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„Wir müssen uns auch das Fixhonorar angucken“

Dirk Heidenblut, Berichterstatter der SPD-Fraktion für Apotheken, im Interview mit der DAZ

ks | Grippeschutzimpfungen in Apotheken sollen Regelleistung werden, der Koalitionsvertrag verspricht eine Novellierung des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes – und es steht ein Gesetz zur Stabilisierung der GKV-Finanzen vor der Tür, das auch von Apotheken einen Sparbeitrag einfordern könnte. Wie sieht Dirk Heidenblut, Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für Apotheken, diese und weitere Vorhaben? Die DAZ hat mit ihm gesprochen.

DAZ: Die Grippeschutzimpfung in der Apotheke soll GKV-Regelleistung werden. Die Modellprojekte und die COVID-19-Impfungen in Apotheken haben Sie also überzeugt?

Heidenblut: Ja, das haben sie. Das klappt bisher alles gut, und ich finde, wir sollten Apotheken daher noch stärker ins Impfgeschehen einbinden. Denn die Impfzahlen sind rückläufig, und die Apotheken bieten einen wei­teren, niedrigschwelligen Zugang, den hoffentlich viele Menschen gerne nutzen werden. Damit die Apotheken für die kommende Saison bereit sind, mussten wir rechtzeitig vor der Grippewelle aktiv werden. Der Änderungs­antrag kam jetzt etwas hopplahop – aber das Pflegebonusgesetz schien uns das beste Gesetzgebungsverfahren, um ihn dort anzuhängen. Noch ist er keine beschlossene Sache, aber ich hoffe, wir werden ihn am Ende im Gesetz stehen haben.

DAZ: Kürzlich wurde ein inoffizieller Entwurf für ein GKV-Stabilisierungsgesetz publik. Wie haben Sie die Sparvorschläge aufgenommen?

Heidenblut: Einige der Regelungen im Pharmabereich haben nicht sehr überrascht, sie kamen durchaus erwartet und finden sich auch im Koalitionsvertrag angelegt. Was allerdings den für die Apotheken relevanten Kassenabschlag betrifft, war ich schon verblüfft – zumal wir Vor-Ort-Apotheken stärken wollen. Da hätte ich normalerweise nachgebohrt, aber der Referentenentwurf ist ja sehr schnell wieder verschwunden. Jetzt warte ich erst einmal ab, ob die Regelung in einem neuen Entwurf noch zu finden ist. Dieser soll dem Bundesgesundheitsminister zufolge in Kürze kommen. Ich hoffe, der Abschlag steht dann nicht mehr im Fokus.

Foto: Susie Knoll

Dirk Heidenblut, 1961 in Essen geboren, hat Jura studiert. Von 2009 bis 2013 war er Mitglied und sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Essen; von 2010 bis 2013 Mitglied der SPD-Fraktion im Landschaftsverband Rheinland. Heidenblut wurde 2013 erstmals als Direktkandidat seines Wahlkreises Essen in den Bundestag gewählt. In der laufenden Legislaturperiode ist er ordentliches Mitglied im Bundestags-Gesundheitsausschuss. Dort ist er für seine Frak­tion als Berichterstatter für Psychiatrie/Psychotherapie, Drogen/Sucht, Apotheken, Inklusion und Gesundheit sowie ambulante intensivmedizinische Versorgung tätig. Zudem ist er stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales.

DAZ: Halten Sie die Idee eines erhöhten Kassenabschlags angesichts der für alle steigenden Kosten für politisch durchsetzbar – vor allem, wenn sich am Fixhonorar nichts verändern sollte?

Heidenblut: Ich halte das für einen schwierigen Weg, den ich nicht gehen wollen würde. Mit aller gebotener Vorsicht würde ich aber auch sagen: Ich halte es nicht für gesetzt, dass sich beim Fixhonorar nichts tun wird. Ich glaube, wir müssen die Apotheken unterstützen, ihre Situation zu wuppen – auch vor dem Hintergrund des massiven Personalmangels, der ja auch etwas mit Finanzierungsfragen zu tun hat. Das alles wird nicht gehen, ohne dass Geld zur Verfügung steht. Um die Apotheke vor Ort zu stärken, muss die Finanzierung stimmen, und es muss attraktive Arbeitsplätze geben. Es geht also um die Honorarfrage und das Dienstleistungsangebot mit Aufgaben, die den Beruf attraktiv machen.

DAZ: Im Koalitionsvertrag sind die Apotheken konkret angesprochen. U. a. heißt es: „Die Arzneimittelversorgung durch Apotheken an integrierten Notfallzentren in unterversorgten Gebieten verbessern wir durch flexiblere Vorgaben in der Apothekenbetriebsordnung“. Können Sie das genauer erklären?

Heidenblut: Dazu kann ich keine Details sagen. So weit sind wir noch nicht, ich war auch nicht bei der Formulierung des Koalitionsvertrags dabei. Aber dieser Satz kam vermutlich aus der Diskussion, dass das Notfallsystem insgesamt neu geregelt werden soll.

DAZ: Und wie sieht es aus mit der ebenfalls vorgesehenen Novellierung des VOASG, „um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren“?

Heidenblut: Einen Zeitplan gibt es auch hier noch nicht. Aber da kann ich mir schon eine Richtung vorstellen: etwa hin zu mehr Arzneimitteltherapiesicherheit und auch zu mehr Prävention. Ich weiß, dass die Krankenkassen Letzteres bei den Verhandlungen mit den Apothekern zu den pharmazeutischen Dienstleistungen anders sehen. Doch ich kann mir vorstellen, dass Apotheken sehr gut geeignet wären, die Menschen in der Prävention zu unterstützen. Diese Säule sollte auch angesichts der sich ausdünnenden Apothekenlandschaft eher bald angepackt werden. Ich denke aber, dass wir uns die andere Finanzierungssäule, also das Fixhonorar, ebenfalls angucken müssen. Allerdings ist das erstmal nur meine Position, hier ist sicher noch eine schwierige Diskussion zu erwarten.

Das komplette Interview

Wollen Sie auch wissen, wie Dirk Heidenblut zu einer Verstetigung der in der Pandemie erleichterten Abgaberegeln steht? Oder zu Digitalisierungsfragen? Dies und mehr erfahren Sie im kompletten Interview auf DAZ.online (Suchmaske: Webcode W9FA6).

DAZ: Die Ampel will Cannabis zum Freizeit­konsum freigeben. Sehen Sie Apotheken als potenzielle Abgabestellen?

Heidenblut: Ja, aber nicht als ausschließliche. Die SPD wollte zwar erst einmal Modellprojekte, bei denen die Entkriminalisierung im Fokus stand. Nun ist aber die Abgabe über lizenzierte Fachgeschäfte vorgesehen. Ich persönlich kann mir gut vorstellen, dass Apotheker, die das wollen, eine solche Lizenz bekommen können – wobei ich weiß, dass viele das gar nicht möchten. Wenn es nach mir geht, kann es dann auch für die Apotheken ein einfaches Verfahren geben – die Fachkunde ist bei ihnen aus meiner Sicht gegeben. Dass Versandapotheken Cannabis zum Freizeitkonsum abgeben, halte ich übrigens für unwahrscheinlich, weil wir ein persönliches Abgabesystem wollen. Damit sind die Versender raus.

DAZ: Kürzlich erklärten Sie gegenüber Zytostatika-herstellenden Apotheken, dass der Gesetzgeber den Auswüchsen bei der Retaxation Grenzen setzen müsse. Was genau stellen Sie sich vor?

Heidenblut: Ich höre bei vielen Veranstaltungen, dass dies ein drängendes Problem ist. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir mit einem Gesetz zumindest radikale Auswüchse, z. B. Nullretax bei geringfügigen Formfehlern, verhindern könnten. Es kann einfach nicht sein, dass eine Apotheke in einem solchen Fall komplett leer ausgeht. Vor allem, wenn es wie bei den Zytostatika-Apotheken um individuell hergestellte und sehr teure Arzneimittel geht. Teil des Koalitionsvertrags ist ein solches Gesetz allerdings nicht.

DAZ: Vielen Dank für das Gespräch! |

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