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Apotheken finanziell nicht schwächen

Pharmacon Meran: BAK-Präsident Thomas Benkert appelliert an die Politik

cm/ral | Die Apotheken waren während der Pandemie ein Fels in der Brandung, lobte BAK-Präsident Thomas Benkert die Kolleginnen und Kollegen bei seiner Eröffnungsrede beim derzeit stattfindenden Pharmacon Meran. An die Politik richtete er den Appell, die gute Arbeit der Apotheken nun nicht durch eine finanzielle Schwächung zu gefährden. Dass die Apotheken in der Krise gut ge­arbeitet haben, attestierte auch der Volkswirt Gottfried Ludewig. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssten sie nun jedoch in puncto digitaler Plattform mehr Gas geben.
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Ob sie Desinfektionsmittel herstellten, Masken verteilten, Impfstoffe an die Praxen lieferten oder selbst zur Spritze greifen sollten – wann immer sie gebraucht wurden, waren die Apotheken zur Stelle, betonte Benkert. Ihre Leistung während der Pandemie fasste er mit einem kurzen Satz zusammen: „Wir haben Knochenarbeit geleistet.“ Nun gelte es, die Politik regelmäßig daran zu erinnern, welche Stütze die Apotheken in der Krise waren. Mit Blick auf den Entwurf für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das im März kurzzeitig kursierte, dann aber direkt wieder einkassiert wurde, scheine das angebracht, so Benkert. Schon bald will Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach einen neuen, angepassten Entwurf vorlegen – abzuwarten bleibt, wie stark die darin vorgesehenen Einsparinstrumente die Apotheken belasten werden. Aus Benkerts Sicht sind Einsparungen zulasten der Apotheken aktuell fehl am Platz. Apotheken seien seit Jahren von der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland abgekoppelt, gleichzeitig belasteten sie die steigenden Kosten für zum Beispiel Energie, Sprit und Personal ebenso wie alle anderen, betonte der BAK-Präsident. „Ich appelliere daher an die Politik: Schwächen Sie nicht die finanzielle Situation der Apotheken und gefährden die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung.“ Stattdessen erinnerte er an den Inhalt des Koalitionsvertrags – darin war noch von einer Stärkung der Vor-Ort-Apotheken die Rede gewesen. „Eine gute Arzneimittelversorgung braucht – auch in wirtschaftlicher Hinsicht – verlässliche Rahmenbedingungen!“

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Eine tolle Leistung attestierte BAK-Präsident Thomas Benkert den Apothekerinnen und Apothekern in der Pandemie.

Noch immer Schweigen zu Dienstleistungen

Ein Baustein, um die Situation der Apotheken zu stabilisieren, sollen die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen sein. Am vergangenen Donnerstag fand der wohl letzte Termin diesbezüglich vor der Schiedsstelle statt. Worauf sich die Beteiligten nun verständigt haben, was das Dienstleistungspaket und die Vergütung der Apotheken betrifft, bleibt allerdings unter Verschluss, bis der schriftliche Schiedsspruch vorliegt. „Das ist zwar einerseits bedauerlich, denn wir alle sind gespannt auf die vereinbarten Dienstleistungen. Es ist aber auch verständlich, dass die öffentliche Kommunikation erst dann erfolgen soll, wenn alles in trockenen Tüchern – in diesem Fall schwarz auf weiß auf bedrucktem Papier – ist“, sagte Benkert.

Forderung nach mehr Studienplätzen

Große Chancen sieht Benkert in der Novellierung der Approbationsordnung für Apotheker. Ein Positionspapier dazu haben BAK, Studierende, Professoren und andere gemeinsam an einem virtuellen Runden Tisch entworfen. „Das Ergebnis ist somit DIE Position der Apothekerschaft.“ Kostenneutral werde sich die Weiterentwicklung des Pharmaziestudiums allerdings nicht umsetzen lassen, räumt Benkert ein. Die Umsetzung dürfe keinesfalls dazu führen, dass die Betreuungsintensität sich verschlechtere oder die Zahl der Studienplätze sich verringere – im Gegenteil: Der BAK-Präsident fordert, gleichzeitig mehr Apotheker an den Universitäten auszubilden als bisher. Schon seit Jahren sind Apotheker Mangelware – Benkert wünscht sich von der Politik ein klares Signal, hier Abhilfe zu schaffen. Denn wozu ein starkes Apothekennetzwerk fähig ist, sollte spätestens in der Pandemie klar geworden sein. „Viele, die bis dato eher nicht unsere Kunden waren, haben in dieser Zeit die Apotheke schätzen gelernt. Was bisher ganz selbstverständlich war, rückte plötzlich sehr deutlich in das Bewusstsein: Die heilberuflich und inhabergeführte Apotheke ist mit ihrer Patientennähe, ihrer Erreichbarkeit und ihrem Angebot nicht zu ersetzen!“

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Apotheken sollen sich ihre Innova­tionskraft aus der Pandemie bewahren, wünscht sich der Volkswirt Gottfried Ludewig.

Ludewig: Der Markt ist in Bewegung

Was die Apothekerschaft in der Pandemie geleistet hat, hat auch den Volkswirt Gottfried Ludewig, der unter Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Abteilung für Digitalisierung im Bundesministerium für Gesundheit geleitet hat und der inzwischen bei T-Systems für den Health­care-Bereich verantwortlich zeichnet, beeindruckt. Bei seinem Vortrag beim Pharmacon Meran erklärte er, dass sich die Apotheken in seinem Fachgebiet insbesondere durch eine Initiative ausgezeichnet hätten: das Schaffen der nötigen digitalen Infrastruktur für das Ausstellen von Impfzertifikaten. Vor allen anderen seien die Apotheken in der Lage gewesen, digitale Impfnachweise für Bürger bereitzustellen. Geht es nach Ludewig, sollten sich die Apotheker diese Innovationskraft bewahren. Denn: „Die Digitalisierung soll niemanden ersetzen, sondern ein Tool sein.“ Vor dem Hintergrund, dass zunehmend Plattform-Anbieter den Apothekenmarkt für sich entdecken, warnte er davor, sich dieser Entwicklung grundsätzlich zu entziehen. Die Menschen wollten heutzutage eine App, über die sie mit einem Klick sehen können, welche Apotheken das von ihnen gewünschte Medikament vorrätig haben – und im Idealfall werde es noch am selben Tag per Botendienst nach Hause geliefert. „Ich schätze meine Apotheken vor Ort. Aber wenn ich die Wahl habe, ob ich von Apotheke zu Apotheke laufe, um ein bestimmtes Arzneimittel zu bekommen, oder stattdessen mit meiner Tochter im Garten spielen kann, ist die Entscheidung klar.“ Statt des Wettbewerbs zwischen den individuellen Präsenzapotheken werde es in Zukunft darum gehen, ob Patienten ihre Medikamente vor Ort kauften oder online. Ludewigs eindringlicher Rat: „Sie sollten diese zweite Ebene besetzen, sonst wird das Geschäft Schritt für Schritt abwandern.“ Zu diesem Zweck sollten die Apotheken an einem Strang ziehen und gemeinsam eine beherrschende Plattform schaffen – damit warb Ludewig offensichtlich für das Apothekenportal, dessen Weiterentwicklung und Betrieb der neu gegründeten Gesellschaft für digitale Services der Apotheken (Gedisa) obliegt. Bis auf Westfalen-Lippe haben sich alle Apothekerverbände Deutschlands dieser Gesellschaft bereits an­geschlossen. Über das Portal können Apotheken schon seit Juni 2021 digi­tale Impfzertifikate erstellen – dies sei der „erfolgreichste digitale Prozess, den die Bundesregierung je umgesetzt hat“, adelte Ludewig das Projekt. Nun heißt es, am Ball zu bleiben und die Apotheken hierzu­lande weiter fit zu machen für die digitale Welt. Ludewig mahnt zur Eile: „Warten Sie nicht zu lange – dieser Markt ist in Bewegung.“ |

 

Das neue Selbstbewusstsein

Ein Kommentar

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DAZ-Herausgeber Dr. Benjamin Wessinger

Es war nicht zu übersehen bei der Eröffnung des Pharmacon Meran: Die Apothekerschaft schöpft neues Selbstbewusstsein aus dem, was der Berufsstand während der Pandemie geleistet hat.

Sichtlich stolz auf die Kolleginnen und Kollegen ist der Präsident der Bundesapothekerkammer, Thomas Benkert. Man habe „auf sich und die Patienten aufgepasst“, die Apotheken seien die ersten gewesen, die Plexiglasscheiben zum Schutz der Kunden aufgebaut haben, die Masken verteilt, Desinfektionsmittel hergestellt und Testzentren auf­gebaut haben. Es sei „tolle Arbeit“ geleistet worden, „die Leistungen in den Apotheken waren zum Teil gigantisch“ – kurz: „Wir haben geliefert!“

Ins gleiche Horn stieß bei seinem Pharmacon-Eröffnungsvortrag Dr. Gottfried Ludewig, der neue „Head of Health Industries“ der Telekom-Tochter T-Systems, vor allem aber ehemaliger Abteilungsleiter für Digitalisierung im Bundesgesundheitsministerium unter Jens Spahn. Es sei „enorm positiv“, was die Apotheken in der Pandemie auf die Beine gestellt haben, sagte er und konstatierte „ein neues Rollenverständnis der Apothekerinnen und Apotheker“. Ganz besonders hob er dabei auf die Digitalisierung ab. Die Ausstellung von digitalen Impfzertifikaten durch die Apotheken bezeichnete er als „erfolgreichsten digitalen Prozess in der Geschichte der Bundesrepublik“.

Das neue Selbstbewusstsein der Apothekerschaft zeigt sich auch im Umgang mit den ärztlichen Kollegen. So zeigte sich Benkert relativ unbeeindruckt von der Ablehnung des Impfens in der Apotheke durch die Ärzteschaft. Er sprach in diesem Zusammenhang von „Ärzte-Lobby“ und konnte sich nicht verkneifen darauf hinzuweisen, dass gerade bei den Corona-Impfungen aufseiten der Ärzte auch nicht alles wirklich gut gelaufen sei.

Dass Benkert mit dieser Einschätzung nicht alleine ist, zeigt sich nicht nur im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen, sondern z. B. auch während des Vortrags von Ulrich Kozcian, Vizepräsident der Bayrischen Landesapothekerkammer, über die Herausforderungen der Medikationsanalyse. Eher nebenbei kam er beim Thema Kommunikation mit den Ärzten auch auf das Impfen zu sprechen. Die Ablehnung des Impfens in der Apotheke gebe es – „aber das ist halt so“, sagte er lapidar. Keine Spur mehr von der alten Angst, dass die Ärzteschaft als Ausgleich für das Impfen das Dispensierrecht fordern könnte.

Dieses neue Selbstvertrauen steht den Apothekerinnen und Apothekern gut, insbesondere weil es so uneitel und frei von Überheblichkeit ist. Und brauchen können sie es auch gut: Nicht nur weil mit dieser Haltung ein Agieren auf Augenhöhe mit den Ärzten tatsächlich funktionieren könnte, sondern auch weil gegenüber der Politik in den kommenden Wochen und Monaten mit gesundem Selbstbewusstsein auf die Gefahr hingewiesen werden muss, die die Kombination aus steigenden Kosten (Gehalt, Inflation, Energiepreise …) und drohenden Spargesetzen (Kassenabschlag, Mehrwertsteuererhöhung!) für die Apotheken bedeuten würde.

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