Gesundheitspolitik

Kommentar: Armutszeugnis für die Ärzte

Dr. Christine Ahlheim

Mit Paxlovid steht seit einiger Zeit ein hochwirksames Medikament für die Behandlung von COVID-19 zur Verfügung, das vor allem für Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf einen großen therapeutischen Fortschritt bedeutet. Doch die Anwendung stellt insofern eine Herausforderung dar, als sie in den ersten fünf Tagen nach dem Auftreten von Symptomen erfolgen sollte und etliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu beachten sind.

Vor allem Letzteres dürfte dazu beitragen, dass Paxlovid bislang nur sehr zurückhaltend verordnet wird. Gut möglich, dass viele Ärzte den Aufwand für einen ausführlichen Wechselwirkungs­check und eine eventuelle Umstellung der Medikation bei ihren älteren und multimorbiden Patienten, die meist noch etliche andere Arzneimittel einnehmen, scheuen. Und damit die Chance vergeben, das Risiko eines schweren oder gar töd­lichen Verlaufs der Krankheit deutlich zu reduzieren.

Angesichts von rund einer Mil­lion Paxlovid-Dosen, die in den Regalen verstauben, will Gesund­heitsminister Karl Lauterbach nun die Ärzte mit einem Dispensierrecht zum vermehrten Einsatz verlocken. Doch auch wenn hier der Anschein erweckt wird, dass es um die schnelle Anwendung am Krankenbett geht – die man im Übrigen auch über eine Verordnung als Sprechstundenbedarf erreichen könnte –, so soll wohl vor allem die zusätz­liche Vergütung als Anreiz dienen. Falls dies wirklich so kommt, würde es bedeuten, dass erst Schmiergeldzahlungen zu einer sachgerechten Therapie führen. Das wäre ein Armutszeugnis für die Ärzte – und auch für den Minister, der ihnen dieses Angebot macht.

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