Phytotherapie

Interessantes Pycnogenol

Kann das potente Antioxidans aus der Französischen Seekiefer die Erwartungen erfüllen?

Antioxidanzien sind seit Jahren in aller Munde, entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln wird eine Vielzahl positiver Eigenschaften zugeschrieben. Sie sollen unter anderem einen positiven Effekt bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen und entzündlichen Prozessen besitzen und außerdem vor Krebserkrankungen schützen können. Neben den klassischen Antioxidanzien – den Vitaminen C und E – findet man in Nahrungsergänzungsmitteln verschiedene pflanzliche Sekundärstoffe. Meist handelt es sich hierbei um polyphenolische Verbindungen, die aufgrund ihrer Struktur freie Radikale neutralisieren können.
Foto: Science Photo Library / Brian Gadsby
Abb. 1: Pinus pinaster  Aus der Rinde der Französischen Seekiefer wird ein Extrakt mit antioxidativer Aktivität gewonnen.

Ein Spezialextrakt aus der Rinde der Französischen Seekiefer (Pinus pinaster ssp. atlantica, Abb. 1) wird schon seit etlichen Jahren weltweit unter dem Namen Pycnogenol® (eingetragenes Warenzeichen der Horphag Research, Schweiz) vermarktet. Die Französische Seekiefer, eine Unterart der Seekiefer (Pinus pinaster), gedeiht auf sandigen Küstenböden in der Gascogne, einer Region an der süd­lichen französischen Atlantikküste. Die Bäume dienen vorwiegend der Holzgewinnung und liefern beliebte Massivholzdielen. Die bei der Ver­arbeitung als Abfallprodukt anfallende Rinde ist der Ausgangsstoff für die Isolierung von Pycnogenol. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um einen Reinstoff, sondern um ein Gemisch aus verschiedenen Procyanidinen (etwa 70%), unter anderem Procyanidin B1, B3, B6 und B7, die aus zwei bis zwölf Catechin- und Epicatechin-Untereinheiten bestehen (Abb. 2). Als niedermolekulare Bestandteile sind zudem die Monomere Catechin und Epicatechin, das Flavonoid Taxifolin und verschiedene Phenolcarbonsäuren enthalten. Bereits in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts begann die intensive Erforschung der potenziellen gesundheitsfördernden Eigenschaften des Pycnogenols [1].

Abb. 2: Struktur von Procyanidin B1, einem Dimer aus einer Catechin- und einer Epicatechin-Einheit.

Die antioxidative Aktivität des Pycnogenols ist in zahlreichen In-vitro-Studien untersucht worden, wobei sowohl Hydroxylradikale als auch Superoxid­anionen unschädlich gemacht werden konnten. Pycnogenol steigert zudem die Aktivität endogener antioxidativer Enzyme wie Superoxiddismutase, Glutathionperoxidase oder Katalase und ist in der Lage, Lipide, Proteine und auch die DNA vor oxidativen Schäden zu schützen. Reaktive Sauerstoffspe­zies verursachen allerdings nicht nur direkte Zellschäden, sie können auch proinflammatorische Signalwege anstoßen, insbesondere in Verbindung mit dem Transkriptionsfaktor NF-κB, dessen Aktivierung durch Pycnogenol verhindert werden kann. Schließlich konnte auch eine Hemmung verschiedener Matrix-Metalloproteinasen gezeigt werden, die unter anderem bei Gewebsschädigungen durch rheumatoide Arthritis und bei Tumorwachstum und Metastasierung eine Rolle spielen [2]. Allerdings darf man bei all diesen In-vitro-Befunden nicht außer Acht lassen, dass das Pycnogenol als solches sicherlich nicht bioverfügbar ist. Tatsächlich werden die oligomeren Procyanidine bereits im Darm durch Mikroorganismen verstoffwechselt und in niedermolekulare resorbierbare Verbindungen gespalten. Nach peroraler Gabe sind Catechin, Ferulasäure, Kaffeesäure, Taxifolin, der Metabolit M1 (δ-[3,4-Dihydroxy-phenyl]-γ-valerolacton) und weitere, bisher nicht identifizierte Verbindungen im Plasma nachweisbar. Auch diese Metabolite weisen in verschiedenen Testsystemen antioxidative Eigenschaften auf [3].

Im Unterschied zu manch anderer Substanz, die heutzutage als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet wird, liegen zum Pycnogenol zusätzlich zu den In-vitro-Ergebnissen inzwischen aber auch zahlreiche klinische Untersuchungen vor. Im Fokus standen dabei unter anderem Indika­tionen wie chronisch venöse Insuffi­zienz, Arthrose, Bluthochdruck sowie der Schutz der Haut vor schädlichen Umwelteinflüssen.

So konnte in mehreren kleineren Studien eine signifikant stärkere Reduktion von Beinschwere, Ödemen und Schmerzen im Vergleich zu Placebo bei Patienten mit chronischen Venenleiden gezeigt werden, auch wurde der Nutzen einer Zusatztherapie in Kombination mit Kompressionsstrümpfen untersucht. Die Dosierung des Pycnogenols lag in den einzelnen Studien zwischen 100 mg und 360 mg am Tag. Interessant ist zudem eine Untersuchung, die eine Reduktion von Unterschenkelödemen und Thrombosen nach Langstreckenflügen demonstrieren konnte. Die Teilnehmer hatten in diesem Fall zwei bis drei Stunden vor dem Start 200 mg, sechs Stunden später erneut 200 mg und am folgenden Tag 100 mg Pycnogenol eingenommen [4].

Hinsichtlich einer Wirksamkeit von Pycnogenol bei Arthrose existieren drei randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudien. Die Teilnehmer, die an einer leichten Arthrose des Kniegelenks litten, erhielten zwei- bis dreimal täglich 50 mg Pycnogenol zusätzlich zu einer Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika. Nach drei Monaten zeigte sich bei den Probanden in der Verum-Gruppe eine signifikante Verbesserung der Beweglichkeit und eine Reduktion der Schmerzen, sodass die Dosis der NSAR reduziert werden konnte [5].

Der Einfluss von Pycnogenol auf den Blutdruck wurde ebenfalls mehrfach analysiert. In einer Meta-Analyse von zwölf derartigen Studien mit insgesamt 922 Teilnehmern kommen Pourmasoumi und Mitarbeiter zu dem Ergebnis, dass die Einnahme von Pycnogenol einen positiven Effekt auf systolische (-3,22 mmHg; 95% Konfidenzintervall [KI] [-5,52; -0,92]) und diastolische (-1,91 mmHg; 95% KI [-3,64; -0,18]) Blutdruckwerte haben kann, allerdings bemängeln sie eine starke Heterogenität der Studienergebnisse. Der Effekt auf den systolischen Wert war dann besonders ausgeprägt, wenn Pycnogenol zusätzlich zu anderen Therapien verabreicht wurde, die Senkung des systolischen Wertes war hingegen in solchen Studien besonders deutlich, die eine Beobachtungsdauer von mehr als zwölf Wochen aufwiesen [6].

Verbesserung der ­Hautelastizität

Unsere Haut, als Abgrenzung zwischen Körperinnerem und Umgebung, ist ständig in Kontakt mit verschiedenen Faktoren (Pathogene, Umweltgifte, UV-Strahlung), die zur Entstehung von reaktiven Sauerstoffspezies führen. Als natürliche Abwehr enthält die Haut daher die antioxidativen Vitamine C und E und endogene Enzyme, die die zellschädigenden Sauerstoffspezies unschädlich machen können. In der kosmetischen Forschung spielen Antioxidanzien, die die natürlichen Regenerationsmechanismen der Haut unterstützen sollen, seit Längerem eine wesentliche Rolle. Für Pycnogenol konnte gezeigt werden, dass es bei oraler Anwendung die Hautelastizität verbessert, als möglicher Mechanismus wird unter anderem die Hemmung des Kollagenabbaus durch Matrix-Metalloproteinasen diskutiert. Weiterhin wurde ein positiver Effekt auf Hyperpigmentierung und sonnenbedingte Hautschäden gefunden [7].

Einzelne Studien zur möglichen Anwendung von Pycnogenol liegen zudem für eine Vielzahl weiterer Indikationen vor, so konnten z. B. positive Effekte bei metabolischem Syndrom, Hyperlipidämie, ADHS und kognitiven Beeinträchtigungen gezeigt werden. In zwei aktuellen Übersichtsarbeiten der Cochrane Collaboration zum Einsatz von Pycnogenol bei Venen­beschwerden und verschiedenen anderen chronischen Erkrankungen kommen die Autoren allerdings zu dem Schluss, dass die bisher durchgeführten Studien insgesamt von eher geringer Qualität sind und daher nicht als Beleg für eine Wirksamkeit der Sub­stanz z. B. bei Arthrose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen angesehen werden können [8, 9].

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Pycnogenol aus der Franzö­sischen Seekiefer sowohl in vitro als auch in vivo durchaus eine Reihe von interessanten Aktivitäten zu besitzen scheint. Inwiefern eine Anwendung in Form eines Nahrungsergänzungsmittels die oft hochgesteckten Erwartungen vieler Nutzer erfüllen kann, bleibt nach aktuellem Wissenstand jedoch eher fraglich. Hilfreich mag hier auch der Hinweis sein, dass eine gesunde und vitaminreiche Ernährung ebenfalls eine ganze Palette an natürlichen Antioxidanzien enthält und man so mit vergleichsweise einfachen Mitteln schon eine wesentliche Basis für die eigene Gesundheit legen kann. |

Literatur

[1] Drehsen G. From ancient pine bark uses to pycnogenol. In: Antioxidant Food Supplements in Human Health; Elsevier, New York 1999:311-322

[2] Oliff H. ABC scientific and clinical Monograph for Pycnogenol 2019 Update. Am Bot Council Monograph 2019:1-46

[3] Weichmann F, Rohdewald P. Projected supportive effects of Pycnogenol in patients suffering from multi-dimensional health impairments after a SARS-CoV2 infection. Int J Antimicr Agents 2020;56:106191, doi: 10.1016/j.ijantimicag.2020.106191

[4] Rohdewald P. Pycnogenol® bei Erkrankungen des venösen Systems – eine systematische Übersicht. Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin 2017;29:372-375

[5] Rohdewald P. Review on Sustained Relief of Osteoarthritis Symptoms with a Proprietary Extract from Pine Bark, Pycnogenol. J Med Food 2018;1-4, http://doi.org/10.1089/jmf.2017.0015

[6] Pourmasoumi M, Hadi A, Mohammadi H et al. Effect of pycnogenol supplementation on blood pressure: A systematic review and meta-analysis of clinical trials. Phytotherapy Research 2020;34:67-76

[7] Grether-Beck S, Marini A, Jaenicke T et al. French Maritime Pine Bark Extract (Pycnogenol®) Effects on Human Skin: Clinical and Molecular Evidence. Skin Pharmacology and Physiology 2016;29:13-17

[8] Robertson NU, Schoonees A, Brand A et al. Pine bark (Pinus spp.) extract for treating chronic disorders. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020;9, DOI: 10.1002/14651858.CD008294.pub5

[9] Martinez-Zapata, MJ, Vernooij RWM, Simancas-Racines D et al. Phlebotonics for venous insufficiency. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020;11, DOI: 10.1002/14651858.CD003229.pub4

Apothekerin Dr. Kristina Jenett-Siems

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