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Cannabis – auch von DocMorris

DAZ-Interview mit der FDP-Politikerin Kristine Lütke zur Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken

cm/ks | Die Ampel-Koalition hat es in ihren Koalitionsvertrag geschrieben: Cannabis soll zu Genusszwecken unter kontrollierten Bedingungen für Erwachsene künftig legal erhältlich sein. Aktuell hat die Politik andere Sorgen, der Plan liegt dennoch nicht auf Eis. Wir sprachen mit Kristine Lütke, sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied im Gesundheitsausschuss, über den Stand der Dinge und ihre Vorstellungen dazu, wie und wo eine kontrollierte Abgabe von Cannabis erfolgen kann. Neben stationären Apotheken sieht Lütke dabei auch den Versandhandel als mögliche Abgabestellen. Cannabis von DocMorris ist für sie kein No-Go.
Foto: imago images / Future Image

Kristine Lütke ist seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestags und als sucht- und drogenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion unter anderem für Fragestellungen rund um Cannabis zuständig.

DAZ: Frau Lütke, laut Koalitionsvertrag wollen die Ampel-Partner Cannabis zu Genusszwecken legalisieren. Wie weit sind die Pläne vorangeschritten? Ist in absehbarer Zeit mit einem entsprechenden Gesetzentwurf zu rechnen?

Lütke: Das Thema wollen wir zeitnah angehen. Mein persönliches Ziel ist es, dass wir bis zum Ende dieses Jahres einen Entwurf vorlegen. Wir müssen allerdings vorher noch ein Konzept entwickeln, wie wir dafür sorgen können, dass dann auch tatsächlich Cannabis in ausreichender Menge und entsprechender Qualität zur Verfügung steht. Denn die Legalisierung läuft ins Leere, wenn keine Ware da ist. Dann kaufen die Konsumentinnen und Konsumenten trotzdem weiter auf dem Schwarzmarkt.

DAZ: Im Zusammenhang mit der Ab­gabe von Cannabis zu Genusszwecken kommen auch immer mal wieder die Apotheken ins Spiel. Die FDP plant laut Wahlprogramm mit lizenzierten Fachgeschäften – sind damit auch die Apotheken gemeint?

Lütke: Ja, nach unseren Vorstellungen sollen sich – neben anderen Geschäften – auch Apotheken um solche Lizenzen bewerben können. Dies­bezüglich gibt es allerdings noch Abstimmungsbedarf mit den anderen beiden Koalitionspartnern.

DAZ: Was spricht konkret dafür, diese Aufgabe den Apotheken zu übertragen?

Lütke: Apotheken haben bereits Erfahrung mit gesundheitlicher Beratung, das ist auf jeden Fall ein Pluspunkt. Sie können über Kontraindikationen und Wechselwirkungen mit Arzneimitteln aufklären. Zudem bieten sie bereits spezialisierte Beratung an, zum Beispiel zu Kosmetika und Nahrungsergänzungsmitteln. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie sich auch für die Beratung zu Cannabis zu Genusszwecken für Erwachsene qualifizieren und ihr Angebot entsprechend erweitern können. Auch dass sie sich bereits mit der fachgerechten Lagerung solcher Substanzen auskennen, spricht für die Apotheken als Verkaufsstellen. Und es gibt sie bereits flächendeckend.

DAZ: Teilen Sie die Einschätzung der ABDA, wonach Apotheken dadurch in einen heilberuflichen Zielkonflikt geraten würden?

Lütke: Das muss jeder selbst entscheiden. Wenn eine Apothekerin oder ein Apotheker den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken mit dem eigenen Verständnis vom Beruf nicht verein­baren kann, ist das völlig in Ordnung. Mir ist bewusst, dass es Apothekerinnen und Apotheker gibt, die diese Aufgabe nicht übernehmen möchten. Daher muss klar sein, dass es sich um eine freiwillige Leistung handelt: Niemand muss Cannabis zu Genusszwecken verkaufen. Wenn das für einen Betrieb infrage kommt, kann dieser sich um eine Lizenz bewerben, aber es wird keine Pflicht für Apotheken geben. Man kann das Ganze positiv formulieren: Apothekerinnen und Apotheker können durch ihre Beratung dazu beitragen, dass die Kundin oder der Kunde eine mündige Entscheidung trifft und die möglichen Folgen des Konsums abschätzen kann. Zudem könnten sich die Menschen sicher sein, dass sie in den Apotheken qualitativ hochwertiges Cannabis bekommen und keine verunreinigte Ware wie auf dem Schwarzmarkt.

DAZ: Das Kerngeschäft der Apotheken ist die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln, sodass sie aus wirtschaftlicher Sicht problemlos auch vom Konsum abraten könnten. Sehen Sie die gesundheitliche Beratung und Aufklärung in anderen Fachgeschäften ausreichend gewahrt? Wie wollen Sie das garantieren?

Lütke: Das Thema Suchtberatung könnte durchaus bei der Lizenzierung eine Rolle spielen, ebenso der Jugendschutz. Die Umsetzung kann in der Praxis aber nicht ständig und komplett kontrolliert werden. Das liegt dann in der Verantwortung der Unternehmerin oder des Unternehmers: ich bin zuversichtlich, dass das gut funktionieren wird. Kein Unternehmen setzt seinen guten Ruf aufs Spiel, in dem es solche Vorgaben des Gesetz­gebers ignoriert. So was spricht sich herum im Markt und schädigt das Vertrauen aufseiten der potenziellen Kundinnen und Kunden.

DAZ: Welche Qualifikation sollen die Fachverkäuferinnen und -verkäufer konkret vorweisen müssen, um eine Lizenz zu erhalten?

Lütke: Das müssen wir im Laufe der Beratungen noch festlegen. Es ist aber gut möglich, dass Apothekerinnen und Apotheker es bei der Qualifizierung etwas leichter haben werden als andere, weil sie als Arzneimittelexperten bereits gewisse Vorkenntnisse mitbringen, zum Beispiel bei Schulungen zur sortenspezifischen Beratung. Auch die Abgrenzung zwischen medizinischem Cannabis und solchem für den Freizeitgebrauch ist wichtig. Medizinalcannabis kann vergleichsweise hohe Mengen an THC enthalten, das macht sich dann auch im Nebenwirkungsprofil bemerkbar. Das Thema Jugendschutz muss bei der Qualifizierung eine große Rolle spielen. Die Abgabe darf natürlich nur an Erwachsene erfolgen, auch die Weitergabe an Minderjährige soll verboten sein.

DAZ: Welche anderen Geschäfte kommen – neben den Apotheken und spezialisierten Fachgeschäften – als Verkaufsstellen für Cannabis zu Genusszwecken infrage?

Lütke: Persönlich könnte ich mir vorstellen, dass auch Geschäfte, die sich auf den Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln spezialisiert haben, Cannabis vertreiben. Wichtig ist immer eine hohe Sachkenntnis, die fachgerechte Lagerung und die persönliche Qualifikation des Abgebenden. Denkbar wäre es auch, dass vor Vergabe einer Lizenz ein Führungszeugnis vorliegen muss, um sicherzustellen, dass die beantragende Person beispielsweise nicht schon einmal im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelgesetz auffällig geworden ist.

DAZ: Soll Cannabis zu Genusszwecken auch über den Versandhandel vertrieben werden dürfen?

Lütke: Da bin ich klassisch liberal eingestellt. Alkohol kann man auch über das Internet bestellen. Warum nicht auch Cannabis? Es müssen natürlich alle Voraussetzungen zur lizenzierten Abgabe erfüllt sein. Dann sehe ich keinen Grund, der dagegen spricht. Auch was den Jugendschutz betrifft, gibt es technische Möglichkeiten, diesen zu gewährleisten.

DAZ: Cannabis von DocMorris also?

Lütke: Ja, für solche Konzepte bin ich durchaus offen. Auch Arzneimittel­versendern sollte es möglich sein, sich um eine Lizenz für den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken zu bewerben.

DAZ: Frau Lütke, vielen Dank für das Gespräch. |

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