Gesundheitspolitik

Apotheken müssen nicht schweigen

Impfpassfälschung: Notstand rechtfertigt etwaige Schweigepflichtverletzung

ks | Apotheker, die einen verdächtigen Impfpass vorgelegt bekommen, sollten auf jeden Fall kein digitales Zertifikat erstellen. Aber sollten sie auch die Polizei einschalten? Viele tun dies – doch stets schwebt dabei der Gedanke mit, ob sie damit nicht ihre Schweigepflicht verletzten? Jetzt hat sich mit dieser Frage – soweit bekannt erstmals – ein Gericht auseinandergesetzt. Das Strafurteil setzt aber auch darüber hinaus Zeichen. (Amtsgericht Landstuhl, Urteil vom 25. Januar 2022, Az.: 2 Cs 4106 Js 15848/21)

Seit dem 25. November 2021 können Personen, die Impfpässe fälschen, unrichtig ausstellen oder solche Dokumente nutzen, sehr viel einfacher strafrechtlich belangt werden als zuvor. Daher war es für das Amtsgericht Landstuhl (Rheinland-Pfalz) auch kein Problem, einen Mann wegen Urkundenfälschung zu verurteilen. Der Familienvater, der bereits 2014 wegen Urkundenfälschung und 2018 wegen Betrugs zu geringen Geldstrafen verurteilt worden war, war am 14. Dezember 2021 in einer Apotheke aufgefallen. Dort hatte er einen auf seinen Namen und sein Geburtsdatum lautenden Impfpass vorgelegt, den er zuvor zum Preis von 200 Euro von einer Vermittlerin gekauft hatte. Darin befanden sich zwei Einträge für Comirnaty-Impfungen am 28. Mai 2021 und am 29. November 2021. Dazu gab es Arztstempel und Unterschriften. In der Apotheke fiel allerdings auf, dass die aus den eingeklebten Aufklebern ersichtlichen Chargennummern bereits am 31. August 2021 abgelaufen waren und somit zumindest die Impfung am 29. November 2021 nicht plausibel war. Die Apotheke schaltete daraufhin die Polizei ein.

Der Mann zeigte sich von Anfang an geständig, sodass das Verfahren schnell vonstattengehen konnte. Das Amtsgericht befand: Er hat eine unechte Urkunde gebraucht, um im Rechtsverkehr zu täuschen, und damit den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt (§ 267 Abs. 1 StGB). Dafür wurde er zu drei Monaten Freiheitsstrafe ver­urteilt – ausgesetzt zur Bewährung.

Doch das Urteil setzt noch zwei andere Schwerpunkte. Zum einen: Durfte das Gericht neben dem Geständnis die Erkenntnisse der Apothekenangestellten überhaupt als Beweismittel verwenden? Schließlich unterfallen Apotheker einer Schweigepflicht, wenn ihnen ein „fremdes Geheimnis“ anvertraut wird. Dieses unbefugt zu offenbaren, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe geahndet werden (§ 203 Abs. 1 StGB). Doch hierdurch sah sich das Gericht nicht gehindert. Vielmehr stellt es klar, was sich bereits bei vielen Ermittlungsbehörden als Auffassung durchgesetzt haben dürfte: Selbst wenn die Schweigepflicht verletzt wurde, so war dies doch gerechtfertigt.

Es sei davon auszugehen, dass gefälschte Impfpässe in Apotheken vorgelegt werden, um ein COVID-19-Zertifikat zu erhalten und damit am öffentlichen Leben teilnehmen zu können, heißt es im Urteil. Denn es gibt bekanntlich diverse Regeln, die an den Impfstatus anknüpfen; ihr Ziel ist der Schutz des Gesundheitssystems und der Schutz der einzelnen Menschen vor Gesundheitsgefahren. Wer diese Regeln mit einem gefälschten Impfnachweis umgehen will, stelle „eine Dauergefahr für Leib und Leben sowie für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsfürsorge dar“, so das Gericht.

Wer eine solche Gefahr abwenden will und dabei eine andere Straftat begeht (und diese nach einer Abwägung der widerstreitenden Rechtsgüter nicht schwerer wiegt!), befindet sich in einem rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB). Das Gericht meint auch nicht, dass es gereicht hätte, die Ausstellung des Zertifikats zu verweigern. Denn es sei „naheliegend davon auszu­gehen, dass der Angeklagte einen erneuten Versuch in einer anderen Apotheke unternommen hätte, in der die Fälschung möglicherweise nicht auffällt“ – und damit gäbe es erneut eine konkrete Gefahr.

Gericht setzt bei Strafe auf Abschreckung

Der zweite bemerkenswerte Punkt des Urteils sind die Ausführungen zur Strafzumessung. Welche Strafe in welcher Höhe am Ende eines Strafverfahrens verhängt wird, ist das Ergebnis einer Abwägung: Was kann zugunsten des Täters berücksichtigt werden, was spricht für eine schärfere Strafe? Im Fokus steht dabei in der Regel die individuelle Schuld. So war es vorliegend für den Täter günstig, dass er geständig war und auch den Namen der Impfpass-Vermittlerin nannte. Nachteilig für ihn war, dass er bereits zweimal zuvor von einem Gericht verurteilt wurde.

Ausnahmsweise hat das Gericht hier aber auch generalpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt. Das ist keine Selbstverständlichkeit im Strafrecht – aber durchaus möglich. Dahinter steckt das Ziel, mögliche Nachahmer abzuschrecken. Das Gericht konstatiert, dass in der Pandemie Straftaten wie Impfpassfälschungen ein beson­deres mediales Interesse hervorrufen. Schon über frisch eingeleitete Ermittlungsverfahren wird breit berichtet – bei Verurteilungen wird dies kaum anders sein. „Es kann daher davon ausgegangen werden, dass eine Bericht­erstattung über die zeitnahe Verhängung einer empfindlichen Strafe anlässlich einer solchen Straftat ebenfalls eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter ausüben und sie von der Begehung vergleichbarer Taten abschrecken kann“, so das Gericht.

Ob drei Monate zur Bewährung wirklich Kriminelle abschrecken, sei dahingestellt. Aber dass schnelle Prozesse möglich sind und Gerichte vor Freiheitsstrafen nicht zurückschrecken, könnte auf bislang unauffällige Bürger, die sich nur nicht impfen lassen wollen, durchaus eine Wirkung haben. |

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