Arzneimittel und Therapie

Drei Antidiabetika-Klassen im Vergleich

GLP-1-Rezeptoragonisten, DPP-4- und SGLT-2-Inhibitoren punkten unterschiedlich

In zwei Studien wurde die Wirksamkeit zwischen neueren Antidiabetika verglichen – mit interessanten Ergebnissen beispielsweise im Hinblick auf die Gesamtsterblichkeit oder renale Ereignisse. Eine der Studien untersuchte Glucagon-like-Peptide-1-(GLP-1)-Rezeptoragonisten versus Dipeptidylpeptidase-4-(DPP-4)-Hemmer. In der anderen Studie wurden die GLP-1-Rezeptor­agonisten den Natrium-Glucose-Cotransporter-2–(SGLT-2)-Hemmern gegenübergestellt.

Typ-2-Diabetes ist eine der häufigsten Ursachen für eine chronische Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD). Beide Krankheiten sind mit einer erhöhten Gesamtsterblichkeit, einer erhöhten Rate an Infektionen und kardiovaskulären Ereignissen ­assoziiert. GLP-1-Rezeptoragonisten (Inkretin-Mimetika, z. B. Dulaglutid [Trulicity®], Semaglutid [Ozempic®]) und DPP-4-Inhibitoren (Gliptine, z. B. Sitagliptin [u. a. Januvia®]) sind zur Behandlung von Erwachsenen mit unzureichend eingestelltem Typ-2-Diabetes als Monotherapie indiziert, wenn die Einnahme von Metformin wegen Unverträglichkeit oder Kontraindika­tionen nicht geeignet ist. Sie können aber auch zusätzlich zu anderen Antidiabetika eingesetzt werden. Die Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes empfiehlt bei Patienten mit erhöhtem Risiko für Diabetes-assoziierte renale Erkrankungen nach individueller Bewertung die Einnahme von Metformin bzw. Metformin plus SGLT-2-Hemmer oder GLP-1-Rezeptoragonisten. Bei Typ-2-Diabetikern mit klinisch relevanten kardiovaskulären Erkrankungen wird direkt die Kombinationstherapie empfohlen.

Foto: Dilok/AdobeStock

GLP-1-Rezeptoragonisten versus DPP-4-Hemmer

In einer retrospektiven Kohorten­studie wurde untersucht, ob die Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten im Vergleich zur Einnahme von DPP-4-Hemmern mit besseren Endpunkten assoziiert ist. Die Probanden waren Typ-2-Diabetiker mit chronischer Niereninsuffizienz Stadium 5 oder terminaler Niereninsuffizienz (end-stage kidney disease, ESKD) mit Dialyse. Die Studienautoren werteten Daten der „National Health Insurance Research Database“ von Taiwan im Zeitraum von Januar 2012 bis Dezember 2018 aus. Insgesamt wurden 27.279 Patienten in die Studie eingeschlossen. 26.578 erhielten einen DPP-4-Inhibitor und 701 einen GLP-1-Rezeptoragonisten. Das mittlere Alter lag in der DPP-4-Inhibitor-Gruppe bei 65 Jahren und in der GLP-1-Rezeptoragonisten-Gruppe bei 59 Jahren. Die häufigste Ko­morbidität in beiden Gruppen war ­Hypertonie – so litten mehr als 80% der Studienteilnehmer darunter. Die mediane Follow-up-Dauer betrug 3,57 Jahre in der Gruppe mit Gliptinen versus 1,76 Jahre in der Gruppe mit Inkretin-Mimetika.

Primärer Endpunkt war die Gesamtsterblichkeit – so lag die Rate pro 100 Personenjahre in der DPP-4-Hemmer-Gruppe bei 7,95 (95%-Konfidenzintervall [KI], 7,76 – 8,15) versus 6,10 (95%-KI, 4,76 – 7,45) in der GLP-1-Rezeptor­agonisten-Gruppe. Die Therapie mit einem GLP-1-Rezeptoragonisten war im Vergleich zur DPP-4-Hemmer-Behandlung mit einer niedrigeren Gesamtsterblichkeit verbunden (Hazard Ratio [HR] = 0,79, 95%-KI 0,63 – 0,98, p = 0,03). In der Subgruppenanalyse zeigte sich jedoch, dass nur Patienten mit zerebrovaskulären Erkrankungen von dem niedrigeren Gesamtsterblichkeitsrisiko unter Einnahme eines Inkretin-Mimetikums profitieren (HR = 0,33, 95%-KI 0,12 – 0,86). Diese Assoziation konnte bei Patienten ohne zerebrovaskuläre Erkrankungen nicht beobachtet werden.

Als sekundäre Endpunkte wurden die Raten an Sepsis- oder Infektions-bedingter Mortalität sowie Mortalität aufgrund schwerer kardialer oder zerebrovaskulärer Komplikationen (major adverse cardiac and cerebrovascular events, MACCE) untersucht. Bezogen auf jeweils 100 Personenjahre lag die Rate an Sepsis- oder Infektions-bedingter Sterblichkeit in der DPP-4-Hemmer-Gruppe bei 3,01 (95%-KI 2,88 – 3,13) – im Vergleich dazu lag die Rate in der GLP-1-Rezeptoragonisten-Gruppe bei 1,80 (95%-KI 1,07 – 2,53). Auch hier waren die Inkretin-Mimetika den Gliptinen überlegen (HR 0,61; 95%-KI 0,40 – 0,91, p = 0,02). Die MACCE-bedingte Sterblichkeit war in beiden Gruppen ähnlich – in der DPP-4-Hemmer-Gruppe lag die Rate pro 100 Personenjahre bei 2,56 (95%-KI 2,45 – 2,67) versus 2,64 (95%-KI 1,75 – 3,53 pro 100 Personenjahre) in der GLP-1-Rezeptoragonisten-Gruppe.

In der Studie war die Einnahme von GLP-1-Rezeptoragonisten den DPP-4-Hemmern überlegen – so führte die Therapie zu einer niedrigeren Gesamtsterblichkeit und Sepsis- bzw. ­Infektions-bedingter Mortalität. Um diese Ergebnisse zu bestätigen, sind weitere prospektive klinische Studien erforderlich.

GLP-1-Rezeptoragonisten versus SGLT-2-Hemmer

Auch SGLT-2-Hemmer (z.B. Dapagliflozin [Forxiga®]) sind zur Behandlung Erwachsener mit unzureichend eingestelltem Typ-2-Diabetes als Monotherapie indiziert, wenn die Einnahme von Metformin wegen Unverträglichkeit oder Kontraindikationen ungeeignet ist sowie als Zusatzbehandlung zu anderen Antidiabetika. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass sowohl SGLT-2-Hemmer als auch GLP-1-Rezeptoragonisten HbA1c-Level verbessern und das Auftreten kardiovaskulärer und renaler Ereignisse reduzieren [Zinman et al., Perkovic et al., Marso et al., Gerstein et al.]. Eine klinische Head-to-Head-Studie zwischen beiden Antidiabetika-Klassen gibt es derzeit aber nicht.

In einer Netzwerk-Metaanalyse wurde der Effekt auf kardiovaskuläre und renale Outcomes zwischen SGLT-2-Hemmern und GLP-1-Rezeptoragonisten untersucht. In die Analyse wurden neun randomisierte kontrollierte klinische Studien einbezogen – sechs von ihnen verglichen SGLT-2-Hemmer mit Placebo und drei GLP-1-Rezeptor­agonisten versus Placebo. Insgesamt wurden 81.206 Typ-2-Diabetiker mit/ohne Albuminurie eingeschlossen. 31.646 von ihnen erhielten SGLT-2-Hemmer, 12.186 einen GLP-1-Rezeptoragonisten und 37.374 ein Placebo. Die HbA1c-Werte der Probanden lagen zwischen 5,5% und 12,0%. Die mediane Follow-up-Dauer lag bei den SGLT-2-Hemmer-Studien zwischen 16,0 und 50,4 Monaten und in den Studien mit GLP-1-Rezeptoragonisten zwischen 27,0 und 64,8 Monaten.

Primärer Endpunkt war das Auftreten dreier schwerer kardialer Ereignisse (MACE-3) bestehend aus kardiovaskulärem Tod, nicht tödlichem Myokardinfarkt und nicht tödlichem Schlag­anfall. In der Metaanalyse konnte ­festgestellt werden, dass bei Typ-2-­Diabetikern ohne Albuminurie beide Antidiabetika im Vergleich zu Placebo zu keiner signifikanten Reduktion von MACE-3 führten. Im direkten Vergleich zwischen SGLT-2-Hemmern und GLP-1-RA konnte ebenfalls kein signifikanter Unterschied gezeigt werden (relatives Risiko [RR] = 0,94, 95%-KI 0,81 – 1,10).

Diabetiker mit Albuminurie profitierten allerdings von der Einnahme eines SGLT-2-Hemmers. In der Analyse zeigte sich bei ihnen eine signifikante Reduktion der drei genannten schweren kardialen Ereignisse (MACE-3) unter SGLT-2-Hemmer-Therapie im Vergleich zu Placebo (RR = 0,85, 95%-KI 0,78 – 0,93). Die Einnahme von GLP-1-RA zeigte hingegen keinen Vorteil.

Die Risikoreduktion der drei kardialen Ereignisse (MACE-3) war aber im direkten Vergleich zwischen beiden Antidiabetika-Klassen bei Patienten mit Albuminurie vergleichbar (RR = 0,96, 95%-KI 0,82 – 1,12). Abschließend konnte in Bezug auf die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse sowohl bei Diabetikern unter Albuminurie als auch ohne Albuminurie kein signifikanter Vorteil für SGLT-2-Hemmer im Vergleich zu GLP-1-RA gezeigt werden.

Als sekundärer Endpunkt wurde der Effekt auf kombinierte renale Ereignisse untersucht (erstmaliges Auftreten einer Makroalbuminurie, terminales Nierenversagen, Verschlechterung renaler Funktionen, renaler oder kardiovaskulärer Tod). Beide Antidiabetika-Klassen führten im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten Reduktion renaler Ereignisse – unabhängig vom Vorliegen einer Albuminurie.

Im Vergleich zu GLP-1-Rezeptoragonisten war die Einnahme eines SGLT-2-Hemmers für beide Patientengruppen (mit/ohne Albuminurie) mit einem signifikant niedrigeren Risiko renaler Ereignisse assoziiert (RR = 0,75, 95%-KI 0,63 – 0,89 / RR = 0,59, 95%-KI 0,44 – 0,79). In Bezug auf renale Ereignisse zeigen die Ergebnisse eine klare Überlegenheit von SGLT-2-Hemmern versus GLP-1-Rezeptoragonisten – doch keine Überlegenheit hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse. Auch hier sind zur abschließenden Bewertung weitere klinische Studien erforderlich. |

Literatur

Chen JJ et al. Association of Glucagon-Like-Peptide-1 Receptor Agonist vs Dipeptidyl Peptidase-4 Inhibitor use with mortality among patients with type 2 Diabetes and advanced Chronic Kidney Disease. JAMA Netw Open 2022;5(3):e221169

Fachinformation Forxiga®, Stand: November 2021

Fachinformation Januvia®, Stand: September 2021

Fachinformation Ozempic®, Stand: Januar 2022

Gerstein HC et al. Dulaglutide and renal outcomes in type 2 diabetes: an exploratory analysis of the REWIND randomised, placebo-controlled trial. Lancet 2019;394(10193):131-138

Kawai Y et al. Comparison of effects of SGLT-2 inhibitors and GLP-1 receptor agonists on cardiovascular and renal outcomes in type 2 diabetes mellitus patients with/without albuminuria: A systematic review and network meta-analysis. Diabetes Res Clin Pract 2022;183:109146

Marso SP et al. Liraglutide and Cardiovascular Outcomes in Type 2 Diabetes. N Engl J Med 2016;375:311-322

Nationale Versorgungsleitlinie Typ-2-Diabetes. Herausgeber: Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, 2. Auflage, Version 1, AWMF-Register-Nr. nvl-001, Stand: März 2021

Perkovic V et al. Canagliflozin and Renal Outcomes in Type 2 Diabetes and Nephropathy. N Engl J Med 2019;380:2295-2306

Zinman B et al. Empagliflozin, cardiovascular outcomes, and mortality in type 2 Diabetes. N Engl J Med 2015;373(22):2117-2128

Apothekerin Dr. Martina Wegener

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