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Einfach erklärt

Ins Netz gegangen?

Komplexe Sachverhalte einfach erklärt – Folge 9: Gesundheitsinformationen für Laien

Wir alle kennen die Kundinnen und Kunden, die sich vor ihrem Besuch in der Apotheke gutgläubig Rat bei Dr. Google geholt haben. Daran ist nichts Verwerfliches, ganz im Gegenteil: Informierte Patientinnen und Patienten sind begrüßenswert. Wenn sie seriös und korrekt über ihre jeweilige Erkrankung und mögliche Therapie aufgeklärt wurden, kann das im besten Fall die Adhärenz fördern. Doch genau hier steckt auch das Problem: Was bedeutet seriös und korrekt? Und wer behauptet eigentlich, dass die Suchmaschinen den Laien immer nur valide Informationen liefern? | Von Christine Gitter

Erstaunlicherweise schätzen sich viele Menschen hierzulande selbst gar nicht als wirklich gut informiert ein, trotz (oder möglicherweise gerade wegen?) der allgegenwärtigen Informationsflut. So zeigt eine 2021 veröffentlichte Studie der Universität Bielefeld, dass sich mehr als die Hälfte der Deutschen eine eher niedrige Gesundheitskompetenz bescheinigen, die sich im Vergleich zu einer Untersuchung von 2014 sogar verschlechtert hat [1]. Besonders auffällig ist – so eine Umfrage der AOK aus 2020 –, dass mindestens genauso viele Personen sich schwertun, digitale Gesundheitsinformationen zu beurteilen [2]. Können Sie nicht nachvollziehen? Starten Sie einen Versuch und googeln Sie mal „Vitamine bei Krebs“! Die Ergebnisse der Suchmaschinen ändern sich zwar täglich, die Verwirrung bei Patienten und Angehörigen dürfte bleiben. Ich finde heute jedenfalls – erfreulich weit oben – Informationen des Deutschen Krebsinformationsdienstes und der Deutschen Krebsgesellschaft, aber eben auch eine Menge Seiten mit, sagen wir mal, variabler Glaubwürdigkeit. Wie soll sich jemand außerhalb der Fachkreise da ernsthaft zurechtfinden?

Und wir? Ich gebe es zu: Ich stamme aus einer Generation von Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, die erste zaghafte Schritte in Richtung Evidenz machte und nicht ausschließlich auf die Informationen des Pharma-Außendienstes vertrauen wollte. Für mich war es eine verhältnismäßig aufwendige und komplizierte Angelegenheit, mich in die wissenschaftliche Sprache von Studien einzulesen und sie dann auch richtig zu verstehen, trotz universitärer Ausbildung. Außerdem verdoppelt sich das medizinische Wissen aktuell etwa alle fünf Jahre! Da kann man als Einzelne unmöglich auch nur annähernd den Überblick behalten. Wie gut, dass es Archie Cochrane gab!

Komplexe Sachverhalte aus dem Apothekenalltag einfach erklärt …

… das ist die Idee hinter dieser Serie!

Denn wie alle Experten sind auch wir Apothekerinnen und Apotheker chronisch gefährdet, einen zu hohen Wissensstand beim Gegenüber – unseren Kundinnen und Kunden – vorauszusetzen. Bei der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sind einfache Erklärungen auf die Frage „Warum?“ oft förderlicher als detaillierte Ausführungen, die sich mit dem „Wie“ beschäftigen.

Deshalb finden Sie in dieser Serie regelmäßig ent­sprechend aufbereitete Informationen, die Sie an Ihre Kundinnen und Kunden weitergeben können – wir übernehmen sozusagen die Übersetzungsarbeit aus dem Pharmazeutischen.

Bei der Themenauswahl haben wir uns an der Häufigkeit im Apothekenalltag und am praktischen Nutzen für die AMTS orientiert.

Alle bisher erschienenen Folgen finden Sie auf DAZ.online, wenn Sie in das Suchfeld den Webcode J9VU5 eingeben oder dem nebenstehenden QR-Code folgen.

Archibald Leman Cochrane (1909 – 1988) war ein britischer Arzt, der Anfang der 1940er-Jahre in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet. Im Lager grassierte die Gelbsucht-Epidemie. Als medizinischer Offizier wollte Cochrane die Beschwerden seiner Mitgefangenen heilen oder zumindest lindern. Es gab noch keine Therapie, auf deren Wirksamkeit man sich verlassen konnte, was Archie Cochrane zum Nachdenken brachte. Es wurde dies und jenes ausprobiert, am Ende war man nicht schlauer. Zu dieser Zeit war es noch üblich, dass in jedem Teil der Erde ein ganz eigenes medizinisches Süppchen gekocht wurde. Neue Errungenschaften in der Behandlung brauchten ewig, bis man sie anderenorts nutzen konnte. Das war frustrierend. Dieses Erlebnis und viele folgende machten Cochrane zum Verfechter von randomisierten und kontrollierten Studien – der Basis der evidenzbasierten Medizin.

Auf ihn geht die Gründung eines Informationsportals zurück, auf das wir als Fachpersonal, aber eben ausdrücklich auch unsere Patienten zugreifen können und Hersteller-unabhängige Informationen erhalten – die Cochrane Library. Über 37.000 Menschen aus über 130 Ländern arbeiten heute in der Cochrane Collaboration zusammen, um sich systematisch einen Überblick über den Stand der medizinischen Forschung zu verschaffen und die Datenbanken damit zu füttern. Dort findet man Informationen zu systematischen Übersichtsarbeiten, randomisiert kontrollierten klinischen Studien und zur evidenzbasierten Medizin in Form von Leitlinien. Dabei steht immer eine konkrete Fragestellung im Mittelpunkt, zum Beispiel: „Funktioniert Ivermectin bei der Prävention und Behandlung von COVID-19?“. Welche Studien und Forschungsergebnisse warum als relevant ausgewählt werden, wird offen kommuniziert. Die Hauptergebnisse werden zusammengefasst und durch die Autoren des Reviews – Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen, Wissenschaftler und Statistiker – hinsichtlich ihrer Beweiskraft bewertet.

Das Wichtigste: Die Abstracts sind kostenlos einsehbar. ­Inzwischen sind viele davon auch ins Deutsche übersetzt – sogar in einigermaßen laienverständlicher Sprache.

Cochrane arbeitet gemeinnützig. Natürlich leben weder die Autoren der Reviews noch die Server, die die Daten verarbeiten und bereitstellen von Luft und wissenschaftlichem Interesse. Deshalb braucht auch eine Cochrane Collaboration finanzielle Förderung. Allerdings nimmt man dort keine Förderung mit „Potenzial für Interessenskonflikte“ an. Die Autoren sollen unabhängig, ohne finanzielle Interessen, arbeiten können.

Unsere googelnden Kundinnen und Kunden darin zu bestärken, sich auch weiterhin über gesundheits- und therapierelevante Themen im Netz zu informieren, ist also das eine. Viel wichtiger wäre es aber, zu erfahren, wo sich die Laien welche Informationen beschafft haben. Nicht selten kommen die Patientinnen und Patienten mit entsprechenden Ausdrucken in die Apotheke und drücken einem auch mal das Smartphone mit der geöffneten Webseite in die Hand. Je schwerer die Not, das Leid und die Verzweiflung im Zusammenhang mit einer Erkrankung wiegen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffene und Angehörige online nicht nur fehlinformiert, sondern auch manipuliert werden. Die Gefahr besteht, dass sich die Menschen dann von den etablierten und bewährten Wegen der Medizin und Pharmazie verabschieden und in die Hände von zwielichtigen Heilsversprechern geraten. Daher sollten wir uns nicht nur mit dem konkreten Fall beschäftigen, sondern auch unsere Hilfe anbieten, wie sich unsere Kundinnen und Kunden allgemein im Dschungel der Gesundheitsinformationen im Internet zurechtfinden – im persönlichen Gespräch oder im Rahmen einer abendlichen Informationsveranstaltung.

Patienten fragen – wir antworten

Was sind seriöse Gesundheitsinformationen?
Selbst für Fachleute ist es nicht immer einfach, seriöse Gesundheitsinformationen auf Anhieb zu erkennen. Auch die Abgrenzung zu Werbeaussagen, also zu Inhalten, hinter denen Unternehmen ein kommerzielles Interesse haben, gelingt nicht immer auf Anhieb. Die Auswahl der Informationsquelle ist deshalb von großer Bedeutung. Seriöse Gesundheitsinformationen kommen von Anbietern, die vor allem ein Interesse haben, dass Patienten wieder gesund werden und keinen weiteren Schaden erfahren. Krankheiten sollen möglichst verhindert werden, dafür sollen Mittel und Methoden angewandt werden, die erprobt und ungefährlich sind. Außerdem stehen Verkaufsangebote nicht im Vordergrund.

Welche Quellen sind vertrauenswürdig?
Die Frage ist, woher Sie die Informationen haben: Von einer Website einer medizinischen oder pharmazeutischen Fachzeitschrift oder einer vertrauenswürdigen Gesundheitsorganisation sind Informationen grundsätzlich seriöser, als wenn Text in Foren oder sozialen Netzwerken geteilt werden. Das Risiko, auf eine Falschmeldung zu stoßen, ist in den sozialen Medien sehr viel höher.
 

Neuer DAZ-Podcast: Einfach erklärt – auf die Ohren

Wie googeln wir Apothekerinnen und Apotheker eigentlich „richtig“? Ein großer Teil unseres Jobs ist es, medizinische Fragen einzuordnen. Suchmaschinen wie Google liefern zwar schnelle ­Treffer, doch nicht jeder hilft bei der evidenzbasierten Beratung. Wie lässt sich schnell im Internet recherchieren und gleichzeitig den Überblick behalten, wenn jede Woche neue Studien herauskommen?

Darüber spricht Dr. Dorothee Dartsch in der ersten Folge des neuen DAZ-Podcasts „Einfach erklärt – auf die Ohren“. Sie baute in Hamburg ab 2002 das damals neu in die Approbationsordnung aufgenommene Fach „Klinische Pharmazie“ auf.

Seit März 2012 ist sie Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Campus Pharmazie GmbH. Dort vermittelt sie mit ihrem Team klinische und patientenorientierte Pharmazie für öffentliche und Krankenhausapotheker. Sie legt Wert darauf, mit Campus Pharmazie nicht „nur“ Wissen, sondern vor allem Kompetenzen zu vermitteln.

In der ersten Folge „Einfach erklärt – auf die Ohren“ gibt Dr. Dorothee Dartsch nicht nur ihre persönliche Fortbildungsstrategie preis. Sie erläutert auch, wie Apotheken ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Raum für Recherche geben können. Zudem nennt sie eine ganze Reihe an Quellen, die auf die Schnelle oder auf Dauer bei der Beratung helfen.

Alle Podcast-Folgen finden Sie auf DAZ.online, wenn Sie in das Suchfeld den Webcode M6NL3 eingeben oder dem nebenstehenden QR-Code folgen.

Woran erkennt man, ob Informationen seriös oder unseriös sind?
Einen ersten Hinweis liefert bereits die Überschrift: Klingt sie eher wie eine Schlagzeile, ist Vorsicht angebracht! Sind die Inhalte sachlich und verständlich dargelegt und mit wissenschaftlichen Quellen belegt? Gibt es Links zu den Originalstudien, könnten Sie also bei Bedarf auch dort nachlesen? Hat die Seite ein Impressum und Angaben zu den Verfasserinnen und Verfassern? Von wem stammen die Informationen? Sind Autorin oder ­Autor überhaupt angegeben bzw. eine real existierende Person? Hat sie oder er eine anerkannte Ausbildung im Gesundheitsbereich und entsprechende Berufserfahrung? Achtung: „Experte“ – wofür auch immer – ist keine Berufsbezeichnung!

Was sind Beispiele für hilfreiche und empfehlenswerte Seiten?
Eine abschließende Liste gibt es nicht. Prinzipiell existieren aber Informationen aus staatlicher Hand, die in Suchmaschinen sehr gut gefunden werden. Dazu gehören das nationale Gesundheitsportal des Bundesministeriums für Gesundheit (gesund.bund.de), das Gesundheitsinformationsportal des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG (www.gesundheitsinformation.de) oder verschiedene Themen- und Kampagnenseiten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BzgA.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (ceres) an der Universität zu Köln entwickelten einen Wegweiser für die Online-Suche im Netz (www.gesund-im-netz.net). Der Blog des Forschernetzwerks Cochrane hat wissenschaftliche Erkenntnisse in leicht verständlichen Zusammenfassungen veröffentlicht (www.wissenwaswirkt.org). |
 

Literatur

[1] Schaeffer D. et al. Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Deutschland vor und während der Corona Pandemie: Ergebnisse des HLS-GER 2. Bielefeld: Universität Bielefeld, Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung. 2021, doi: 10.4119/unibi/2950305

[2] AOK-Umfrage zur digitalen Gesundheitskompetenz: Jeder Zweite hat Probleme. Pressemitteilung des AOK-Bundesverbandes vom 08.12.20, https://aok-bv.de/presse/pressemitteilungen/2020/index_24150.html, abgerufen am 7.6.22

 

Autorin

Christine Gitter, Apothekerin, sammelte über zwanzig Jahre Erfahrung in der Offizin, davon 16 Jahre als Inhaberin. Die Buchautorin engagiert sich in unterschiedlichen Projekten zur Förderung der AMTS.

Illustratorin

Nadine Roßa ist Designerin, Illustra­torin und „Spiegel“-Bestseller-Autorin für diverse Sketch­notes-Bücher. Sie gibt Workshops und Vorträge rund um das Thema Visualisierung und begleitet Veranstaltungen durch Graphic Recordings (Visuelle Protokolle).

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