Management

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Warum eine leistungsorientierte Bezahlung in der Apothekenpraxis kontraproduktiv sein kann

„Umso mehr ein Arbeitnehmer leistet, umso mehr Vergütung sollte er bekommen.“ Dieser Ansatz hört sich erst mal fair an. Außerdem sollte eine leistungsorientierte Bezahlung zu einer höheren Motivation und stärkeren Identifizierung mit den Unternehmenszielen führen. So die Hoffnung vieler Chefs. Die Realität sieht jedoch vollkommen anders aus.

Leistungsorientierte Bezahlung (LOB) bezeichnet variable Lohnbestandteile, die gemäß der erbrachten Leistung an den Arbeitnehmer gezahlt werden. Meist erfolgt diese Vergütung zusätzlich zu dem regulären Gehalt. Im Gegensatz zu einer Gehaltserhöhung kann der variable Anteil viel dynamischer von der Führungskraft gewährt, aber auch verwehrt werden. Die Bezeichnungen des variablen Teils sind unterschiedlich, z. B. Leistungsprämie, Bonuszahlung oder Provision.

Es bedarf dementsprechend eines Maßstabs, um die Arbeit des Mitarbeiters bewerten zu können. Hierfür wird ein Leistungsprofil mit Bewertungskriterien erstellt. Die Möglichkeiten für Kriterien sind umfangreich. Die Leistung des Mitarbeiters könnte an Engagement, Einsatzbereitschaft, Ideen oder anderem gemessen werden. Dabei spiegelt die Leistung das Ausmaß der Aktivitäten der Mitarbeiter wider und streng genommen nicht den Erfolg. Eine hieran geknüpfte Vergütungsform wäre die erfolgsorientierte Ver­gütung. Leistung ist also nicht gleich Erfolg.

Problem: Leistungskatalog entwerfen

Schon bei der Beschreibung des Konzeptes lassen sich verschie­dene Störstellen vermuten. Allem voran die Formulierung der Bewertungskriterien. Wir gehen von einer leistungsorientierten Bezahlung je Mitarbeiter aus. Einen dezidierten Leistungskatalog für jeden Mitarbeiter zu entwerfen, bindet erhebliche Zeitressourcen bei der Führungskraft. Im gelebten Alltag in den Apotheken finden sich noch nicht einmal Stellen­beschreibungen für die unterschiedlichen Aufgabenfelder, nicht für Filialleiter, geschweige denn für PTAs. Viele Apothekenleiter nehmen Abstand von fest zugewiesenen Tätigkeitsfeldern, weil sie befürchten, dass wichtige Aufgaben auf der Strecke bleiben, da sich niemand verantwortlich fühlt. In vielen Fällen würde eine Stellenbeschreibung allerdings Orientierung bieten, besonders für Filialleiter.

Soll der Aufwand für die Erstellung eines Leistungsprofils in Kauf genommen werden, müssen die Kriterien klar benannt und mit dem Mitarbeiter besprochen werden. Die Auswahl der Krite­rien und die Transparenz haben einen erheblichen Einfluss darauf, wie fair und realistisch die An­forderungen vom Arbeitnehmer wahrgenommen werden. Nicht jede erbrachte Leistung lässt sich direkt am Umsatz festmachen. In der Apotheke steht die Frage im Raum, nach welchen Kriterien PKAs bewertet werden sollen. Was ist mit den PTAs, die im Durchschnitt nicht die höchsten Barverkäufe haben, aber eine unfassbar gute Kundenbindung schaffen?

Bitte bedenken: Wenn durch die Kriterien mehr Leistung gefordert wird, bedeutet das nicht zwingend eine höhere Effizienz. Für mehr Effizienz bedarf es weiterer unterstützender Maßnahmen, wie z. B. die Etablierung guter Kommunikationsstrukturen inkl. Feedbackmechanismen, Zeit­managementtools oder Änderungen in Betriebsabläufen.

Um die Leistung des Mitarbeiters zu prüfen und zu bewerten, ist wiederum die Führungskraft gefragt, die einen erhöhten Aufwand für Controlling-Maßnahmen einplanen muss. In der Praxis führt genau die Schwierigkeit, die Leistungen des anderen zu bewerten, zu massiven Problemen. Inhabern, die z. B. nie in den Filialen mitarbeiten, fällt es schwer, das Arbeitsaufkommen und damit die erbrachte Leistung einzuschätzen. Kennzahlen wie „Kundenfrequenz“ oder „ver­buchte Packungen“ geben Hin­weise, stellen die Realität aber nicht dar und können nicht als alleinige Parameter für die Leistungsbeurteilung dienen.

Beim Wandel von einem Arbeit­geber- zu einem Arbeitnehmermarkt bekommt die Außenwirkung eine besondere Bedeutung. Ein Gedanke sollte daran verschwendet werden, wie attraktiv eine LOB für Bewerber ist oder ob es eher abschreckt.

Foto: Birute/AdobeStock

Eine leistungsorientierte Bezahlung kann die Arbeitsmotivation erhöhen – aber auch Neid und Konkurrenzdenken auslösen.

Schaden für die Unternehmenskultur

Es gibt einige Hinweise darauf, dass Leistungsprämien – anders als erhofft – der Unternehmenskultur eher schaden. Beobachtungen der Hans-Böckler-Stiftung zu der Einführung von LOB im öffentlichen Dienst wurden im Jahr 2014 veröffentlicht. Demnach wurde die Möglichkeit, eine LOB zu vereinbaren, von Vorgesetzten und Mitarbeitern nur selten genutzt. Die Qualität der Leistungsmessung sei unbefriedigend und im schlimmsten Fall würden diejenigen, die keine Prämie erhalten, stärker demotiviert als die „BeLOBigten“ motiviert, so heißt es. Die Mehrzahl der Beschäftigten, Personalräte und Arbeitgeber berichteten von einer Zunahme von „Neid und Konkurrenzdenken“.

Dieser Eindruck passt zu den Untersuchungen der Kühne Logistics University (KLU), der Universität Hamburg und der BI Norwegian Business School in Oslo. Demnach fördern Leistungsprämien aggressives Verhalten im Berufsleben.

Jeder geht mit dem Druck und Stress, der durch diesen „Wettkampf“ entsteht, anders um. Die einen fühlen sich angespornt und haben mehr Elan, andere verhalten sich unfair und taktieren. Die Energie fließt nicht in das Vorankommen des Unternehmens, sondern in das Ausbooten der Kollegen.

Ein prominentes Beispiel bot Microsoft in der Vergangenheit. Steve Ballmer war von 2000 bis 2014 CEO des Softwareunternehmens und führte ein Mitarbeiterbewertungssystem mit dem Namen „Stack Ranking“ ein. Danach erhielten die leistungsstärksten Mitarbeiter der ein­zelnen Teams eine Prämie, während diejenigen, die nicht die gewünschten Leistungen erbrachten, verwarnt oder entlassen wurden. Die Folge waren Machtspiele, Streitigkeiten und Sabotagen, von denen sich das Unternehmen nur schwer wieder erholte – sowohl kulturell als auch finanziell.

Natürlich lassen sich solche Extreme kaum in Apotheken finden, aber eine „Huldigung des wertvollen Einzelkämpfers“ durchaus, im Gegensatz zum „Glauben ans Team“.

Übrigens: Wie Versuche aus der Verhaltensökonomie zeigen, können äußere Anreize sogar dazu führen, dass Probanden ihre intrinsische (von innen kommende) Motivation verlieren. Zudem geht der motivierende Effekt von Boni zügig verloren, weil diese zur Normalität werden.

LOB oder Lob?

Ein Gespräch mit einer PKA-Auszubildenden beleuchtete – für mich sehr deutlich – einen weiteren Aspekt. Während einer Besprechung innerhalb des Filialverbundes wurde ihr gut zuge­redet, wie wertvoll die Arbeit in der (zugegeben sehr stressigen) Hauptapotheke (mit aggressivem Umgangston) sei und wie viel sie dort lernen könnte. Es würde ihr guttun, wurde gemeint. Diese ruhige, sehr zurückhaltende junge Frau der Generation Z antwortete lediglich in Form einer Rückfrage: „Und wird es meiner Gesundheit auch guttun?“

Das Projekt „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ beschäftigt sich genau mit dieser Frage. Unter der Webseite www.psyga.info wird praktische Unterstützung z. B. in Form von Check­listen für Unternehmen, Organisationen und Führungskräfte bei der Förderung der psychischen Gesundheit geboten.

In Bezug auf LOB ist interessant zu lesen, dass Intransparenz, Kontrollwut und mangelnder Respekt der Führungskraft häufige Gründe für die Demotivation von Mitarbeitern sind. Das Risiko, dass Mitarbeiter diese Haltung bei Prämiensystemen entwickeln, erscheint relativ hoch.

Das Projekt stellt zudem die aufgearbeiteten Ergebnisse des Stressreports der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeits­medizin zur Verfügung. Deutlich wird, dass Leistungsdruck zu den Risikofaktoren für arbeits­bedingte Erkrankungen gehört. Viele Erwerbstätige verzichten auf ihre Pausen, um den Anforderungen am Arbeitsplatz gerecht zu werden, was den Weg in Richtung Ineffizienz und spätere Krankheit ebnet.

Man erntet, was man säht

Wenn ich als Coach in ein Unternehmen eingeladen werde, in dem es eine Unwucht in der Zusammenarbeit gibt, ist eine meiner ersten Fragen: „Welches Verhalten fördern, belohnen oder unterstützen Sie?“ Manchmal wird im anschließenden Gespräch deutlich, dass die nonverbalen Signale und die verbal geäußerten Wünsche der Führungsebene widersprüchlich ankommen. Wer Einzelleistungen belohnt, braucht sich nicht wundern, wenn die Teamperformance sinkt. Einer allein kann in der Apotheke noch so gut sein, aber es braucht ein funktionierendes Team, um alle Tätigkeitsbereiche zu besetzen. Wenn Sie also leistungsorientiert vergüten möchten, wäre eine Überlegung, die Teamleistung zu würdigen. Sicher müssen einige Gedanken in die Gestaltung fließen, damit sich niemand über­vorteilt fühlt. Vor allem in sehr heterogenen Teams müssen die unterschiedlichen Arten von Leistung, die erbracht werden, für das Team transparent gemacht werden. Entwicklungsmöglich­keiten – fachlich wie persönlich –, das Erreichen motivierender Ziele und echte Anerkennung stehen bei Mitarbeitern zudem hoch im Kurs, genauso wie Führungs­kräfte, die diese Klaviatur zu spielen wissen. |

Anja Keck, Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, 
Master-Coach (DGfC) und Systemische Beraterin; mehr auf www.anjakeck.de

 

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