Arzneimittel und Therapie

Immuntherapie viele Jahre wirksam

Allergie-Symptome und Asthma-Medikation langanhaltend reduziert

Allergiker fühlen es schon: Die ersten Pollen fliegen wieder. Dabei gehen allergische Rhinitis und Asthma häufig Hand in Hand. Ursächlich gegen beide Erkrankungen wirkt nur eine allergenspezifische Immuntherapie, deren Wirksamkeit und Sicherheit bereits in etlichen randomisierten kontrollierten Studien gezeigt wurden. Doch welchen Schutzeffekt zeigt sie in der Real-world und wie lange hält dieser an?

Die allergenspezifische Immuntherapie stellt derzeit die einzige kausale Therapie in der Behandlung allergischer Erkrankungen dar. Bei dieser Therapieform wird dem Patienten regelmäßig ein spezifisches Allergen subkutan injiziert oder in Tabletten- bzw. Tropfenform verabreicht. Dies führt zu einer Immunmodulation, die eine Toleranz gegenüber dem entsprechenden Allergen induzieren soll. Die Therapie muss über mindestens drei Jahre durchgeführt werden und erfordert eine gute Therapieadhärenz des Patienten. Für Immuntherapien gegen die Allergene von Hausstaubmilben, Gräser und Frühblüher konnte der positive Effekt auf Beschwerden einer allergischen Rhinitis und Konjunktivitis in zahlreichen randomisierten kontrollierten Studien belegt werden. In einer 2019 veröffentlichten „Real-life“- Studie zur allergenspezifischen Immuntherapie mit Birkenpollen von Wahn et al. konnte zudem bereits gezeigt werden, dass bis zu sechs Jahre nach Beendigung der Behandlung Vorteile durch eine signifikante Verringerung der allergischen Rhinitis und der Einnahme von Asthma-Medikamenten resultieren [1].

Foto: LivFriis-larsen/AdobeStock

Wie lange hält der Effekt?

Die Frage, ob diese Therapie auch einen (Langzeit-) Effekt auf den Verlauf eines allergischen Asthmas hat, wurde nun in einer kürzlich veröffentlichten großen, retrospektiven „Real-life“-Kohortenstudie von Fritzsching et al. erneut untersucht [2]. Hierfür wurden im Zeitraum 2007 bis 2017 46.024 Patienten mit allergenspezifischer Immuntherapie mit einer nicht be­handelten Kontrollgruppe über ein Follow-Up von neun Jahren anhand von Krankenkassendaten (BKK, ca. 5,9 Millionen Versicherte) verglichen. Bei allen Patienten war ärztlich eine allergische Rhinitis diagnostiziert worden. In einer Untergruppe wurden 14.614 Patienten analysiert, bei denen zusätzlich bereits eine Asthma-Erkrankung bestand. Im Schnitt waren die Patienten, die mit einer allergenspezifischen Immuntherapie behandelt worden waren, jünger, wiesen mehr Asthma-Erkrankungen und eine höhere Rate an Komorbiditäten auf als die Vergleichsgruppe.

Bessere Asthma-Kontrolle

Es zeigte sich, dass neben dem Rückgang von Beschwerden der allergischen Rhinitis auch die Anzahl an verschriebenen Asthma-Arzneimitteln in der Gruppe der Patienten mit allergenspezifischer Immuntherapie im Vergleich zur Kontrollgruppe stärker rückläufig war. Patienten mit allergenspezifischer Immuntherapie hatten zudem eine höhere Wahrscheinlichkeit, ihre Asthma-Therapie reduzieren zu können. Im Langzeitverlauf wiesen mit allergenspezifischer Immuntherapie behandelte Patienten eine Verringerung schwerer Asthma-Exazerbationen auf und erkrankten seltener an einer Lungenentzündung, die einer Antibiotika-Therapie bedurfte. Auch die Anzahl und Dauer von Krankenhausaufenthalten waren geringer als in der Kontrollgruppe. Generell profitierten auch Patienten mit leichtem Asthma von der allergenspezifischen Therapie, indem die Erkrankung nicht weiter voranschritt. Die Autoren sehen hier einen wichtigen Ansatzpunkt, Immuntherapien auch schon bei leichteren Erkrankungsfällen einzusetzen.

Hyposensibilisierung trotz guter Erfolgschancen nur selten genutzt

Etwa jeder Vierte leidet in Deutschland an einer Allergie, Tendenz steigend. So war einer Analyse der BKK-VBU im Zeitraum zwischen 2013 und 2020 die Anzahl der Patienten, die aufgrund einer Allergie ärztlich behandelt werden mussten, um 16% gestiegen. Eine komplette Allergenvermeidung ist oft nicht möglich. Trotz guter Behandlungserfolge wird eine kausale Therapie der Erkrankung in Form einer Hyposensibilisierung bisher noch viel zu selten genutzt: So hatten 2020 von 80.081 aufgrund einer Allergie in ärztlicher Behandlung befindlichen Versicherten der BKK-VBU nur rund 4% eine allergenspezifische Immuntherapie erhalten. Mit rund 90% erhalten Experten zufolge die meisten Allergiker in Deutschland lediglich eine rein symptomatische Therapie, es besteht eine massive Unterversorgung mit der spezifischen Immuntherapie.

Quelle: Heuschnupfen: Hyposensibilisierung wird zu selten genutzt – trotz guter Erfolgschancen, Pressemitteilung der BKK-VBU, 17. Februar 2022

Limitationen der Studie

Die hier präsentierte Studie basiert auf Verordnungsdaten, die den Ver­sicherungen gemeldet wurden, und erlaubt somit keine sichere Aussage über die tatsächliche Therapieadhärenz des einzelnen Patienten oder die Schwere und Symptomlast der Erkrankung. Dennoch leisten „Real–life“-­Studien, wie die hier zitierte, einen wichtigen Beitrag in der Einordnung der Langzeit-Effektivität der allergenspezifischen Immuntherapie, die nicht nur hinsichtlich der Therapie der allergischen Rhinitis, sondern auch in Bezug auf das allergische Asthma vielversprechend ist. |

Literatur

[1] Wahn U et al. Real-world benefits of allergen immunotherapy for birch pollen-associated allergic rhinitis and asthma. Allergy. 2019 Mar;74(3):594-604. doi: 10.1111/all.13598

[2] Fritzsching B et al. Long-term real-world effectiveness of allergy immunotherapy in patients with allergic rhinitis and asthma: Results from the REACT study, a retrospective cohort study. Lancet Reg Health Eur. 2021;13:100275. doi: 10.1016/j.lanepe.2021.100275

Prof. Dr. med. Erika von Mutius

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