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Arzneimittel und Therapie
Tabletten statt CPAP-Maske?
Sultiam empfiehlt sich als Option bei obstruktiver Schlafapnoe
Eine obstruktive Schlafapnoe äußerst sich durch Atemstillstände während des Schlafs und Tagesschläfrigkeit mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit bis hin zum unfreiwilligen Einschlafen. Nebenbefunde sind unter anderem nächtliches Aufschrecken mit kurzzeitiger Atemnot und Schnarchen (bei 95% der Betroffenen). Es gibt Zusammenhänge der obstruktiven Schlafapnoe mit koronarer Herzkrankheit, Vorhofflimmern und arterieller Hypertonie, bei Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen auch mit Herzinsuffizienz, Schlaganfall und Mortalität.
Compliance mit Luft nach oben
Die häufigste Therapieform für alle Schweregrade der obstruktiven Schlafapnoe ist die nächtliche Überdruckatmung („positive airway pressure“, PAP) in Form des kontinuierlichen PAP-Modus (CPAP, „continuous PAP“). Maskenstandard ist die Nasenmaske, die in einem Schlaflabor angepasst wird. Mehrere Kohorten-basierte Verlaufsstudien lassen darauf schließen, dass eine gute CPAP-Nutzung einen positiven Einfluss auf das Überleben hat, auch wenn randomisierte klinische Studien fehlen. Das größte Problem dieser Therapieform ist die schlechte Adhärenz. Für einen klinischen Erfolg muss die Maske über mindestens vier Stunden pro Nacht und in mehr als 70% der Nächte angewendet werden. Bis zu 50% der auf eine CPAP-Therapie neu eingestellten Patienten brechen die Therapie innerhalb der ersten Woche ab. Alternativen sind deshalb sehr gefragt.
Zu den Nicht-CPAP-Verfahren zählen laut S3-Leitlinie „Schlafbezogene Atmungsstörungen“ die Gewichtsreduktion, Unterkieferprotrusionsschienen, die die oberen Atemwege erweitern, Operationen zur Verbesserung der Nasenatmung und Arzneimittel. Explizit zugelassen zur Behandlung der Tagesschläfrigkeit bei obstruktiver Schlafapnoe (OSA) sind der Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Solriamfetol (Sunosi®) und der Histamin-H3-Rezeptorantagonist Pitolisant (Ozawade®). Zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung im Schlaf sucht man noch nach geeigneten Wirkstoff-Kandidaten. Hoffnungen ruhen derzeit unter anderem auf dem Carboanhydrase-Hemmer Sultiam.
Antikonvulsivum mit Potenzial
Sultiam kommt eigentlich in der Therapie der Epilepsie zum Einsatz. Carboanhydrasen katalysieren die Reaktion von Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) in Bicarbonat- (HCO3-) und Wasserstoffionen (H+) in beide Richtungen. Durch die Hemmung der Carboanhydrase kommt es im Gehirn zu einer Übersäuerung, wodurch die Erregbarkeit der Nervenzellen abnimmt. Die Hemmung dieses Enzyms kann aber auch bei Schlafapnoe hilfreich sein, wie eine schwedische Studie zeigt. Im doppelblinden, randomisierten Studiendesign wurden 34 Probanden über vier Wochen mit täglich 400 mg Sultiam, zwölf Probanden mit täglich 200 mg Sultiam und 22 Probanden mit Placebo behandelt. Gradmesser für die Wirksamkeit war der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), der die Anzahl der Apnoen (Aussetzen der Atmung) und Hypopnoen (vollständiger Ausfall des Atemflusses über mindestens zehn Sekunden) je Stunde Schlafzeit angibt. In der 400-mg-Gruppe sank der AHI im Durchschnitt von 55,3/h auf 33,1/h (-41,0%), in der 200-mg-Gruppe von 61,2/h auf 40,7/h (-32,1%) und in der Placebogruppe von 53,9/h auf 50,9/h (-5,4%). Zudem verbesserte sich in beiden Verumgruppen die durchschnittliche Sauerstoffsättigung über Nacht um 1,1%.
Man vermutet, dass eine Hemmung der Carboanhydrase einem pathologisch erhöhten Loop Gain, also einer instabilen Atemkontrolle, entgegenwirkt.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung
Eine Verringerung des Apnoe-Hypopnoe-Index um ≥ 50% mit verbesserter nächtlicher Sauerstoffsättigung und Schlafqualität wurde als klinisch relevante Verbesserung der obstruktiven Schlafapnoe angesehen. Dieses Ziel wurde insgesamt bei 40% der Patienten in der 400-mg-Gruppe, bei 25% in der 200-mg-Gruppe und 5% in der Placebogruppe erreicht. Auf der anderen Seite traten in den Verumgruppen unerwünschte Arzneimittelwirkungen deutlich häufiger auf als in der Placebogruppe. Bekannt ist, dass Sultiam gastrointestinale Funktionsstörungen, Parästhesien, Hyperventilation und Dyspnoe hervorrufen kann. Die Autoren relativieren diese Nebenwirkungen jedoch als „vorübergehend“ und halten die weitere Erforschung von Sultiam in groß angelegten klinischen Studien für gerechtfertigt. Allerdings zeichnet sich eine dosisabhängige Verträglichkeit ab, vermutlich mit 400 mg pro Tag als obere Grenze bei OSA-Patienten, zumindest nach einer kurzen Titrationsphase von zwei Wochen.
Diese Arzneimittel eher meiden
Auch das zentral atmungsstimulierend wirkende Theophyllin wurde schon als Option bei obstruktiver Schlafapnoe gehandelt. Aufgrund des ungünstigen Nutzen-Risiko-Profils mit geringer therapeutischer Breite und der fehlenden spezifischen Wirksamkeit sollte es aber nicht in dieser Indikation eingesetzt werden. OSA-Patienten sollten zudem Arzneimittel meiden, die zu einem Absinken des nächtlichen Sauerstoffgehalts im Blut führen können, beispielsweise Remifentanil, Zolpidem und Triazolam. Codein-haltige Medikamente dürfen nur mit Vorsicht angewendet werden. Im Fall einer Anästhesie besteht postoperativ die Gefahr einer Atemwegsobstruktion. |
Literatur
Gröner A, Steininger C. Was ist Schlafapnoe? Informationen von Lungenärzte im Netz, www.lungenaerzte-im-netz.de/krankheiten/schlafstoerungen/was-ist-schlafapnoe/, Aufruf 23. Mai 2022
Hedner J et al. A Randomized Controlled Trial Exploring Safety and Tolerability of Sulthiame in Sleep Apnea. Am J Respir Crit Care Med 2022, doi: 10.1164/rccm.202109-2043OC
S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörung Kapitel „Schlafbezogene Atmungsstörungen bei Erwachsenen“, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, AWMF-Register Nr. 063/001, Stand: August 2017 (+ Aktualisierung 07/2020)
Stuck BA et al. Klug entscheiden: Obstruktive Schlafapnoe. Dtsch Arztebl 2021;118(19-20): A-996/B-826
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