Wirtschaft

Umsatzsteuer trotz ausgefallener AvP-Zahlungen

Finanzgericht weist Musterklage der Treuhand Hannover ab / Steuerberatungsgesellschaft setzt nun auf Klärung vor dem Bundesfinanzhof

ks | Im Spätsommer 2020 brachte die Pleite des privaten Rechenzentrums AvP fast 3000 Apo­theken in akute finanzielle Bedrängnis. Die Finanzämter machten ihre Situation nicht besser: Sie wollten Umsatzsteuer auf die Beträge, die die Apo­theken nie gesehen hatten. Zu Recht? Mit dieser Frage wird sich nun der Bundesfinanzhof befassen. Das berichtet die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover, die ein Musterverfahren angestrengt hat.

Im August und September 2020 mussten Apotheken, die Kunden des Apothekenrechenzentrums AvP waren, schmerzhafte Ausfälle hinnehmen: AvP zahlte gar nicht mehr oder jedenfalls nicht vollständig. Im Herbst 2020 eröffnete das Amtsgericht Düsseldorf das Insolvenzverfahren. Doch die Apotheken warten noch immer auf ihr Geld.

Finanzämter fordern Umsatzsteuer

Unabhängig davon meldeten sich jedoch die Finanzämter: Sie wollten von den Apotheken die Umsatzsteuer auf die über die AvP Deutschland GmbH abgewickelten Umsätze – und das in voller Höhe. Denn grundsätzlich entsteht die Steuerpflicht, wenn die Apotheke das Arzneimittel abgibt und so die Forderung begründet wird. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Zahlung bei den Apotheken ankommt und die Steuer damit vereinnahmt wird. Eine mehr als missliche Situation für die Apotheken. Zwar stundeten manche Finanzämter die Steuerzahlungen – aber letztlich wurden die Einsprüche der betroffenen Apotheker doch ab­gelehnt, wie die Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover schon im Herbst 2021 berichtete. Sie strengte daher für einen ihrer Mandanten ein Musterstreitverfahren vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg an. Dieses Verfahren sollte grundsätzlich klären: Müssen Apotheken wirklich Umsatzsteuer auf durchgeführte Umsätze zahlen, für die sie das Entgelt aufgrund der AvP-Insolvenz nicht erhalten haben?

Treuhand Hannover verweist auf EuGH-Rechtsprechung

Aus Sicht der Treuhand Hannover beruft sich die Finanzverwaltung nämlich auf eine alte und unionsrechtswidrige Fassung der Vorschrift im deutschen Umsatzsteuerrecht. Sie verwies darauf, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in vielen Urteilen entschieden habe, dass die Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger und nicht vom leistenden Unternehmen zu tragen sei. Außerdem habe der EuGH befunden, dass sich die Umsatzsteuer am Betrag bemesse, den der leistende Unternehmer einnimmt. Daraufhin habe der deutsche Gesetzgeber diese Vorschrift im deutschen Umsatz­steuerrecht angepasst und sie unionsrechtskonform ausgestaltet. Doch die Finanzverwaltung berufe sich auf die alte Fassung.

Laut der Steuerberatungsgesellschaft haben „unzählige Finanzämter“ zwischenzeitlich laufende Einspruchsverfahren mit dem Hinweis auf das beim Finanzgericht Baden-Württemberg anhängige Musterverfahren ruhend gestellt.

Klageabweisung und dennoch ein Teilerfolg?

Nun berichtet die Treuhand, dass am 31. März 2022 die mündliche Verhandlung vor dem Finanz­gericht stattfand. Dort sei „ein erster Teilerfolg errungen“ worden, ist auf der Webseite des Unternehmens zu lesen. Denn das Musterverfahren sei mit einer Revisionszulassung geendet, die der betroffene Mandant auch wahrnehmen möchte. Das heißt allerdings, dass die Klage abgewiesen wurde. Zu den Gründen sagt die Treuhand Hannover auf ihrer Internetseite nichts. Auf Nachfrage der AZ erklärt sie jedoch, die Klage sei im Kern mit folgender Begründung abgewiesen worden: Umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger seien die Krankenkassen, die in voller Höhe geleistet hätten – an AvP. Die Leistungen seien vom leistenden Unternehmer (Apotheker) auch erbracht worden. Die AvP sei jedoch am Leistungsaustauschverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger nicht beteiligt. Dass die Forderung gegen die Krankenkassen an die AvP abgetreten wurde, sei ohne Bedeutung. Vielmehr sei das Entgelt vom klagenden Apotheker „vereinnahmt worden“, da die AvP die Forderungen für Rechnung des Klägers eingezogen habe. Geschehen sei dies in dem Moment, da die Kassen ans Rechenzentrum AvP gezahlt haben.

Revision zum BFH

Sobald das schriftliche Urteil zugestellt ist, will die Treuhand Hannover mit ihrem Mandanten Revision zum Bundesfinanzhof einlegen. Wie sie erklärt, sei eine direkte Zulassung der Revision im finanzgerichtlichen Verfahren die große Ausnahme. Sie zeige, dass auch das Gericht die strittige Rechts­frage nach der richtigen umsatzsteuerlichen Bemessungsgrund­lage gerne vom obersten deutschen Finanzgericht geklärt haben möchte. Nun heißt es also erneut: Geduld haben und abwarten. |

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