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Per Medikationsanalyse 25 Millionen unnötige Pflegestunden einsparen

Eine Kooperation zwischen Apotheke und Heim nützt allen Beteiligten – so gelingt sie

jb | Von einer guten Kooperation zwischen Heim und Apotheke profitieren alle Beteiligten – Pflege, Apotheke und natürlich auch die Patienten – das machte Apothekerin Dr. Isabell Waltering bei ihrem Vortrag mehr als deutlich. Doch sie beließ es nicht bei dieser Aussage, sondern hatte auch noch zahlreiche Tipps auf Lager, wie das in der Praxis gelingen kann.
Foto: DAV/Hahn

Statt „Medikationsanalysen“ besser „pharmazeutische Konsile“ anbieten. Apothekerin Dr. Isabell Waltering weiß, dass es manchmal auf das Wording ankommt.

Apothekerin Dr. Isabell Waltering aus Nottuln ist ein Fan der Heimversorgung, das wurde in jeder Sekunde ihres Vortrags „Mehr als nur Logistik! Was bringt eine gute Kooperation von Apotheke und Heim?“ bei der „Heimversorgung KOMPAKT“ deutlich. In ihren Augen spielt nämlich die Vor-Ort-Apotheke eine Schlüsselrolle bei der Betreuung geriatrischer, multi­morbider Patientinnen und Patienten. Eine pharmazeutisch hochwertige und strukturierte Kooperation von Heim und Apotheke bringe allen Seiten Vorteile, so Waltering.

Als Vorteile für die Apotheke sieht sie die Möglichkeit der Standortsicherung und Vorteile im Qualitätswettbewerb. Zudem werde man durch die verbesserte Versorgungsqualität als Heil­beruf wahrgenommen. Und zu guter Letzt führe die Tatsache, dass man das Leben für alle ein wenig besser macht, auch zu beruflicher Befriedigung.

Außerdem reduziere sich für alle Beteiligten der Arbeitsaufwand, was wiederum Kosten spare. Hierfür hat Waltering auch ein plakatives Beispiel: Werden durch Medikationsanalysen im Heim unerwünschte Arzneimittelwirkungen reduziert, könnten 25 Millionen unnötige Pflegestunden eingespart werden, rechnet die Apothekerin vor – pro vermeidbarer UAW fallen 60 Stunden Mehraufwand in der Pflege an, durch überflüssige Medikamentengabe, Verwaltung, Dokumentation etc. Außerdem werden Stürze, Notarzteinsätze, Krankenhauseinweisungen und auch Medikamente reduziert.

Allerdings sei die Medikationsanalyse kein Teil des Versorgungsvertrags – sollte sie auch in Walterings Augen nicht. „Sonst müssen Sie bei jeder Änderung den Versorgungsvertrag neu genehmigen lassen,“ erläutert sie und empfiehlt eine Zusatzvereinbarung. Vor allem aber müsse diese Dienstleistung extra vergütet werden. „Ohne Vergütung muss man es lassen“, stellt sie klar. „Das geht nicht.“ Auf der anderen Seite spare das Heim ja auch. Ein Expertentipp, um die Medikationsanalyse im Heim zu implementieren: „Machen Sie das Pflegepersonal heiß auf Medikationsanalyse.“

Eine Leitlinie für die Medikationsanalyse im Heim gibt es allerdings nicht, es gibt also keine vorgegebene Struktur. „Ich würde mir eine Leitlinie wünschen“, sagt die Apothekerin. Die Kriterien, ob ein Patient infrage kommt, seien größtenteils mit denen der Leitlinie der Bundesapothekerkammer (BAK) „Medikationsanalyse Typ 2a“ identisch, erklärt sie. Dazu kommen noch Neueinzüge. Ein gutes Hilfsmittel ist ihren Augen auch die AMTS-Ampel: „Laminieren Sie die und hängen Sie sie an die Wand.“

Eine wesentliche Voraussetzung, dass die Heimversorgung durch die Apotheke zur Zufriedenheit und zum Nutzen aller gelingt, ist in Walterings Augen allerdings eine gute Organisa­tion. „Heimversorgung steht und fällt mit der Organisation“, betont sie und gab den Teilnehmenden auch einige Tipps mit auf den Weg, wie man die Zusammenarbeit zwischen Heim und Apotheke organisieren kann.

Ein entscheidender Punkt sei zum Beispiel, wie Informationen zwischen Heim und Apotheke ausgetauscht werden, erklärt sie. Zum Beispiel Aufbrauchfristen, für die es in der Regel Listen in der Apotheke gibt. Üblicherweise hänge die gleiche Liste im Heim. Die müsste aber aktuell gehalten werden. Waltering hält es für die bessere Lösung, wenn die verantwortliche Person in der Apotheke die Fristen direkt auf der Packung vermerkt. Ein weiterer Vorschlag, um Informationen zu übermitteln: Farbige Klebepunkte für Einnahmezeitpunkte, Aufbewahrung oder Gefährdungspotenzial oder Ähnliches: Ein blauer Klebepunkt für Kühlschranklagerung, ein gelber für Lichtschutz, ein grüner für Nüchterngabe, ein roter für BtM. „Damit ist gleich allen klar, dass das sofort weggesperrt werden muss“, erklärt sie. Zu viele Punkte dürften es natürlich nicht sein, räumt sie ein.

Um potenzielle Nebenwirkungen zu kommunizieren, empfiehlt sie bei neu angesetzten Arzneimitteln einen kleinen Zettel mitzugeben, auf was zu achten ist, zum Beispiel, dass Mundtrockenheit auftreten könnte, und dass sich das Pflegepersonal bei Problemen in der Apotheke melden soll. Dasselbe Vorgehen empfiehlt Waltering für die Kommunikation relevanter Interaktionen. Ihr Tipp: Einen kleinen Zettel an die Packung und auch nur, wenn es nicht vermeidbar ist. Und auf keinen Fall einfach den Ausdruck aus der ABDA-Datenbank mitgeben, der ihrer Erfahrung nach einfach verschwinde.

Wertvolle Erkenntnisse, wie es aus Sicht der Pflege läuft, bringt Waltering zufolge eine Umfrage. „Da kommen Dinge zutage, auf die wären wir nie gekommen,“ berichtet sie. Außerdem plädiert sie auch dafür, die MFA der behandelnden Ärzte miteinzubinden. Die seien auch in den Heimen wichtig. Schließlich seien sie der „Zerberus im Arztzimmer und oft ein unüberwindbares Hindernis in der Kommunika­tion mit dem Arzt“. MFA und Pflege hingegen im Boot erleichterten die Arbeit immens.

Waltering hofft nun, dass der Heimversorgungs-Funke auf die Teilnehmenden übergesprungen ist, wie sie am Ende ihres Vortrags erklärt. „Machen Sie aus Ihren Problemen Ideen und Visionen, entzünden Sie ein Feuer,“ so ihr Appell. |

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