher muss klar sein: Dies ist nur ein erster Schritt.“
Tatjana Buck betreibt mit ihrem Mann die Vital-Apotheke im baden-württembergischen Bad Saulgau. Als sie am vergangenen Freitag von dem Start erfuhr äußerte sie gegenüber der DAZ: „Endlich! Sie sind da: Für alle Apotheken leistbare, honorierte, pharmazeutische Dienstleistungen!“ Zum ersten Mal hätten die Apothekerinnen und Apotheker die Möglichkeit, den Schwerpunkt ihrer Arbeit rein auf ihre pharmazeutische Kompetenz zu setzen – und damit eine „essenzielle Ergänzung“ zum Angebot der Ärzte anzubieten. „Wir schaffen Mehrwerte in den Apothekenteams und für unsere Patientinnen und Patienten“, meint Buck. Mit der Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen sieht sie bestätigt, dass die Apotheken vor Ort der zentrale Dreh- und Angelpunkt im deutschen Gesundheitswesen sind. „Unser Leistungsspektrum ist enorm!“ Damit ist für Tatjana Buck auch gleichzeitig klar: „Dies ist nur ein erster Schritt.“ Neben neuen Versorgungsleistungen wie z. B. Impfungen in Apotheken müssten weitere pharmazeutische Dienstleistungen folgen. Eine Idee hat die Apothekerin auch schon: „Die standardisierte Einweisung in die korrekte Handhabung von Insulin(fertig)pens könnte eine solche Leistung sein.“ Handlungsbedarf sieht sie deshalb, weil sich nicht funktionierende Insulinpens regelmäßig unter den AMK-Verdachtsmeldungen zu Arzneimittel-Qualitätsmängeln finden würden.
Zusammen mit ihrem Mann und dem Apothekenteam will sie mit den Blutdruckmessungen, Inhalationsschulungen und natürlich mit den Medikationsanalysen starten. „Ich kann nur an alle Kolleginnen und Kollegen appellieren, mitzumachen. Nutzen wir diese Chance! Gemeinsam!“
„Verpflichtende weiterbildende Maßnahmen sollten so gering wie möglich gehalten werden!“
Dieser Schritt ist auch für Dr. Hermann Vogel, Inhaber der Winthir Apotheke in München, längst überfällig gewesen. „Ich finde die jetzt beginnende Regelung sehr gut, weil sie zum einen unsere pharmazeutische Tätigkeit erstmals vergütet, zum anderen unser niederschwelliges, (für den Patienten) kostenfreies und jederzeit für jeden verfügbares Beratungsangebot weiter aufrecht erhält“, erklärt Vogel gegenüber der DAZ.
Sein Favorit unter den fünf bekanntgewordenen, ersten Dienstleistungen ist die standardisierte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung und Üben der Inhalationstechnik. Doch auch weitere Tätigkeiten hält er für sinnvoll und notwendig. Dazu gehören die Impf-, Ernährungs und Präventionsberatung sowie Interaktionschecks.
Die Dienstleistungsangebote sollten, nach Vogels Meinung, aber jeder Apotheke offen stehen. Daher sieht er verpflichtende, weiterbildende Maßnahmen eher differenziert. „Diese sollten so gering wie möglich gehalten werden!“
„Beim derzeitigen hochakuten Fachkräftemangel sind die Dienstleistungen eine Herausforderung für unsere Branche. Dennoch begrüße ich sie freundlich.“
Aus Dresden meldet sich die Apothekerin Sylvia Trautmann zu Wort. Die Inhaberin der Apotheke Buehlau findet die Leistungsinhalte okay. Ihrer Meinung nach wird entscheidend für den Erfolg sein, dass alle Kammern zeitnah und regelmäßig entsprechende zertifizierte Weiterbildungen anbieten und die Anforderungen hinsichtlich der Weiterbildungszeit und Prüfung nicht zu hoch stellen. „Es muss für jede Apotheke erreichbar sein, z. B. eine AMTS-Beratung auf Kosten der Kassen durchzuführen und abzurechnen“, so Trautmann. Ein „Abschöpfung der Sahne“ für ganz wenige Apothekenbetriebe sollte es nicht geben. Für sie steht fest: „Pharmazeutische Dienstleistungen sind individuelle Einzelberatungen für Patienten und als solche immer personalintensiv.“ Damit stellen die Dienstleistungen beim „derzeitigen hochakuten Fachkräftemangel“ eine Herausforderung für die Branche dar.
„Zu den pharmazeutischen Dienstleistungen können wir uns gratulieren, das ist doch ein toller Erfolg. Endlich wird es was mit unserer Vision. Die Vergütung scheint ja durchaus in Ordnung zu sein, auch wenn man sich natürlich immer mehr wünschen kann. Mir ist sie zunächst egal, wichtig ist, dass etwas passiert (ist).“
Dennoch gibt sie im Hinblick auf den Deutschen Apothekerverband (DAV) zu bedenken, warum keinerlei Aktivitäten erkennbar seien zur Anhebung des packungsbezogenen Fixhonorars bei Rx-Arzneimitteln. „Jetzt, wo massive inflationäre Kostensteigerungen jeden Apothekenbetrieb ereilen werden und die Lohnspirale kontinuierlich nach oben anzieht, müsste für den Erhalt der flächendeckenden Versorgung durch die Vor-Ort-Apotheken dringend eine Erhöhung des Packungshonorars auf Platz eins der politischen Agenda des DAV stehen“, appelliert Trautmann. Zeit und Geld würden allen Vor-Ort-Apotheken Deutschlands davonlaufen. „Wir müssten jetzt dringend professionelle Apotheken-Lobbyisten zu den Politikern nach Berlin entsenden mit einer permanenten Präsenz“, schlägt sie vor. Das wären bestens eingesetzte Investitionen mit den Beitragsgeldern aus Kammer und Verband.
„Ich bin gespannt, was die Zukunft noch bringen mag – jetzt wo ein Anfang endlich gemacht ist!“
Mit Freude, aber auch mit vielen Fragen hat Dr. Christian Fehske, Inhaber der Rathaus-Apotheke im westfälischen Hagen, davon erfahren, dass er bald mit seinem Team pharmazeutische Dienstleistungen anbieten und umsetzen darf. Er wusste bereits Ende letzter Woche: „Nach nur wenig Vorbereitung werden wir unseren Gästen sehr kurzfristig alle fünf anbieten können.“ Wesentliche grundsätzliche Vorbereitungsmaßnahmen wie AMTS-Schulungen, Schaffung der räumlichen Voraussetzungen wurden in seiner Apotheke bereits geschaffen, u. a. konnte im Rahmen des AOK-Modells in Westfalen-Lippe das Team von Fehske schon reichlich Erfahrung mit Medikationsanalysen sammeln. „Als Zytostatika-herstellende Apotheke in Nachbarschaft mehrerer Lungenfachärzte und Hyptertensiologen haben wir auch mit den übrigen Themen fachlich schon eine Weile zu tun“, so Fehske.
Nach einem ersten genauen Hinschauen ergaben sich für den Apotheker „spontane Fragen“ und Ideen. Wie zum Beispiel, ob es zwingend sein muss, die Medikationsberatung bei Polymedikation im Gesamtpaket zusammen mit der Erstellung eines elektronischen Medikationsplans vergütet zu bekommen. „Vielleicht würde dem einen oder anderen Patienten sogar schon der Medikationsplan reichen?“ Doch gleichzeitig sieht er ein: „Wenn wir es an einen ausführlichen Medikations-Check anschließen, hat das sicherlich noch einen zusätzlichen Nutzen für die Arzneimittelsicherheit.“
Einen Nutzen sieht Fehske auch in dem Umstand, dass die Medikationsberatung nicht nur in der Apotheke, sondern auch im „häuslichen Umfeld“ der Patientinnen und Patienten stattfinden darf. „Sicherlich werden viele Pflegefachkräfte auch die Unterbringung in Pflegeheimen so verstehen und sich freuen, wenn durch die Dienstleistung der versorgenden Apotheke u. a. das Sturz- und Krankenhauseinweisungsrisiko auch der von ihnen betreuten Patienten gesenkt werden mag“, deutet er daraus.
„Wir freuen uns riesig, dass die neuen Dienstleistungen drin sind. Wir werden sicher die meisten übernehmen – aber welche genau, haben wir noch nicht beschlossen.“
Darüber hinaus geht er davon aus, dass die Apothekerinnen und Apotheker die Therapiesicherheit oraler Zytostatika „gern verbessern“ werden, gleichzeitig sieht er sie durch „Direct-to-Pharmacy“-Vertriebspraktiken von Pharmaunternehmen gefährdet, die langsamer und störanfälliger als der pharmazeutische Großhandel seien. Daraus resultierende (meldepflichtige) Therapieunterbrechungen könnten aber vielleicht häufiger der AMK berichtet werden, wenn sich Pharmazeuten nun intensiver um die entsprechenden Patienten kümmern. Und Wechselwirkungen ließen sich idealerweise durch gute Kooperationen mit Onkologen bereits vorausschauend vermeiden, wenn die Dienstleistung möglicherweise schon vor deren Verordnung erbracht werden könnten.
Die an der ärztlichen Leitlinie orientierte Art der Blutdruckmessung mit drei Einzelmessungen als Screening- oder Monitoring-Instrument niedrigschwellig auch über Apotheken anzubieten macht in Fehskes Augen „sicher Sinn“ Wünschenswert wäre für ihn aber, wenn in diesem Zusammenhang auch die unterschiedlichen Messmethoden beim Arzt (auskultatorisch, also mit Stethoskop) und meisten vollautomatischen Geräte (oszillometrisch!) angemessen berücksichtigt würden und wenn Apotheken bei Patienten mit einem Wunsch nach häufigeren Messintervallen als einmal jährlich zumindest ähnliche Qualitäts- und Preismaßstäbe anlegen würden, wie für die von der GKV vergütete pharmazeutische Dienstleistung vorgesehen sind. In diesem Zusammenhang stellt er die Frage: Wie genau wird das eigentlich kontrolliert bzw. sichergestellt?
„Ich hätte mir noch etwas mehr nach der langen Wartezeit gewünscht – etwa Antibiotikasäfte für Kinder in der Apotheke herrichten zu können. Aber alles in allem denke ich, es ist ein guter Start.“
Als ein zukünftiges Aufgabenfeld der Apotheken im Bereich des Screenings schlägt Dr. Christian Fehske die Bestimmung von Cholesterin-Werten vor. Damit zusammenhängend sieht er die Adhärenzförderung bei Statinunverträglichkeiten.
„Leider wissen wir ja nicht so genau, was sonst noch alles hinter verschlossenen Türen diskutiert wurde.“ Für bestimmte Patienten hält der Hagener Apothekeninhaber auch die Neuverblisterung von Dauermedikation als eine vergütete pharmazeutische Dienstleistung für wünschenswert. „Ich bin gespannt, was die Zukunft noch bringen mag – jetzt wo ein Anfang endlich gemacht ist“, so Fehske. |
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